Traunstein:Illegales Dopinglabor: Sechs Bodybuilder vor Gericht

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Anabolika machen stark - und krank. In vielen Fitnessstudios und im Internet werden sie dennoch illegal vertrieben. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)
  • Sechs Männer müssen sich wegen illegalen Dopinghandels vor dem Landgericht Traunstein verantworten.
  • Hauptangeklagter ist ein 45-Jähriger, der zusammen mit seinem Komplizen in Waldkraiburg ein sogenanntes Untergrundlabor betrieben haben soll.
  • Dort stellte das Duo nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft seit 2009 Präparate zum schnelleren Muskelaufbau her.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Die sechs Männer sitzen mit breitem Kreuz im Landgericht Traunstein. Zwei haben sich Glatzen rasiert, die vier anderen tragen die Haare kurz geschoren, was die Adern besser verdeckt, die es vermutlich auch ihnen beim vielen Gewichtepumpen irgendwann aus den Schläfen gedrückt hat. Solche Frisuren sind praktisch, im Fitness-Studio und auch in der Untersuchungshaft, wo vier der sechs Männer seit Mai auf diesen Prozess gewartet haben.

Der 45-jährige Hauptangeklagte soll im größeren Stil mit Doping-Präparaten zum schnelleren Muskelaufbau gehandelt und sie von 2009 an in einem eigenen Labor in Waldkraiburg selbst hergestellt haben. Ein Mitangeklagter soll ihm dabei geholfen, die vier anderen, zwischen 31 und 59 Jahre alt, sollen die Muskelmastmittel auf eigene Rechnung weitervertrieben haben.

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Die beiden Staatsanwältinnen brauchen zweieinhalb Stunden, um im Wechsel 113 Seiten Anklageschrift zu verlesen. Einen "Kraftakt" nennt das der Vorsitzende Richter, und unter dieser Last werden dann auch die durchtrainierten Kreuze der Angeklagten krumm, von denen der zehn Verteidiger ganz zu schweigen. In der Anklage sind alle Geldtransfers aufgelistet und auch die unzähligen Postsendungen, mit denen die Doping-Präparate durch die halbe Republik verschickt wurden. Die Wirkstoffe - anabole Steroide, wie sie seit Jahrzehnten zum Doping eingesetzt werden - ließ sich der Waldkraiburger Doping-Koch aus China schicken. Laut einem Gutachter waren sie teilweise gefälscht. Für Hunderte Liter Rizinusöl zum Auflösen der Wirkstoffe gab es andere Lieferanten.

Sich im Internet Rezepte und Wirkstoffe zu besorgen, ist dem Hauptangeklagten zufolge auch für einen pharmazeutischen Laien wie ihn kaum schwerer, als sich dort gleich fertige Doping-Mittel zu bestellen. Und unter ambitionierten Bodybuildern finde sich auch schnell ein Bekannter, der einem da weiterhilft, sagte der 45-Jährige. Solche Bekannten mögen dann Männer sein wie er und seine Mitangeklagten.

Gesundheitsschäden wie hohe Leberwerte oder verkleinerte Hoden

Sein eigenes Untergrund-Labor ist 2014 eher nebenbei durch Ermittlungen der österreichischen Behörden gegen einen Händler für Laborzubehör aufgeflogen. Der Mann hat stets in Zehn-Milliliter-Ampullen abgefüllt, geliefert wurde in 109 nachgewiesenen Fällen auf Mail-Bestellung in verschiedenen Mengen und unter erfundenen Markennamen. Nachfrage war da, der Umsatz stimmte: Von 20 bis 30 Stammkunden spricht die Staatsanwältin, die zusammen 120 000 Euro bezahlt haben sollen.

Der 45-Jährige habe selbst jahrelang ohne Gesundheitsschäden gedopt und kein Unrechtsbewusstsein gehabt, hatte sein Anwalt Steffen Ufer vorgebracht. Der Mann selbst spricht von starkem Schwitzen und hohen Leberwerten. "Für mich stand eigentlich immer der Sport im Vordergrund." Er sei mit dem Training von einer früheren Drogensucht losgekommen. Das mit den Anabolika habe er "irgendwann aus den Augen verloren". Als er seine Arbeit als Fahrer verloren hatte, da habe er seinen Eigenkonsum finanzieren müssen.

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Manchen Mittäter hat es gesundheitlich ärger erwischt: Einer hat verkleinerte Hoden und brauchte Medikamente gegen Potenzstörungen, einer führt Kopfschmerzen, Bluthochdruck und einen Schlaganfall auf das dauernde Doping zurück. Einer der Angeklagten hat es mit dem Doping auf einen Weltmeister-Titel und zwei deutsche Meisterschaften gebracht. "Im Bodybuilding gibt's keine Kontrollen", sagt er - jedenfalls nicht in seinem Verband.

Um sich 20 Zeugen, vier Sachverständige sowie die Suche nach Terminen für weitere Verhandlungstage zu ersparen, vertieften Staatsanwaltschaft und die vielen Verteidiger ihre vorherigen Absprachen hinter verschlossenen Türen mit dem Gericht. Ergebnis dessen und der sechs Geständnisse war für den Haupttäter die Hoffnung, mit vier Jahren Haft davonzukommen. Für die meisten Mittäter standen Bewährungsstrafen im Raum. Ein Urteil fiel bis Redaktionsschluss nicht. Zu einem Schluss war das Gericht aber schon früher gelangt: Es hatte nur über die kleine Spitze des Eisbergs verhandelt.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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