Interview am Morgen: Maskenpflicht im Unterricht:"Warum werden wir wieder in winzige Klassenräume gestopft?"

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Ohne Maske keine Schule: Eine Achtklässlerin in Münster schreibt etwas in ihren Stundenplan. (Foto: dpa)

Dario Schramm besucht eine Gesamtschule in Bergisch Gladbach. Und muss nun im Unterricht Mund und Nase bedecken, wie gut eine Million Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen. Eine andere Lösung wäre ihm lieber gewesen.

Interview von Bernd Kramer

Am Mittwoch hat das Schuljahr in Nordrhein-Westfalen angefangen - mit der strengsten Maskenpflicht bundesweit. Auch im Unterricht müssen Jugendliche einen Mund-Nase-Schutz tragen. Dario Schramm, 19 Jahre, ist Schülersprecher an einer Gesamtschule in Bergisch Gladbach - die Maskenpflicht im Unterricht haben Schülervertreter bereits im Vorfeld kritisiert.

SZ: Herr Schramm, wie lief der erste Schultag?

Dario Schramm: Es war wie erwartet anstrengend. So eine Maske schränkt einen doch deutlich ein, vor allem bei diesen Temperaturen. Manche berichteten, dass sie schon nach der ersten Stunde Kopfschmerzen hatten. Es geht mit der Zeit auf die Konzentrationsfähigkeit. Fünfte Stunde Mathe mit durchgeschwitzter Maske - schwierig.

Aber andere müssen im Beruf doch mitunter einen ganzen Arbeitstag lang eine Maske tragen.

Man wirft uns ja vor, wir Schülerinnen und Schüler jammern auf hohem Niveau. Aber ich persönlich habe durchaus den Vergleich. Ich habe einen Nebenjob im Einzelhandel, da habe ich in den Ferien von zehn Uhr morgens bis sieben Uhr abends mit Maske gearbeitet. Das ist kein Problem. Nur gibt es im Laden eine bessere Lüftung und eine Klimaanlage. Aber welche Schule hat eine Klimaanlage?

Immerhin hat NRW im Gegenzug zur Maskenpflicht die Hitzefreiregelungen gelockert. Auch Oberstufenschüler dürfen jetzt nach Hause geschickt werden, wenn die Temperaturen unerträglich werden. Das ist doch immerhin ein Entgegenkommen.

Das Problem ist: Im Erlass bleibt es weiterhin den Schulen freigestellt, ob sie Hitzefrei geben. Klare Vorgaben gibt es da keine. Die Schulleiter können also lange Unterrichtstage organisieren und die Schüler unter den Masken schwitzen lassen.

Dario Schramm von der Landesschülerkonferenz Nordrhein-Westfalen kritisiert den Schulunterricht mit Masken. (Foto: privat)

Wie weit sitzen Sie von Ihren Mitschülern entfernt?

Ich war gerade im Unterricht mit 26 Leuten in einem winzigen Klassenraum. Da ist nichts mit Abstand. Man hat also wieder unmittelbar links und rechts neben sich Banknachbarn wie zuletzt im März.

Ist Ihnen da nicht wohler, wenn alle eine Maske tragen?

Absolut. Solange wir so sitzen, ist eine Maske unumgänglich, vor allem bei den hohen Infektionszahlen, die wir in NRW im Moment haben. Aber da liegt ja der Knackpunkt: Warum werden wir wieder in winzige Klassenräume gestopft? Das Ministerium hatte in den Ferien sechs Wochen Zeit, um ein gutes Wechselsystem zu entwickeln, so dass kleinere Gruppen im Schichtbetrieb unterrichtet werden. Die anderen bekommen dann Online-Unterricht. Das hatten wir vor den Ferien, und das hat sich aus meiner Sicht bei allen Fehlern grundsätzlich bewährt. Die Politik wollte aber viel zu schnell zu einem normalen Schulbetrieb zurück.

Halten sich denn bisher alle an die Maske?

In meiner Jahrgangsstufe schon, da ist die Einsicht groß. Aber bei den Jüngeren habe ich heute vor dem Unterricht schon Grüppchen im Gebäude gesehen, die ... (es piept im Hintergrund). Da kommt gerade eine Durchsage.

Wir bitten ganz dringend, die Autos, die am Haupteingang geparkt sind, wegzusetzen. Wir brauchen den Platz für die Einschulungsfeier der Fünfer.

Entschuldigung.

Gab es eigentlich auch eine Durchsage, die an die Maskenpflicht erinnert hat?

Überhaupt nicht. Das Merkwürdige ist ja, dass die Lehrerinnen und Lehrer die Maske absetzen dürfen, wenn sie 1,5 Meter Abstand zur Klasse haben. Meine Stufenleitung hat uns mit den Worten begrüßt, sie fänden diese Ausnahme zwar auch komisch. Aber im selben Moment hat sie die Maske trotzdem abgesetzt. Ich finde das schwierig, weil Lehrkräfte ja eine Vorbildfunktion haben. Ich kann mir vorstellen, dass gerade die Jüngeren wenig Verständnis für die Maskenpflicht haben, wenn sie für ihren Lehrer vorn am Pult nicht gilt.

Im Unterricht ist die Maske zunächst in NRW nur bis Ende August vorgeschrieben. Und im Moment sieht es nicht danach aus, dass die Bundesländer anschließend wieder zu kleinen Lerngruppen und Mindestabständen zurückkehren. Würden Sie die Maske weitertragen?

Schwere Frage. Ich würde die Maske mitnehmen in die Klasse, aber ich muss auch gestehen: Ich würde sie sicher auch in dem ein oder anderen Moment abnehmen, damit meine schulischen Leistungen nicht leiden. Ich glaube, wenn die Pflicht zur Maske im Unterricht nicht mehr besteht, werden wenige sie tragen. Aber wenn die Infektionszahlen bis dann nicht deutlich nach unten gehen und die Klassenstärken unbedingt so bleiben sollen, braucht es die Pflicht weiter. Alles andere halte ich für unverantwortlich

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