Peter Gauweiler:Der unbequeme Millionen-Anwalt

CSU-Vorstandsklausur in Andechs

CSU-Parteivize Peter Gauweiler im Kloster Andechs.

(Foto: Marc Müller/dpa)

Peter Gauweiler, Top-Verdiener im Bundestag und gerissener Jurist, hat schon viele Rollen ausprobiert: CSU-Rebell, Philosoph und Provokateur. Zuletzt kämpfte er vor allem vor Gericht gegen große Gegner. Der größte ist aktuell: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone.

Von Klaus Ott

Das Telefonat dauerte mehr als eine halbe Stunde, und Peter Gauweiler war wieder einmal kaum zu bremsen. Als die Münchner Justiz Ende 2011 gerade dabei war, ein Verfahren gegen den früheren Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer einzustellen, beschwerte sich der streitbare Jurist und Politiker vehement bei der zuständigen Ermittlerin.

Das sei ein außergewöhnlicher Fall, er müsse unbedingt gehört werden, die Staatsanwaltschaft dürfe Breuer auf keinen Fall so davonkommen lassen. Dieses Vorgehen sei falsch, er werde die Ermittler "mit allen Mitteln angreifen", wenn sie der Einstellung zustimmten. Die Staatsanwältin antwortete Gauweiler lapidar, "dass der weitere Verfahrensfortgang nicht mit ihm erörtert werden könne". So steht es in einem Vermerk der Ermittlerin über das Telefonat.

Die Justiz ließ den Banker laufen gegen eine Zahlung in Höhe von 350 000 Euro. Gauweilers Beschwerde ging ins Leere. Seine Kanzlei hatte Breuer Jahre vorher angezeigt wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Leo Kirch gegen Deutsche Bank. Die Sozietät Bub, Gauweiler & Partner hat den Medienmagnaten bis zu seinem Tod Mitte 2011 vertreten, seither kümmert man sich um die Familie und die Erben. Wie immer mit großem Einsatz.

Das Telefonat von Ende 2011 ist keine Ausnahme. Gauweiler gilt als einer der schillerndsten Wirtschaftsanwälte in Deutschland. Als einer, der polarisiert. Der Konzernchefs mal in Schutz nimmt, mal attackiert. Der Ermittler mal bremst, mal antreibt. Der bei alledem weiter geht als viele seiner Kollegen und sich manchmal drastischer Methoden bedient. Und der dabei besser verdient als viele andere. Allein der Prozess Kirch gegen Deutsche Bank dürfte der Kanzlei mehr als zehn Millionen Euro eingebracht haben.

Gauweiler eckt immer wieder an - aber er kann es sich leisten

Peter Gauweiler, 65, ist vor allem als Politiker bekannt, der mit und in seiner Partei, der CSU, immer wieder aneckt. Der mit Schimpfkanonaden gegen die Europäische Union Bierzelte füllt und seine Zuhörer in Wallung bringt; der vor dem amerikanischen Einmarsch 2003 in den Irak nach Bagdad geflogen ist, um einen Krieg zu verhindern; und der schon in jungen Jahren als Kreisverwaltungsreferent in München für Furore sorgte, indem er gegen Schankbetrug der Wiesnwirte beim Oktoberfest kämpfte, Schwarze Sheriffs auf die Straßen schickte und Prostituierte an den Stadtrand verbannte. Querkopf, Sonderling, Euro-Rebell: Der CSU-Vize, der in seiner Partei nach einer misslichen Affäre tief stürzte und sich wieder nach oben arbeitete, muss auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen.

Leisten kann sich das der barocke Münchner, der gerne in Tracht auftritt, weil die Kanzlei gut läuft; mit großen Fällen und bekannten Mandanten. Tom Enders, Chef von Airbus; Stefan Mappus, ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg; die Metro; die Österreichische Bundesbahn; der frühere Münchner Wiesn-Wirt Sepp Krätz; der umstrittene Labor-Betreiber Bernd Schottdorf; um nur einige zu nennen. In der von Gauweiler mit seinem langjährigen Kompagnon Wolf-Rüdiger Bub und weiteren Partnern betriebenen Sozietät stapeln sich die Akten und die Fälle. Die Büroräume liegen am Promenadeplatz in München, eine schöne Lage, mit Blick auf den Bayerischen Hof. Eine Anwaltstochter durfte dort mal am Fenster sitzen und warten, bis sie Michael Jackson zu sehen bekam, der bei seinen Konzerten in dem Fünf-Sterne-Hotel abstieg.

