"Eigentumspakt":Umweltverbände befürchten massive Schwächung des Naturschutzes

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Ein neuer Pakt könnte den Landwirten mehr Geld verschaffen - auf Kosten des staatlichen Umweltschutzes. (Foto: imago/Arnulf Hettrich)
  • Die bayerische Staatsregierung und der Bayerische Bauernverband planen den umstrittenen "Eigentumspakt".
  • Wird er so umgesetzt, würden womöglich etliche Millionen Euro im Jahr, die bisher die Landkreise für Naturschutzprojekte ausgeben können, direkt in die Kassen der Bauern umgelenkt.
  • Umweltverbände befürchten eine massive Aushöhlung des staatlichen Naturschutzes.

Von Christian Sebald, München

Die Umweltverbände in Bayern befürchten eine massive Schwächung des staatlichen Naturschutzes. Der Grund ist der "Eigentumspakt", den Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Walter Heidl, und hochrangige Vertreter der Wald- und Grundbesitzer in Bayern womöglich schon nächste Woche feierlich unterzeichnen werden.

Der neue Pakt, so erklärte eine Sprecherin der Staatskanzlei, soll ein Bekenntnis zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Grund und Boden in Bayern, zur Intensivierung der Zusammenarbeit der Paktpartner im Umweltweltschutz und zur Stärkung des Grundsatzes der Staatsregierung sein, dass im Naturschutz freiwillige Maßnahmen Vorrang vor rechtlichen Vorgaben haben. Söder hatte all dies den Bauern schon in seiner Regierungserklärung im April versprochen.

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Der Bauernverband fordert eine Milliarde Euro vom Staat. Das Geld soll Landwirtschaftsbetrieben helfen, die von starken Ernteausfällen betroffen sind.

Um den Pakt gibt es seit Wochen ein zähes Ringen. Insider sagen, der Bauernverband wolle die aktuelle Schwäche der CSU kurz vor der für die Partei extrem wichtigen Landtagswahl nutzen und ihr Zusagen abringen, die den staatlichen Naturschutz massiv aushöhlen würden. Zuletzt traf sich am Montag in der Staatskanzlei eine Spitzenrunde mit Staatskanzleichef Florian Herrmann. Mit am Tisch saßen Bauministerin Ilse Aigner, Umweltminister Marcel Huber und Finanzstaatssekretär Hans Reichhart, aber auch hochrangige Vertreter des Agrarministeriums und Bauernpräsident Heidl. In der Runde soll es hart zur Sache gegangen sein. Der Grund war Insidern zufolge das kompromisslose Auftreten des Bauernpräsidenten.

Zentrum der Auseinandersetzung ist nach SZ-Informationen die Forderung des BBV nach einem neuen "Landwirtschafts- und Waldfonds", den der Freistaat einrichten soll. Der BBV hatte die Forderung erst im Mai in seinen "Wahlprüfsteinen" bekräftigt. Sie hört sich harmlos an, habe es aber in sich, sagen Experten. Würde sie umgesetzt, würden womöglich etliche Millionen Euro im Jahr, die bisher die Landkreise für Naturschutzprojekte ausgeben können, direkt in die Kassen der Bauern umgelenkt. Aus dem neuen Fonds sollen künftig Landwirte Geld für Dienstleistungen im Umwelt- und im Naturschutz abrufen können, etwa wenn sie Blühstreifen an Äckern einrichten. Finanzieren soll sich der Fonds aus den sogenannten Ersatzgeldern, die als Ausgleich für Bauprojekte in der freien Landschaft fällig werden.

Derzeit liegen auf dem Konto des Naturschutzfonds etwa 26 Millionen Euro

Nach dem Bundesnaturschutzgesetz wird für jedes Bauprojekt in der freien Landschaft ein Ausgleich fällig. Der Gedanke dabei ist, dass die Natur, die an der einen Stelle verloren geht, gleichsam als Kompensation an einer anderen Stelle wiederhergestellt oder verbessert wird. Dieser Ausgleich muss in der Regel natural und in Nähe des jeweiligen Bauprojekts geschehen, zum Beispiel durch die Einrichtung eines Biotops. Wenn dies nicht möglich ist, kann ein Ersatzgeld bezahlt werden. Das Paradebeispiel für Projekte, für die Ersatzgeld verlangt wird, sind Handymasten und Windräder. Denn sie stellen einen ästhetischen Eingriff ins Landschaftsbild dar, der nicht durch ein Biotop in ihrem Umfeld ausgleichbar ist.

Die Ersatzzahlungen werden von den Landkreisen erhoben und fließen bislang ausschließlich auf ein Konto, das der Bayerische Naturschutzfonds verwaltet. Das ist eine gemeinnützige Stiftung des Freistaats, die Maßnahmen zum Schutz, der Pflege und der Entwicklung von Natur und Landschaft in Bayern unterstützt. Pro Jahr fallen bayernweit zwischen fünf und zehn Millionen Euro Ersatzgeld an. Derzeit liegen auf dem Konto des Naturschutzfonds etwa 26 Millionen Euro. Das Ersatzgeld selbst steht bisher ausschließlich den Landkreisen für deren Naturschutzprojekte zur Verfügung. Sie finanzieren aus dem Topf oft den Kauf von Agrarflächen, auf denen sie Natur- und Landschaftsschutzmaßnahmen umsetzen.

Der Erwerb von Agrarland für den Natur- und Landschaftsschutz ist dem BBV seit Langem ein Ärgernis. Denn aus seiner Sicht werden den Bauern dadurch - zusätzlich zum Flächenfraß durch immer neues Bauland - wertvolle Agrarflächen entzogen. Deshalb fordert der BBV in seinen Wahlprüfsteinen ebenfalls, dass künftig kein Agrarland mehr für neue Ausgleichsflächen erworben werden darf. Wie weit sich der BBV in dem neuen Eigentumspakt mit der Staatsregierung durchsetzen kann, ist unklar. Die Sprecherin der Staatskanzlei wollte sich nicht näher zu Details des Paktes äußern.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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