Korruptionsaffäre in Regensburg:So lief der Prozess gegen Wolbergs

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Staatsanwältin Christine Ernstberger, Vorsitzende Richterin Elke Escher, Wolbergs-Verteidiger Peter Witting – die drei Hauptfiguren des Korruptionsprozesses. Illustration: Stefan Dimitrov, Fotos: Armin Weigel/dpa (Foto: N/A)

Der Angeklagte Joachim Wolbergs verfolgte eine ebenso aggressive wie eigenwillige Verteidigungsstrategie. Fehler der Ermittlungsbehörden spielten ihm in die Hände.

Von Andreas Glas, Regensburg

Der Saal 104 im Regensburger Landgericht ist ein freundlicher Ort. Das liegt an diesem Gemälde. Sechs Meter lang, zweieinhalb Meter hoch, sonnenblumengelb. Und es liegt an der Frau, die vor dem Gemälde sitzt, leicht erhöht, mit Blick über Angeklagte, Staatsanwälte und Zuschauer. Sie trägt schwarze Robe, blondes Kurzhaar, baumelnde Ohrringe. Sie ist die Leiterin dieses Verfahrens, das eine außergewöhnliche Bandbreite an Emotionen zu bieten hatte. Neun Monate lang wurde in Saal 104 gelacht, geweint, gestritten, gewütet. Nur eine hat immer die Ruhe bewahrt: Richterin Elke Escher.

"Sie haben viel Geduld mit mir aufbringen müssen", hat der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs in seinem Schlusswort gesagt. Wer den Korruptionsprozess als Zuschauer begleitet hat, der weiß, dass der Begriff Geduld fast zu klein ist, um die Selbstkontrolle dieser Richterin in Worte zu packen. Das ging ja schon am zweiten Prozesstag los, als Wolbergs die erste Drohung in Richtung der Staatsanwältin Christine Ernstberger feuerte: "Sie haben ja Glück, dass ich nichts mehr zu melden habe. Wenn ich mal wieder in einer Position sein sollte, in der ich was zu sagen habe, dann würde ich anweisen, gegen Sie auf Amtshaftung zu klagen." Ernstberger beschwerte sich darüber. Doch die Richterin sagte, man dürfe nicht jeden Satz auf die Goldwaage legen.

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Diese Nachsicht hat das Gericht bis zum Prozessende beibehalten. Zwar drohte Elke Escher nach den ersten, turbulenten Verhandlungstagen, dass sie ihre ruhige "Verfahrensführung jederzeit umstellen" könne. Doch Wolbergs durfte weiter ungestört poltern. Er durfte den Oberstaatsanwalt einen "Obergschaftler" nennen und einen "Anstandswauwau". Einmal sagte er, dass die Staatsanwältinnen "nicht ganz dicht" seien. Er schob ein leises "Entschuldigung" hinterher. "Kein Problem", sagte die beisitzende Richterin Britta Wankerl. Und lächelte.

Mehr Strenge zeigte das Gericht gegenüber der Staatsanwaltschaft - vor allem wegen der Fehler bei der Telefonüberwachung der Angeklagten. Die Ermittler haben private Telefonate abgehört, gespeichert, nicht gelöscht. Sie haben Gespräche zwischen Angeklagten und Verteidigern belauscht. Streng verboten. Sie haben Telefonate falsch abgetippt und entlastende Passagen weggelassen. "Ein echtes No-Go", sagte Elke Escher, die ihr freundliches Pokerface bis zum Ende des Verfahrens durchgehalten hat.

Im Blickfeld rechts von der Richterin: die "sündhaft teuren Anwälte aus München". So hat Wolbergs die neunköpfige Verteidigermannschaft der vier Angeklagten selbst bezeichnet. Alles in allem habe ihn das Verfahren schon drei Millionen Euro gekostet, hat der mitangeklagte Bauunternehmer Tretzel neulich gesagt. Ein großer Teil dieses Geldes dürfte in die vielen Gutachten geflossen sein, die er bei allerlei Experten in Auftrag gab. Ein Frankfurter Strafrechtler nahm die Haftbefehle auseinander. Ein Ordinarius aus Erlangen zerpflückte die Abhöraktionen. Ein Münchner Rechtswissenschaftler erklärte die Parteispenden für legal. Gute Juristen können eben alles begründen - und das Gegenteil. Tretzel hat sich die besten geholt.

Während die Tretzel-Anwälte mit Gutachten argumentierten, ging es Wolbergs-Anwalt Peter Witting vor allem auch um das Menschliche. Er wolle, dass "man sich in die Situation reinversetzt, in der sich Herr Wolbergs befindet". In seinem Plädoyer griff Witting eine Formulierung auf, die der OB öfter benutzt hat, wenn er im Prozess gefragt wurde, wieso er diese Mail oder jene Rechnung nicht bemerkt oder gelesen habe: "Es war mir wurscht." Er halte das für "eine schöne Formulierung", sagte Witting. "Ist das nicht menschlich?"

Im Gegensatz zu den Verteidigern haben sich die Staatsanwältinnen Christine Ernstberger und Ingrid Wein recht still verhalten. Sie fragten wenig und mussten viel aushalten, vor allem Wolbergs' Schimpftiraden und Drohungen. Etwa zur Halbzeit des Verfahrens schlug plötzlich Oberstaatsanwalt Markus Pfaller im Gerichtssaal auf, um sich schützend vor Ernstberger und Wein zu stellen. "Wie man teilweise die beiden Damen hier angefeindet hat", sagte er, "das machen wir nicht mehr mit." Pfaller mag das gut gemeint haben. Der Autorität seiner beiden Kolleginnen hat sein Auftritt aber eher geschadet.

Für Joachim Wolbergs war das eine Steilvorlage, um die Staatsanwältinnen auch in seinem Schlusswort noch mal zu verspotten. "Die sündhaft teuren Verteidiger aus München machen Sie platt", sagte er, "Sie zwei arme rechtsschaffende Frauen, die dort ganz alleine sitzen."

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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