Schulen:Nur mit Maske, auch im Unterricht

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Für Schüler in Kiel gibt es die Empfehlung, Maske zu tragen, zumindest auf dem Schulhof und in den Gängen. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Das gilt von heute an für Schüler in Nordrhein-Westfalen. Der Schuljahresbeginn wird zum Praxistest für die neue Bildungsnormalität.

Von Paul Munzinger, München

Vieles ist anders in diesem Corona-Sommer, aber nicht alles: Der späte Termin für die Ferien, den Bayern und Baden-Württemberg wie ein Naturrecht verteidigen, bietet auch in diesem Jahr viele Vorteile und ein Risiko. Die Vorteile, normalerweise: Autobahnen und Strände sind leerer, die Hotels billiger. Das Risiko: Der Sommer endet, obwohl noch Urlaub übrig ist. Die Vorteile in diesem Jahr: Die Bundesländer im Süden können erst mal zuschauen, wie die anderen mit den Herausforderungen umgehen, die der Schulalltag in Zeiten der Pandemie mit sich bringt. Das Risiko: Die Zahl der Infizierten könnte bis September so stark ansteigen, dass der Schulalltag im Süden von Anfang an ein Homeschooling-Alltag sein muss.

Mit der Antwort auf die umstrittenste Schulfrage dieser Tage kann sich Bayern jedenfalls noch Zeit lassen: Braucht es eine Maskenpflicht auch im Klassenzimmer? Die Einschätzungen reichen von unverzichtbar bis unzumutbar, praktische Erfahrungswerte allerdings gibt es noch nicht. Das wird sich nun ändern. An diesem Mittwoch beginnt für 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen das Schuljahr, und für alle jenseits der Grundschule gilt: nur mit Maske, auch im Unterricht. Die Regierung in Düsseldorf geht damit weiter als alle anderen Länder. Einige - am Dienstag auch Brandenburg - haben zwar ebenfalls eine Maskenpflicht in der Schule beschlossen, aber sie gilt nicht in der Klasse oder auf dem Pausenhof.

NRW-Schulministerin Gebauer will die Vorsichtsmaßnahme nicht "auf Dauer etablieren"

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sprach am Dienstag von einer "Vorsichtsmaßnahme", die dem aktuellen Infektionsgeschehen geschuldet sei; in NRW sind die Ansteckungszahlen zuletzt gestiegen. Sie betonte aber, dass die strenge Maskenpflicht keine Maßnahme sei, "die man auf Dauer etablieren sollte". Sie sei deshalb zunächst bis Ende August befristet. Immerhin: Wird es heißer als 27 Grad, dann sollen ausnahmsweise auch die Oberstufen hitzefrei bekommen können.

Dass viele Augen sich jetzt auf den Schulstart in NRW richten werden, liegt aber nicht allein am Praxistest für die Maskenpflicht. Es liegt vor allem daran, dass die ersten Schultage und -wochen im bevölkerungsreichsten Bundesland den Ausblick auf die neue deutsche Bildungsnormalität entscheidend schärfen dürften. Was passiert, wenn sich ein Kind infiziert? Was passiert, wenn eine Lehrkraft erkrankt? Und welche Rolle spielen die Schulen tatsächlich im allgemeinen Infektionsgeschehen?

Ein vorläufiges Bild zeichnet sich in den Bundesländern ab, wo das Schuljahr bereits begonnen hat. Den Anfang machte am 3. August Mecklenburg-Vorpommern. Bereits vier Tage später mussten zwei der mehr als 600 Schulen im Land wieder schließen, ein Gymnasium in Ludwigslust und eine Grundschule in Graal-Müritz. An dem Gymnasium war eine Corona-Infektion bei einer Lehrerin festgestellt worden, die noch nicht unterrichtet, aber an einer Fortbildung teilgenommen hatte. Zwei weitere Lehrkräfte wurden daraufhin positiv getestet. Weitere Infektionen gibt es nach bisherigem Kenntnisstand nicht, ein erster Test bei 205 Schülern war negativ, ein zweiter soll am Donnerstag folgen. Die Grundschule wurde für zwei Wochen geschlossen, weil bei einem Schüler eine Infektion entdeckt wurde. In Mecklenburg-Vorpommern bildet eine Grundschule eine Kohorte - eine Gruppe, die untereinander keinen Abstand halten, aber bei einer Infektion geschlossen nach Hause muss.

In Schleswig-Holstein gibt es bislang zwei Fälle - bei 360 000 Schülern und knapp 30 000 Lehrkräften. Eine kleine Grundschule in Nordfriesland musste für zwei Tage schließen. Auch hier war es eine Lehrerin, die positiv getestet wurde - ebenfalls vor Schulbeginn. Laut Ministerium war sie wegen eines Schnupfens zum Arzt gegangen, hatte dann aber das Ergebnis des Corona-Tests nicht abgewartet, sondern an der Lehrerkonferenz teilgenommen. Die Schule öffnet an diesem Mittwoch trotzdem wieder - mit Vertretungslehrern. Der zweite Fall: Ein Schüler, der ebenfalls in Erwartung eines Tests in die Schule kam. Seine Kohorte wurde nach Hause geschickt, in diesem Fall die Jahrgangsstufe - allerdings nur für einen Tag. Der Verdacht erhärtete sich nicht.

Die Aufregung nach den Schulschließungen war groß. Zu Unrecht, findet Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. "Die Nachricht ist doch nicht, dass zwei oder drei Schulen geschlossen sind", sagte die CDU-Politikerin der Süddeutschen Zeitung, "die Nachricht ist, dass in 99 Prozent der Schulen Kinder endlich wieder regulären Unterricht bekommen." Der englische Begriff "Hammer and Dance" treffe es gut, so Prien: "Schulschließungen waren der Hammer. Jetzt sind wir im Tanz und wir bewegen uns einen Schritt vor, einen Schritt zur Seite und auch mal einen Schritt zurück, um möglichst viel Präsenzunterricht für möglichst viele Schülerinnen und Schüler umzusetzen."

Dass Jahrgangsstufen vorübergehend nach Hause geschickt und Schulen geschlossen werden, wird Teil dieses Tanzes sein, das erscheint schon jetzt als sicher. Ob es sich dabei aber um Einzelfälle handelt, die zeigen, dass das Frühwarnsystem funktioniert, oder um Belege für das Scheitern des Präsenzunterrichts, das muss sich erst noch erweisen - zum Beispiel von diesem Mittwoch an in Nordrhein-Westfalen.

© SZ vom 12.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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