In der CSU eskalieren jetzt die schon länger schwelenden Konflikte innerhalb der engsten Führung. Zwischen Parteichef Horst Seehofer und zweien seiner vier Stellvertreter - Peter Gauweiler und Peter Ramsauer - gibt es offenbar keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit, wie am Montag bei einer Sitzung des Parteivorstands deutlich wurde. Übereinstimmenden Berichten von Teilnehmern zufolge war Seehofer hochgradig erregt über Gauweilers und Ramsauers abweichenden Kurs in der Griechenland-Politik. "Ihr oder ich", soll Seehofer den beiden gedroht haben. Das wurde in der Partei als klare Rückzugsaufforderung verstanden.
Peter Gauweiler:Der unbequeme Millionen-Anwalt
Peter Gauweiler, Top-Verdiener im Bundestag und gerissener Jurist, hat schon viele Rollen ausprobiert: CSU-Rebell, Philosoph und Provokateur. Zuletzt kämpfte er vor allem vor Gericht gegen große Gegner. Der größte ist aktuell: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone.
Die beiden Bundestagsabgeordneten Ramsauer und Gauweiler hatten gemeinsam mit Fraktionskollegen im Bundestag die Linie der Unionsführung zu einer Verlängerung des Hilfspakets für Griechenland nicht mitgetragen. Das löste bei Seehofer massiven Ärger aus, weil er zuvor in drei Telefonschalten und auf Sitzungen ausdrücklich Geschlossenheit angemahnt hatte. Im Parteivorstand am Montag wertete Seehofer das Abstimmungsverhalten seiner Stellvertreter laut Teilnehmern ausdrücklich als Misstrauensvotum gegen sich. "Ich habe um Zustimmung gebeten, Gegenstimmen waren auch gegen mich", wurde der Parteichef zitiert.
"Man nennt das Demokratie"
Ramsauer fehlte bei der Sitzung, er ist gerade mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf einer Arabienreise. Gauweiler war dagegen da, er habe sich verteidigt, hieß es. Seine kritische Haltung zum Vorgehen der EU bei der Griechenland-Rettung sei in der CSU ebenso seit Langem bekannt wie seine Haltung zur Europolitik, habe Gauweiler gesagt. Eine Partei müsse das aushalten können, so Gauweiler. "Man nennt das Demokratie."
Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ließ Gauweiler nach der Sitzung erkennen, dass er Seehofers Attacke nicht ohne Weiteres wegsteckt. "Das gibt mir schon zu denken", sagte Gauweiler. Er werde aber seine Positionen keinesfalls ändern, sagte der Münchner Abgeordnete weiter: "Unter keinen Umständen - das kommt überhaupt nicht in die Tüte."
CSU muss in Berlin mit einer Stimme sprechen
Seehofer selbst fehlte bei der Pressekonferenz nach der Vorstandssitzung, was mit Terminproblemen begründet wurde. Seinen Platz am Mikrofon nahm ungewöhnlicherweise Finanzminister Markus Söder ein, der eigentlich nur zum CSU-Kurs bei der Erbschaftsteuer berichten wollte. Er und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bestätigten Seehofers Haltung und machten sie sich zu eigen. Scheuer sagte, "dass der Parteivorsitzende da auch sehr deutliche Worte gefunden hat, weil es um die Zukunft geht". Söder meinte, gerade eine kleinere Partei wie die CSU müsse in Berlin mit einer Stimme sprechen.
Gauweiler und Ramsauer hat Seehofer schon länger auf dem Schirm, bislang allerdings auf höchst unterschiedliche Weise. Beide sind Teil der vierköpfigen Vize-Riege, gemeinsam mit Landtagspräsidentin Barbara Stamm und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Mit dem langjährigen Vize Ramsauer steht Seehofer schon lange auf Kriegsfuß, völlig überworfen haben sich die beiden, als Seehofer Ramsauer nach der Bundestagswahl das Amt des Verkehrsministers nahm. Gauweiler dagegen hatte Seehofer selbst erst im Herbst 2013 neu zu seinem Stellvertreter wählen lassen. Seehofer wollte den größten Euroskeptiker der CSU ganz ausdrücklich in einer Führungsrolle, um vor der Europawahl EU-Skeptiker und potenzielle Wähler der AfD an die CSU zu binden. Als diese Rechnung aber nicht aufging und die CSU schlecht abschnitt, wurde zwischen beiden Distanz spürbar. Nun wird aus dieser offenbar Entfremdung.
Seehofer will sich 2018 komplett zurückziehen
Wie es nun im CSU-Vorstand weitergeht, blieb am Montag zunächst einmal unklar. Zu schnellen Reaktionen kam es jedenfalls weder bei Ramsauer noch bei Gauweiler. Die nächste Neuwahl steht für den gesamten CSU-Vorstand beim kommenden Parteitag im Herbst an. Turnusmäßig amtiert die Führung jeweils zwei Jahre - es könnte also für Seehofer die letzte Wiederwahl sein. Er will sich im Jahr 2018 komplett zurückziehen. Über einen Austausch Gauweilers und Ramsauers wird in der Partei schon seit Längerem spekuliert. Auch ein kompletter Wechsel auf allen vier Posten erscheint denkbar. Als ein möglicher Nachfolger aus Oberbayern wird immer wieder Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt genannt. Andere starke CSU-Figuren wie Markus Söder oder Ilse Aigner kommen laut Satzung nicht infrage, weil sie schon Bezirkschefs sind.
Für Seehofer hatte sich am Montag gleich in mehrerlei Hinsicht Ärger mit dem eigenen Lager hochgeschaukelt. Im Streit über die Reform der Erbschaftsteuer legte sich der gesamte Vorstand massiv mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an. Dessen Entwurf betrachtet die CSU einhellig als mittelstandsfeindlich, weil er beim Vererben von Betrieben enge Grenzen setzt. Seehofer hatte schon vor der Vorstandssitzung an Schäubles Adresse gemahnt: "Wir wollen keine verkappte Wiedereinführung der Vermögenssteuer." Auch über die Kritik von Industriepräsident Ulrich Grillo an der Energiepolitik der CSU zeigte sich Seehofer verärgert. Grillo hatte in der FAZ von einer verantwortungslosen Haltung der CSU gesprochen. Seehofer konterte: "Herr Grillo ist ganz offenkundig unzureichend informiert über die Energiewende."