FDP vor dem Landesparteitag:Auf der Suche nach Bedeutung

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Bei der Landtagswahl landete die FDP in Bayern mit Landeschef Daniel Föst (links) bei 5,1 Prozent. Der Fraktionschef Martin Hagen gilt als das bekanntere Gesicht der Liberalen im Freistaat. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Die FDP in Bayern übt sich derzeit im klaren Oppositionskurs, schneidet in Umfragen aber dürftig ab.

Von Johann Osel, München

Keine Sau braucht die FDP. Den Satz hat nicht irgendein garstiger Journalist erfunden, sondern die Partei selbst. In Brandenburg druckten die Liberalen ihn auf Wahlplakate. Als Provokation war das gemeint, auf deren Basis man die Inhalte bewerben wollte. Blöd nur, dass die Bürger den Slogan als Diagnose für voll nahmen, abzulesen am mickrigen Wahlergebnis. Seitdem gilt das als Kalauer in der FDP, auch in Bayern.

Landeschef Daniel Föst reagiert mit einer Mischung aus Lächeln und Kopfschütteln, spricht man ihn darauf an. Eine so dämliche Kampagne wäre von ihm sicher nicht gekommen, sagt der Bundestagsabgeordnete, der seit 2017 die Partei im Freistaat anführt. Und der Satz stimme eben nicht. Die FDP werde gebraucht, als Partei der Bürgerrechte, als "Avantgarde, die keine Angst vor Technik hat. Und die niemandem nach dem Mund redet". So ungefähr wird er es wohl am Samstag sagen.

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Da trifft sich die FDP zum digitalen Landesparteitag. "Chancen der Krise: Mission Aufbruch" heißt der Leitantrag. Die Pandemie, sagt Föst, habe "gnadenlos alle Schwächen aufgedeckt, die wir in Deutschland haben". Und wenn man schon so viele Milliarden in die Hand nehme, müsse auch etwas für die Zukunft dabei herauskommen, bei Bildung und Digitalisierung. Nun hoffen die Liberalen freilich, dass in der Krise auch etwas für sie herauskommt: Aufwind. Digitalisierung und individuelle Freiheit, die Leib- und Magen-Themen der FDP, prägen ja gerade den öffentlichen Diskurs. Auf die Zustimmung zur Partei zahlt sich das aber kaum ein. Es ist keine gute Phase für die Liberalen, Sau-Zitat hin oder her.

Bei der Landtagswahl reichte es knapp, 5,1 Prozent; seitdem sehen Umfragen die FDP nicht mehr im Parlament. Im Bund liegen die Liberalen auch fern der knapp elf Prozent bei der Wahl 2017 und die Kommunalwahl im März endete mit 2,7 Prozent in Landkreisen und kreisfreien Städten dürftig. Föst verweist aber auf 100 neue Mandate auf allen Ebenen, dazu gibt es die Hochburgen wie im Münchner Speckgürtel. Eine halbe Oberbürgermeisterin - das ist die Bilanz der Wahl. Claudia Alfons, parteilose Rathauschefin in Lindau, sitzt für die Liberalen im Kreistag. Der einzige echte FDP- OB, Alexander Putz in Landshut, trat kürzlich aus der Partei aus, nach Entfremdung und akut im Clinch wegen der Corona-Politik seiner FDP: Die Linie der Bundes- und Landespartei befördere die "immer stärker werdende Spaltung der Bevölkerung".

In der Krise fuhr die FDP in jüngster Zeit tatsächlich klar Oppositionskurs; manche mit konstruktiven Ideen, manche hart und tölpelhaft. So hart, dass sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) veranlasst sah, der FDP "Abdriften" und einen "Kurs gemeinsam mit der AfD" zu attestieren. Sie versuche, "beinahe tagtäglich, die gesamten Maßnahmen zu relativieren und die Bevölkerung nahezu aufzurufen, nicht mitzumachen". Geärgert haben soll sich Söder etwa über Talkshow-Auftritte von Bundestagsvize Wolfgang Kubicki. Fest steht jedenfalls: Aus ihrem Loch geholt hat die Politik rund um die Krise die FDP bisher nicht.