Der neuste Gegner ist Formel-1-Boss Ecclestone

Große Fälle, große Gegner. Der größte ist aktuell Bernie Ecclestone, Chef der Formel 1, der sich gerade mit 100 Millionen Dollar von seinem Schmiergeldprozess in München freigekauft hat. Gauweiler und seine Partner haben das vergeblich zu verhindern versucht. Als sich abzeichnete, dass der Renn-Boss davonkommen würde, haben Bub, Gauweiler & Partner schnell noch einen Brief an die Münchner Staatsanwaltschaft geschickt. Einen Brief, der ebenso viel über Gauweiler erzählt wie das Telefonat mit der Ermittlerin im Fall Deutsche Bank. Einen Brief, der dokumentiert, dass dem Anwalt Gauweiler Partei-Bekanntschaften nichts bedeuten, wenn es um die Interessen seiner Mandanten geht.

Neuerdings trifft das Kurt Faltlhauser, Bayerns früheren Finanzminister. Der beschreibt sein Verhältnis zu Gauweiler als "freundschaftliche Distanz", doch derzeit ist da nur noch Distanz und keine Freundschaft. Faltlhauser hat im Ecclestone-Prozess als Zeuge ausgesagt in einer Art und Weise, die dem Formel-1-Chef sehr half. Daraufhin rügten Bub, Gauweiler & Partner, der ehemalige Minister habe "widersprüchlich" ausgesagt, er sei "unvollständig" vernommen worden und müsse erneut befragt werden. Es geht um Geschäfte von Bayerns Landesbank, die einst von Faltlhauser kontrolliert wurde, mit der Formel 1. Und um viel Geld, das der Kirch-Firma Constantin Medien aus diesen Deals noch zustehen soll.

Constantin Medien wird von Gauweilers Kanzlei vertreten

Constantin Medien wird, wie das bei der Familie Kirch fast immer der Fall ist, von der Kanzlei am Promenadeplatz vertreten. Gauweiler und seine Partner hatten sogar gedroht, die BayernLB zu verklagen, falls diese sich mit Ecclestone einige. Das ist einstweilen vom Tisch, aber es ist auch nur ein halber Erfolg für die Constantin. Die hatte sich über einen mit Gauweiler eng verbunden Strafrechtsprofessor sogar an Bayerns Justizminister Winfried Bausback gewandt, um den Ecclestone-Prozess am Laufen zu halten.

Eingabe beim Minister

Am Montag dieser Woche bekam Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) Post wegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Ein bekannter Strafrechtsprofessor, Bernd Schünemann, wollte verhindern, dass der Prozess gegen den Renn-Boss eingestellt werde. Gegen ein "ministerielles Weisungsrecht" bestünden keine Bedenken, notierte der Professor und verwies auf Paragraf 147/2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Darin ist die Aufsicht und Leitung der Justizverwaltung über die Staatsanwaltschaften geregelt. Bausback sollte also die Münchner Staatsanwaltschaft anweisen, den Prozess gegen Ecclestone fortzusetzen. Schünemann wurde für die Constantin Medien AG vorstellig, die anwaltlich von der Kanzlei Bub, Gauweiler & Partner vertreten wird, ebenso wie die Familie Kirch. Constantin ist eine Kirch-Firma, Schünemann arbeitet oft mit der Kanzlei Gauweiler zusammen. Constantin will von Ecclestone Geld aus früheren Formel-1-Geschäften einklagen und notfalls auch die BayernLB verklagen, falls die sich mit dem Renn-Boss einigt. Doch das macht die BayernLB nun nicht. Sie lehnte am Freitag ein 25-Millionen-Euro-Angebot von Ecclestone ab. Hätte sich die Kanzlei Gauweiler selbst an den Justizminister aus den Reihen der CSU gewandt, dann wäre das ein Politikum gewesen: Parteivize Gauweiler interveniert bei Parteifreund Bausback, hätte es geheißen. So aber hatte alles, auf dem Papier, seine Ordnung. Vor dem Justizminister hatte Schünemann noch den Generalstaatsanwalt angeschrieben und ihn zum "aufsichtsrechtlichen Einschreiten" aufgefordert, damit die Staatsanwaltschaft bei Ecclestone nicht locker lasse. Sonst würde die Constantin "leer ausgehen". Doch der Generalstaatsanwalt und der Minister unternahmen nichts. Der Prozess gegen den Renn-Boss wurde eingestellt. Klaus Ott

Der Professor, Bernd Schünemann, schrieb an Bausback, gegen ein "ministerielles Weisungsrecht" bestünden keine Bedenken. Der Minister sollte also die Münchner Staatsanwaltschaft anweisen, das Verfahren gegen den Renn-Boss fortzusetzen. Hätte sich die Kanzlei Gauweiler selbst an den Justizminister aus den Reihen der CSU gewandt, dann wäre das ein Politikum gewesen: Parteivize Gauweiler interveniert bei Parteifreund Bausback, hätte es geheißen. So aber ist alles, wenigstens auf dem Papier, ordentlich getrennt. Keine politische Einflussnahme, nichts dergleichen.

