Treffen von Kretschmann und Seehofer:Versöhnung im Stadion

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Baden-Württemberg und Bayern waren zuletzt so zerstritten wie nie. Bei einem Treffen am Rande eines WM-Spiels nähern sich die Regierungschefs Winfried Kretschmann und Horst Seehofer wieder an.

Stefan Mayr

Behaupte noch einer, Fußball wirke nicht friedenstiftend. Im Falle der abgeschotteten Nordkoreanerinnen hat das mit der Völkerverständigung durch die Frauen-Weltmeisterschaft zwar nicht wirklich geklappt.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (rechts) und Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann haben sich am Rande eines WM-Spiels in Augsburg getroffen. (Foto: dapd)

Doch am Sonntag näherten sich am Rande eines WM-Spiels in Augsburg die Oberhäupter zweier anderer Länder an, die zuletzt so zerstritten waren wie noch nie: Bayern und Baden-Württemberg. Die Ministerpräsidenten Horst Seehofer (62, CSU, Bayern) und Winfried Kretschmann (63, Grüne, Baden-Württemberg) verfolgten mitsamt ihren Gattinnen auf der Ehrentribüne das Viertelfinale Schweden gegen Australien.

Danach trafen sich der erste grüne Ministerpräsident Deutschlands und der neuerdings grünste Unions-Ministerpräsident der Republik zu einem einstündigen Gespräch, in dem es vor allem um die Zukunft des Länderfinanzausgleichs und der Windenergie ging.

Zu einem offiziellen Antrittsbesuch in der Staatskanzlei hat es zwar nicht gereicht, dennoch kam das Treffen auf halber Strecke zwischen München und Stuttgart überraschend zustande. Denn erst im April hatte Seehofer seinem neugewählten Kollegen "grüne Planwirtschaft" vorgeworfen und den "Wettbewerb der Systeme" ausgerufen.

Obendrein bezeichnete CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt Kretschmann als "Fehlbesetzung" und rief die Unternehmer Baden-Württembergs auf, nach Bayern überzusiedeln. Diese Aussagen wurden gemeinhin als Aufkündigung der sogenannten Südschiene gewertet. Es wirkte so, als würde die traditionell enge Kooperation der beiden benachbarten Bundesländer massiv heruntergefahren.

Kretschmann gab in dieser Anfangsphase des bayerischen Abklopfens die elegantere Figur ab: Im Stile eines Frank Beckenbauer ließ er die Grätschen aus dem Nachbarland lässig schweigend ins Leere laufen. Um dann zu beobachten, wie Seehofer plötzlich auf Versöhnungskurs ging: Zunächst gab es bei Kretschmanns erster Bundesratssitzung einen freundschaftlichen Handschlag inklusive Small Talk. Dann kämpften beide bei den Beratungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam für den Atomausstieg, beide quasi im grünen Trikot.

Jetzt also das erste Vier-Augen-Gespräch im Fußballstadion. Darin ging es vor allem um das gemeinsame Ziel, den Länderfinanzausgleich neu zu regeln. Als Geberländer streben Bayern und Baden-Württemberg schon seit langem Korrekturen an, Anfang des Jahres drohten sie gemeinsam mit einer Klage. Nun, nach dem Regierungswechsel in Stuttgart, klingt die Strategie etwas anders: Seehofer und Kretschmann einigten sich darauf, eine Neuregelung mit Gesprächen in einer "Föderalismus-Kommission III" anzustreben. "Erst wenn alle Gespräche scheitern, würden wir vor Gericht gehen", betont Kretschmann.

Bei der Begrüßung vor dem Spiel zog Seehofer seinen Kollegen ganz nahe an sich heran und schüttelte ihm demonstrativ lange die Hand. Das Outfit der beiden glich sich frappierend: grauer Anzug, offenes Hemd, keine Krawatte. Auf der Stadiontribüne vertieften sich die beiden in ein dermaßen angeregtes Gespräch, dass sie sogar verpassten, die La-Ola-Welle mitzumachen. Erst, als das Euphorie-Ritual zum zweiten Mal vorbeischwappte, hoben sie jeweils einen Arm.

Vor dem Abschied sagte Seehofer über Kretschmann: "Er ist ein sympathischer Mensch." Man duze sich noch nicht, aber das kann sich noch ändern: Der Gegenbesuch bei einem Bundesliga-Spiel in Stuttgart sei bereits ausgemacht, sagte Seehofer.

© SZ vom 11.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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