Unterricht nach WM-Spielen:Ausschlafen? Abgelehnt!

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So motiviert arbeiten werden bayerische Schüler nach durchwachten WM-Nächten wohl kaum. (Foto: dpa)

Mitfiebern bis in die Nacht - und dafür Augenringe und Klassenbucheinträge riskieren? In sechs Bundesländern dürfen Schüler nach deutschen WM-Spielen länger schlafen. Die Grünen wollten das auch im Freistaat. Aber für Langschläfer hat Bayern wohl kein Herz.

Von Tina Baier

Am Donnerstag, 12. Juni, brechen harte Zeiten an für schulpflichtige Fußballfans und vor allem für deren Eltern. Der Grund: An diesem Tag beginnt die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien und wegen der Zeitverschiebung von bis zu sechs Stunden werden viele Spiele am späten Abend oder sogar erst mitten in der Nacht übertragen.

Eltern fußballbegeisterter Kinder haben dann die Wahl zwischen Pest und Cholera: Verbieten sie ihrem Nachwuchs, bis spät in die Nacht vor dem Fernseher zu sitzen, weil das Kind am nächsten Tag schließlich wieder pünktlich um acht in der Schule antreten muss, sind je nach Temperament endlose Diskussionen ("Alle andere dürfen, nur du bist immer so streng!"), Tränen oder Wutanfälle die Folge.

Erlauben Eltern nächtliche Fußball-Sessions, sind nervige Diskussionen am Morgen ("Jetzt komm endlich frühstücken, die Schule fängt in zehn Minuten an!"), Augenringe und Einträge ins Hausaufgabenheft ("Liebe Eltern, Ihr Sohn ist heute im Unterricht eingeschlafen und musste von vier Mitschülern wachgerüttelt werden") unausweichlich.

"Schule sollte nicht nur eine spaßfreie Veranstaltung sein"

Ein Ausweg aus dem Dilemma ist nicht in Sicht. Die bayerischen Grünen haben es wenigstens versucht. "Die Staatsregierung wird aufgefordert, den Schulen zu ermöglichen, am Tag nach den Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die spätabends im Fernsehen übertragen werden, den Unterricht später beginnen zu lassen", heißt es in ihrem Antrag, über den am Donnerstag im Landtag abgestimmt wurde.

Und weiter: "Wenn ein späterer Unterrichtsbeginn (. . .) nicht möglich ist, kann auch nach dem Prinzip des offenen Unterrichts mit den anwesenden Schülerinnen und Schülern das Thema WM, die Rolle des Weltfußballverbands FIFA sowie die Situation in Brasilien aufgegriffen werden." Der Antrag wurde abgelehnt.

"Schule sollte nicht nur eine spaßfreie Veranstaltung sein", sagt Thomas Gehring, Bildungssprecher der Grünen. "Das wäre jetzt eine Gelegenheit gewesen, Schülerfreundlichkeit zu beweisen." Andere Bundesländer sind großzügiger: In Thüringen, Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen, Berlin und Baden-Württemberg dürfen die Schulleiter entscheiden, ob die Schüler nach langen WM-Abenden ausschlafen dürfen.

Arbeiten während der Fußball-WM
:Schlaflos wegen Klinsmann

Anpfiff um Mitternacht: Damit Arbeitnehmer während der Fußball-WM in Brasilien auch späte Spiele schauen können, wird über flexiblere Arbeitszeiten diskutiert. Die Gewerkschaften fänden das gut, die Arbeitgeber stellen klar, dass keiner morgens einfach so zu Hause bleiben darf.

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In Bayern waren die Bildungspolitiker von CSU, SPD und Freien Wählern dagegen der Meinung, dass das zu unüberwindlichen organisatorischen Problemen beim Schülertransport führen würde - und bei Eltern, die am Morgen selbst früh aus dem Haus müssen. Außerdem wären Schüler mit Migrationshintergrund benachteiligt, die sich vielleicht nicht die Spiele der deutschen Nationalelf anschauen wollen, sondern etwa lieber die der türkischen, argumentierten die Abgeordneten der CSU.

Durchhalten und locker bleiben

Klar ist jedenfalls schon jetzt: Besonders hart wird es für Schüler japanischer Herkunft und für die, die für das Team der Elfenbeinküste fiebern. Die Partie dieser beiden Mannschaften wird nämlich erst um drei Uhr nachts mitteleuropäischer Zeit angepfiffen. Für Fans der deutschen Nationalmannschaft gibt es wenigsten einen Trost: Die erste der drei Vorrundenbegegnungen fällt in die Pfingstferien.

Außerdem beginnt das Spiel gegen Portugal bereits um 18 Uhr. Die Vorrundenspiele der Deutschen werden sowieso zu halbwegs akzeptablen Zeiten übertragen: Das Spiel gegen Ghana beginnt um 21 Uhr, das gegen die USA um 18 Uhr. Hart wird es, wenn die Deutschen ins Achtelfinale kommen, das um 22 Uhr beginnt, genauso wie das Halbfinale und das Finale.

Da hilft nur eines: durchhalten, locker bleiben und sich vor Augen halten, dass eine Fußball-WM schließlich nur alle vier Jahre stattfindet. Ein geringerer Zeitabstand wäre für Eltern auch noch aus einem anderen Grund unerträglich. Schon Wochen vor dem Start der WM dreht sich nämlich fast alles Denken und Handeln des Nachwuchses darum, das Sticker-Album zur WM mit den Konterfeis aller Spieler möglichst schnell voll zu bekommen.

Um an die Sticker zu kommen, muss man entweder Unmengen von Taschengeld in den Rachen der Panini-Verlagsgesellschaft werfen oder "zocken". Dazu muss man mit der flachen Hand auf einen Stapel Fußballkarten hauen, bis die Wände wackeln. Aber das ist eine andere Geschichte.

© SZ vom 06.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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