Mit seiner Attacke nähre Söder "Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit", sagte damals Martin Hagen. Ohne Landeschef Föst zu nahe zu treten - der Fraktionschef im Landtag ist das momentan bekannteste Gesicht der bayerischen FDP. Das liegt daran, dass er als guter Redner auffällt. Wenn irgendwo ein Thema aufkeimt, mag man fast wetten, dass Hagen den knackigsten Satz des Tages in eine Kamera spricht. In AfD und SPD, im Landtag größere Kleine, hört man Raunen, dass er viel mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehe, als es einer Fünf-Prozent-Partei zustehe. Beim Wählerzuspruch jedoch sieht man das nicht.

Vielleicht liegt es daran, dass die FDP so schwer zu verorten ist. Links, rechts, progressiv, konservativ, alles findet sich, all die Stimmen sind zu hören. Da gibt es Leute, die in den CDU-Wirtschaftsflügel passen, aber "Refugees welcome"-Shirts besitzen. Da sind "Ökoliberale" (intern so genannt), die finanzpolitisch den Hardliner spielen. Während die einen beim Christopher-Street-Day mitfahren und Kondome vom Wagen werfen, rollen andere bei Anträgen zur Schwulenpolitik mit den Augen. Und da ist immer wieder die rechte Flanke.

Die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich zum Thüringischen Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD gilt einer breiten Mehrheit als Sündenfall. Dass aber der Landtagsabgeordnete und Journalist Helmut Markwort das ganz anders sah und von den "bürgerlichen Parteien AfD, CDU und FDP" sprach, löste Streit aus. Dass der Abgeordnete Albert Duin Gastbeiträge für das (mit gutem Willen) rechtskonservative Heft Tichys Einblick schreibt, ist bei vielen gerade so noch okay. Markwort sei "eine Geschichte für sich", sagen manche. Es hülfen nur Stoßgebete, dass einen der liebe Gott dessen Widerborstigkeiten aushalten lasse. Bei anderen hört man Dankbarkeit: Womöglich habe der prominente Kandidat die FDP über die fünf Prozent gehievt.

Föst sagt, es gebe in jeder Partei "Schattierungen", Lagerliberalismus finde nicht statt. Hagen hält "ein breites Meinungsspektrum für legitim". Und die Krise habe etwa Bürgerrechts- und Wirtschaftsliberale versöhnt. "Die FDP ist ganz bei sich."

Die Umfragewerte sehen beide mit Tendenz nach oben, im Bund kam man bei einem Institut soeben auf acht Prozent. Und stark bei Wahlen sei die Gruppe der jungen Erwachsenen, da komme die FDP gut an. In Parteikreisen wird gern vom "Schock der ersten Gehaltsabrechnung" geredet - wenn die jungen Leute ihre Steuerlast sähen.

Zum Nachwuchs gehört Sam Batat, seit kurzem Chef der Jungen Liberalen Oberbayern. Als FDP in Bayern habe man, zitiert er Parteichef Christian Lindner, "viele dornige Chancen". Das Standing bei jungen Wählern müsse die Partei unbedingt erhalten. "Da sind altbackene und manchmal wirr wirkende Ansagen von Kubicki und Konsorten nicht sehr hilfreich." Manche sollten eben "langsam in Rente gehen", die Zukunft seien "junge Talente und jung gebliebene erfahrene Köpfe". Dazu zählt er den Starnberger Bundestagsabgeordneten Thomas Sattelberger. Der frühere Personalvorstand der Telekom ist 71 Jahre alt, kam erst vor fünf Jahren als Quereinsteiger in die Politik. Digitalisierung und Diversität sind Schwerpunkte des Ex-Managers.

Grundsatzdebatten dürfte der Parteitag nicht bringen, wohl eher versichert man sich selbst des Aufbruchs, mit Blick auf die Bundestagswahl. Viele hoffen auf eine flotte Kampagne des neuen Generalsekretärs Volker Wissing, mit Strahlkraft für Bayern. Doch es gibt Unwägbarkeiten. Würde Söder Kanzlerkandidat, entstünde sicher Lokalpatriotismus, und die FDP in Bayern läge an der Nachweisbarkeitsgrenze. "Dann ist die Wahl für uns gelaufen", meint einer mit Einfluss. Wenn medial ein Dreikampf von Union, SPD und Grünen inszeniert werde, sei das heikel, auch für AfD und Linke. "Dann streiten wir uns mit Nazis und Kommunisten um die goldene Ananas."

© SZ vom 04.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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