Gauweiler und die Politik, das ist ohnehin ein Kapitel für sich. Erst kommt der Anwalt, dann der Politiker. Das hat der Jurist vom Promenadeplatz erst kürzlich wieder einmal bewiesen. Bayerns Landtag will untersuchen, ob die Justiz im Umgang mit Bernd Schottdorf, Betreiber eines medizinischen Großlabors in Augsburg, geschlampt hat und mögliche Gesetzesverstöße deshalb verjährt sind. Rechtswidrig und Willkür sei das, weil der Landtag in "Kernfunktionen der Strafjustiz" eingreife, rügt Gauweiler in einer Eingabe beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Ein Parlamentarier will also, in seiner Eigenschaft als Verteidiger, die Rechte des Parlaments beschneiden. Das löst Unverständnis aus bei Abgeordneten aller Couleur, auch bei der CSU.

Was wiederum bei Gauweiler auf noch mehr Unverständnis stößt. Der hat erregt gefragt, ob er jetzt seinen langjährigen Mandanten Schottdorf nicht mehr verteidigen dürfe. Ob er seinen Beruf nicht mehr ausüben dürfe. Im Zweifelsfall geht der Anwalt halt vor.

Gauweiler ist im Bundestag Topverdiener bei Nebeneinkünften

Der CSU-Politiker ist, was Nebeneinkünfte anbelangt, der Top-Verdiener im Bundestag. Von den Bezügen als Abgeordneter muss der Mann aus dem Wahlkreis München-Süd schon lange nicht mehr leben. Das macht unabhängig. Gauweiler gilt als Volksvertreter, wie er im Grundgesetz steht. Als einer, der an "Aufträge und Weisungen nicht gebunden" und nur seinem Gewissen verpflichtet ist. Im Bundestag hat sich der CSU-Mann aus München beim Kampf gegen EU-Verträge mal bei "allen Mitstreitern" auch von der Linken mit dem schönen Satz bedankt, es sei besser, mit "Außenseitern das Grundgesetz zu verteidigen, als es mit den Volksparteien zu brechen". Der damalige SPD-Fraktionschef Peter Struck rief: "Hört! Hört!"

Andererseits: Was nützt ein unabhängiger Abgeordneter, der oft nicht da ist. Gauweiler hat seit der Bundestagswahl bei vielen namentlichen Abstimmungen gefehlt. Er ist als Redner gefragt, als Talkshow-Gast im Fernsehen und vor allem als Anwalt. Gerichtstermine hier, Gerichtstermine dort, lange Schriftsätze, das kostet viel Zeit. Und dann streitet der CSU-Rebell ja auch noch gerne beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, gegen EU-Verträge und Euro-Rettungsschirme. Dass er dabei noch einmal aus der Fassung gerät wie vor einem Jahrzehnt in Mannheim, ist nicht zu erwarten.

Dort verteidigte Gauweiler in einer Finanzaffäre einen deutsch-libanesischen Geschäftsmann und bekam es mit einem Zeugen zu tun, der ihn in einer Prozesspause wüst beschimpfte. Der Münchner Anwalt erwiderte, "wennst di net glei schleichst", und stieß noch ein paar muttersprachliche Verwünschungen aus.

Er kann Richter nerven und Prozessgegner zur Weißglut bringen

Gauweiler kann sehr feinsinnig sein, Argumente abwägend, Philosophen zitierend. Er kann Paragrafen auf intellektuelle Art und Weise weit auslegen, er kann Richter nerven und Prozessgegner zur Weißglut bringen, milde im Ton, aber hart in der Sache. Er weiß die Bühne bei der Justiz genauso zu nutzen wie in der Politik. Und er kann auch ziemlich rigide sein, wenn es um die Interessen seiner Mandanten geht.

Als Verteidiger hat sich Gauweiler über eifrige Ermittler nicht nur ein Mal bei deren Vorgesetzten heftig beschwert, wie im Fall Schottdorf. Da wurde er sogar beim Präsidenten des Landeskriminalamtes vorstellig, damit gegen einen Beamten vorgegangen werde, was später auch geschah. Ein führender Ermittler in Bayern sagt empört, das komme politischem Druck gleich. Jeder wisse ja, wer Gauweiler sei und welche Bedeutung er in der CSU habe. Andere Anwälte, die ebenfalls namhafte Mandanten gegen bayerische Strafverfolger verteidigen, machen keinen solchen Krawall. Und haben dennoch Erfolg.

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