Straubing:Klinik-Chefs wegen Freiheitsberaubung angezeigt

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Patienten können, je nach Lockerungsstufe, Freigang mit oder ohne Begleitung erhalten, um sie wieder an das Alltagsleben heranzuführen. (Foto: Armin Weigel)
  • In Bezirkskrankenhaus für psychisch kranke Straftäter in Straubing werden keine Vollzugserleichterungen gewährt - das soll die Staatsregierung einst der Stadt zugesichert haben.
  • Nun hat ein Münchner Rechtsanwalt Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der Klinik gestellt.
  • Er wertet es als Freiheitsberaubung und Nötigung, dass Patienten keinen Ausgang bekommen muss.

Von Dietrich Mittler, München

Im Streit darum, ob auch das Bezirkskrankenhaus (BKH) in Straubing psychisch kranken Straftätern Ausgänge gewähren muss, erhebt der Münchner Strafverteidiger Adam Ahmed schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Straubing. Obwohl jener längst "bekannt sein dürfte", dass die Vorgehensweisen im BKH Straubing die Straftatbestände der Freiheitsberaubung und der Nötigung erfüllten, sei nach seinem Kenntnisstand "kein Ermittlungsverfahren eingeleitet" worden, erklärte Ahmed. Die Staatsanwaltschaft Regensburg als übergeordnete Stelle wies dies zurück: "Man kann nicht pauschal behaupten, der Staatsanwaltschaft Straubing seien alle einzelnen Fälle der untergebrachten Personen bekannt."

Grundsätzlich aber geht es Ahmed ohnehin darum, die "Blockadehaltung aufzubrechen", die einzig im BKH Straubing verhindere, dass dort Maßregelvollzugspatienten sogenannte Vollzugslockerungen erhalten können - auch wenn sie dafür als geeignet erscheinen. Zwar hatte der Münchner Anwalt bereits Anfang Februar gerichtlich durchsetzen können, dass einer seiner Mandanten in Straubing gelockert werden musste, doch in weiteren Fällen geschah dies halt nicht. Zu Recht glaubt die Staatsanwaltschaft Regensburg. Tatsache sei, dass bis heute bezüglich der Lockerungen "noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliege", sondern eben nur ein vorläufiger Beschluss. Eine obergerichtliche Entscheidung dazu stehe noch aus.

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Rechtsanwalt Ahmed indes beirrt das wenig. Am Donnerstag stellte er Strafanzeige und Strafantrag gegen die Verantwortlichen des Bezirkskrankenhauses Straubing. Aber nicht nur gegen die, sondern auch gegen jene, "die das Bezirkskrankenhaus hierzu gegebenenfalls anweisen beziehungsweise anleiten, dort nicht zu lockern". In letzter Konsequenz könnte dies heißen, dass sich die Ermittlungen auch auf das Sozialministerium ausweiten. Von dort kam Ende Mai die klare Aussage: "Die bisherige Praxis, wonach aus dem BKH Straubing heraus grundsätzlich nicht gelockert wird, wird fortgeführt."

Das Ministerium betonte nun, es sei an Lockerungsentscheidungen gar nicht beteiligt. Angesichts der politischen Brisanz seiner Anzeige und seiner Zweifel gegenüber der Staatsanwaltschaft Straubing reichte Ahmed seine Strafanzeige jetzt bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg ein. "Der Grund hierfür liegt darin, dass aus meiner Sicht eine Objektivität und Transparenz durch die Generalstaatsanwaltschaft sicher gewährleistet ist", sagte er.

Den Verantwortlichen des Bezirkskrankenhauses in Straubing wirft der Anwalt vor, im Falle seines jetzigen Mandanten "pflichtwidrig gehandelt zu haben". Die hätten Anfang Juni dieses Jahres in einem Schreiben festgestellt, dass der betreffende Forensik-Patient "innerhalb von Lockerungen zu erproben" sei. Und das habe das BKH Straubing vor Monaten schon als den "zwingend erforderlichen nächsten Schritt" erachtet. Nur: Der Patient wurde in Straubing eben nicht gelockert. Stattdessen wurde er schließlich in ein anderes Bezirkskrankenhaus verlegt - im konkreten Fall nach Bayreuth. In Straubing ist ein solches Vorgehen seit Eröffnung des BKH im Jahre 1990 gängige Praxis.

Für den nun Betroffenen ist dies ebenfalls mit Härten verbunden. "Weil er sich in der neuen Einrichtung erst wieder neu beweisen muss, um eine Vertrauensgrundlage zu schaffen, sprich die Lockerung erneut zugestanden zu bekommen", sagte Ahmed. Dadurch werde für seinen Mandanten rechtswidrig "der Entlassungszeitpunkt aus einer Maßregelvollzugseinrichtung deutlich verzögert" - und das sei Freiheitsberaubung. Gestützt wird Ahmeds Argumentation durch eine Stellungnahme des Rechtswissenschaftlers Andreas Ruch. Der schreibt als Kernthese: "Auch im Maßregelvollzug untergebrachte Personen können Opfer einer Freiheitsberaubung werden." Und dazu gehöre auch die Verweigerung von Lockerungen - zumal das BKH Straubing im konkreten Fall selber davon ausgehe, "dass die Gewährung von Lockerungen sachlich geboten ist".

Dass in Straubing nicht gelockert werden dürfe, so wie dies seitens der Stadt seit Jahrzehnten propagiert wird, beruht eindeutig auf einer Legende. Laut dieser Legende habe Straubing die Baugenehmigung für die forensische Klinik nur deshalb erteilt, weil die Staatsregierung der Stadt zugesichert habe, aus dieser Einrichtung werde nie ein Patient entlassen oder gelockert. Ein Blick auf die vorliegenden Dokumente beweist jedoch: Diese verbindliche Zusicherung seitens der Staatsregierung hat es nie gegeben. Im Gegenteil, das Sozialministerium hatte am 24. Februar 1978 deutlich zu verstehen gegeben, dass die Umsetzung der von der Stadt Straubing gewünschten Zusicherungen "rechtlich und politisch" kaum vorstellbar sei.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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