Vor Gericht in Würzburg:Wie ein JVA-Beamter selbst hinter Gittern landete

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Einem JVA-Beamten werden Bestechlichkeit, bandenmäßiger Handel mit Handys, Erwerb von Betäubungsmitteln und anderes mehr vorgeworfen. Nun sitzt er in Untersuchungshaft. Der Anfang der Geschichte? Intime Gespräche und Mitleid.

Von Olaf Przybilla, Würzburg

Justizvollzugsanstalten sind nicht primär für die guten Gespräche bekannt, die man dort führen kann. Aber womöglich ist das ein großes Missverständnis. Hört man nämlich der Einlassung des Würzburger JVA-Beamten K. zu, so hat er dort immer wieder nicht nur gute, sondern sogar äußerst einfühlsame Gespräche geführt - und zwar mit Strafgefangenen.

Angefangen hat es mit dem Gefangenen D. Der hat ihm nicht nur einmal berichtet, wie arg er unter der Trennung von seiner Familie leide. Der JVA-Beamte K. wiederum erzählte dem Gefangenen vom Bandscheibenvorfall, unter dem er leide, und einem Motorradunfall, der ihn zusätzlich bekümmere. Sollte es stimmen, was K. vor Gericht seinen Anwalt vortragen lässt, dann waren diese intimen Gespräche der Anfang einer Geschichte, die den Beamten selbst hinter Gitter geführt hat.

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Seit Dezember sitzt der 54-Jährige in Untersuchungshaft, in einer außerbayerischen JVA. Seit Mittwoch muss er sich nun am Landgericht Würzburg verantworten. Vorgeworfen werden ihm Bestechlichkeit, bandenmäßiger Handel mit Handys, Erwerb von Betäubungsmitteln und anderes mehr.

Wer genug Geld hat, der kann sich in einer JVA alles beschaffen, heißt es im Klischee. Das Verfahren in Würzburg könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese Sicht der Dinge unter Umständen nicht nur aus dem Fernsehkrimi stammt. Und dass daran - der Versorgung von Strafgefangenen mit Handys und dem Allernötigsten - im Zweifelsfall ziemlich viele Personen mitmischen.

Der Würzburger Auftaktprozess jedenfalls ist nur der Anfang einer ganzen Serie von Verfahren, mit denen sich die Justiz beschäftigen muss. Insgesamt sind es sechs Prozesse mit insgesamt 17 Angeklagten. Strafgefangene sind davon betroffen, Familienangehörige von Gefangenen und eben ein JVA-Beamter. Der muss sich nun als Erster verantworten und lässt über seinen Anwalt manches einräumen: Ja, er habe Geld genommen. Ja, er habe D. - seinem guten Gesprächspartner - ein Handy in die JVA geschmuggelt. Aber nein, eine Geldzahlung sei keineswegs vereinbart gewesen, sei nur ein Freundschaftsdienst gewesen aus "Sympathie und Mitleid". Und nein, vom schwunghaften und bandenmäßigen Handel, den er in Gang gebracht haben soll, habe er schon gar nichts gewusst.

Der JVA-Beamte lässt erklären, er habe seine berufliche Existenz zerstört und stehe "vor einem Scherbenhaufen". Für die Strafzumessung dürfte es am Ende von entscheidender Bedeutung sein, ob ihm das Gericht seine Geschichte abnimmt. Der zufolge war da diese eine Tat aus Mitleid, die er wiederholte, als das erste Handy defekt war. Und dann war da diese Bitte, doch auch Eiweißprodukte verbotenerweise einzuführen, der habe er entsprechen wollen. Bei einem dieser vermeintlichen Eiweißprodukt-Pakete will er sich gewundert haben, warum die Cornflakes-Packung so schwer war. Und warum da, offenbar als kleine Aufmerksamkeit, etliche Hundert-Euro-Scheine beigelegt waren. Aber was da genau drin war in der Kellogg's-Packung? Könne K. nicht sagen, die war ja zu.

Es waren laut Staatsanwaltschaft mehr als ein Dutzend Handys. Die sind, muss man dazu wissen, eine sehr begehrte Währung in Haftanstalten. Gerade in den Bereichen, in denen Untersuchungshäftlinge untergebracht sind, wollen Ermittler das unter allen Umständen verhindern. Von dort aus nämlich kann auch auf das Aussageverhalten von Zeugen Einfluss genommen werden. Und K. war genau dort eingesetzt, wo in Würzburg die U-Haft vollzogen wird.

K. lässt seinen Anwalt sagen, dass er irgendwann keine Wünsche mehr habe erfüllen wollen. Da aber habe ihn sein ehemals guter Gesprächspartner ganz sensibel darauf hingewiesen, dass er doch eh schon gegen die Dienstpflichten verstoßen habe. Und irgendwann wollten dann auch noch andere Häftlinge "Eiweißpackungen". Das habe er brüsk abgelehnt. Bis die ihm sagten, sie wüssten, dass er das einem anderen Häftling auch schon zugestanden habe. Da habe er gemerkt, dass er sich in eine "Lage manövriert" habe, in der er "faktisch erpressbar" war. Das Marihuana, das er für seine Dienste entgegennahm? Habe er für seine Rückenschmerzen gut gebrauchen können. Der Bandscheibenvorfall.

Dass dies ein komplizierter Prozess werden dürfte, ahnt man gleich beim ersten Zeugen. Der Staatsanwalt hat sich von ihm offenkundig valide Aussagen erhofft. Weil dem Zeugen aber selbst ein Verfahren in der Causa JVA-Schmuggel bevorsteht, entscheidet er sich zu schweigen. Das Verfahren wird fortgesetzt.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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