Die deutsche Delegation saß gerade im Flieger nach Armenien, da knallte es in der Heimat. Die Spitzen der Wissenschaftspolitik trafen sich vergangenes Jahr in Eriwan mit den Ministern der fast 50 Staaten, die das Bologna-Studiensystem mit dem Bachelor eingeführt haben. Alle paar Jahre gibt es den Gipfel, dazu stets eine Erklärung zum Fortgang der europäischen Studienreform. Darin enthalten ist zwar oft viel Konferenz-Prosa, auffällig war aber, wie klar der Fokus diesmal auf dem Arbeitsmarkt lag. Laut Erklärung sollen die Hochschulen stärker mit Arbeitgebern kooperieren: "Absolventen müssen beschäftigungsfähig gemacht werden in sich rasch verändernden Arbeitsmärkten, die von technischen Entwicklungen und dem Auftauchen neuer Berufsbilder geprägt sind."
Noch bevor die Runde tagte, wurde der Text publik. "Eierlegende Wollmilchsäue" würden da erwartet, empörten sich linke Studentenvertreter. Und von den Unis kam: Elfenbeintürme gebe es längst nicht mehr, aber irgendwann müsse auch Schluss sein mit der "Marktanpassung" des Studiums. Nötig sei "kritische Distanz zu den Begehrlichkeiten der Industrie".
Wie diese Begehrlichkeiten aussehen, darüber gibt nun der Hochschulbildungsreport des Stifterverbands für die Wissenschaft Aufschluss. Der Verein, der von Konzernen wie auch Mittelständlern getragen wird, hat mit der Unternehmensberatung McKinsey Firmen aller Branchen über ihre Vorstellung vom Studium der Zukunft befragt. Die entsprechenden Kapitel des Reports, der an diesem Montag erscheint, liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Leitfragen: Wie schätzen Unternehmen die Arbeitswelt der Zukunft ein? Welche Kompetenzen werden Akademiker dafür benötigen? Und inwiefern wird sich daher die Lehre an den Hochschulen verändern?
Forschung wird wichtiger, glauben 84 Prozent der Befragten
Das Studium in Bologna-Zeiten, so der gängige und nicht unberechtigte Vorwurf, ist verschult. So hat die Reform Studenten viele Freiheiten genommen, es gibt getaktete Stundenpläne, permanente Leistungsnachweise, fast alles zählt für den Abschluss. Das Hineintasten in Themen, das freie Erforschen mit dem Recht, dass sich etwas am Ende als Irrweg entpuppt - es findet im heutigen Lehr-Korsett selten statt.
Doch Hochschulabsolventen im Wortsinn wollen Arbeitgeber nicht, zeigt die Umfrage: Forschung wird wichtiger, glauben 84 Prozent der Befragten, fast ebenso viele sagen, dass administrative Tätigkeiten in Zukunft automatisiert laufen. Neue Produkte setzten neues Wissen in der internen Entwicklung voraus, betonen 85 Prozent - forschende Geister sind also gefragt. Eine Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass die Zusammenarbeit von Hochschulen und Firmen intensiver werden muss, dass Praxis und Theorie besser verknüpft sein sollten.