Wer ein bis zwei oder womöglich sechs, sieben Liter einer Flüssigkeit, zum Beispiel frisches Festbier, zu sich nimmt, der muss sie auch irgendwann wieder loswerden. Im Grunde braucht man für diese Erkenntnis weder die Expertise eines Physikers noch die eines Mediziners zu bemühen; vielleicht aber könnte solche theoretische Nachhilfe manchen Zeltwirten und Kommunalpolitikern in Bayern nicht schaden. Seit Kurzem läuft die Volksfestsaison, die ja auch eine Biertrinksaison ist und in der nur natürlichen Folge eine Pinkelsaison. Was reinkommt, muss raus.
In Marktl am Inn hat man, wie die örtliche Presse berichtet, gerade die Dult von Ende April Revue passieren lassen. Ergebnis: Die Toilettensituation sei eine "einzige Katastrophe" gewesen. Nächstes Mal müsse man dem Festwirt strengere Auflagen machen, hieß es, der Bürgermeister solle aktiv werden. Denn es seien eindeutig zu wenig WCs aufgestellt worden, was zu Gedränge, langen Wartezeiten und vor allem vielen "Wildbieslern" geführt habe.
Nun ist das keine Causa, die nur den Papst-Benedikt-Geburtsort beträfe: Ob Frühlingsfeste und Dulten, Herbstfeste oder fränkische Kerwas - beinahe überall kennt man das Phänomen der Wildpinkler und reagiert zunehmend, sagen wir mal, angepisst. Jüngst wurden beim Rottaler Volksfest wieder zahlreiche Verstöße geahndet, ebenso auf der Mai-Wiesn in Burghausen - obwohl man, wie die Veranstalter dort gleich betonten, die "Toilettendichte ausgebaut" habe. Mancherorts in Bayern sollen die kommunalen Bußgelder schon bis zu 100 Euro betragen. Apropos Geld: Nicht nur von der Verfügbarkeit hängt die Wildbiesler-Quote ab; sondern sie wächst direkt proportional, wenn fürs WC ein Obolus fällig wird.
Neulich auf der Gerner Dult in Eggenfelden hat laut Polizei ein Ertappter gesagt, Wildbieseln sei sein "natürliches Bedürfnis". Strafe bekam er trotzdem, aber der Einwand ist interessant. Die Psychologin Brigitte Veiz schreibt im Buch "Masse, Rausch und Ritual", Beispiel Wiesn: Die "persönliche Steinzeit", in die man auf einem Volksfest zurückdürfe und die dessen Besuch reizvoll mache (mitsamt "Fressen, Saufen, Grölen, Speien"), werde das Wildbieseln nie aussterben lassen. Nicht Physiker und Mediziner, am besten Psychologen muss man zu Rate ziehen.