Der Weg in Spitzenpositionen läuft in Deutschland meist über ein Studium - und nicht selten über ein Stipendium von einem der Begabtenförderwerke. Oskar Lafontaine etwa wurde als Physikstudent vom katholischen Cusanuswerk gefördert; zu den Altstipendiaten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung zählen neben prominenten Unionspolitikern auch Manager wie der Ex-Airbus-Chef Thomas Enders. Und ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes erhielten der Schriftsteller Navid Kermani und die ZDF-Moderatorin Petra Gerster.
Der Anspruch ist mitunter recht elitär. Die Studienstiftung schreibt in ihrer Satzung, sie unterstütze diejenigen, die "besondere Leistungen im Dienst der Allgemeinheit erwarten lassen". Nur ein Prozent aller Studenten in Deutschland bekommt ein Stipendium von einem der 13 Begabtenförderwerke; Akademikerkinder sind unter den Stipendiaten überrepräsentiert.
Nun rüttelt die FDP an diesem System: Die Bundestagsfraktion der Liberalen will die Förderwerke für Auszubildende öffnen. Neben den Elite-Studenten sollen auch Elite-Lehrlinge ein Stipendium erhalten und möglichst auch an den gleichen Seminaren und Veranstaltungen teilnehmen. Die FDP-Abgeordneten um den Bildungspolitiker Jens Brandenburg haben einen entsprechenden Antrag formuliert, den sie nach der Sommerpause im Bundestag zur Abstimmung stellen wollen und der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es wäre ein radikaler Bruch mit dem bisherigen Praxis der Bestenförderung.
"Menschliche Begabungen sind vielfältig", formulieren die Liberalen in ihrem Antrag und weiter: "Diese Vielfalt der Begabungen sollte sich in den Begabtenförderwerken widerspiegeln." Sie sollen künftig freiwillig darüber entscheiden können, ob sie auch an Azubis Stipendien vergeben möchten. Bisher ist das ausgeschlossen. Die Stiftungen sollen zusätzliches Geld vom Bund bekommen, wenn sie mindestens zehn Prozent der Stipendien an Lehrlinge vergeben.
Für Azubis gibt es bislang ein eigenes Förderwerk, die Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung. Verglichen mit dem Stipendiensystem für Studenten ist es aber eher klein: 56,7 Millionen Euro stellt der Bund dieses Jahr für Azubi-Stipendien bereit, 266 Millionen erhalten dagegen die 13 akademischen Begabtenförderwerke - obwohl sich die Schulabgänger etwa je zur Hälfte auf Hochschule und Berufsausbildung verteilen.
Eine gemeinsame Begabtenförderung für Studierende und Azubis wäre aus Sicht der FDP daher ein Signal für die viel beschworene Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte kürzlich vorgeschlagen, Gesellen- und Meisterabschlüsse in "Berufsbachelor" und "Berufsmaster" umzubenennen - was bei Hochschulrektoren auf Protest stieß.
Ähnliches könnte dem FDP-Vorschlag widerfahren. Die Förderwerke reagieren auf Anfrage der SZ verhalten auf die Idee. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung würde eine entsprechende Gesetzesänderung zwar begrüßen. Auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Linkspartei nahesteht, zeigt sich offen für eine Debatte. Eher ablehnend äußern sich dagegen die anderen Förderwerke. Die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung sagte, der Unterschied zwischen Azubis und Studierenden "scheint uns sehr groß zu sein", sodass getrennte Programme sinnvoller seien. Die Studienstiftung des deutschen Volkes, mit 12 000 Stipendiaten das größte Förderwerk, erklärte, bei dem Thema sei sie "nicht der richtige Ansprechpartner".