Justiz:"Akt blanker Willkür"

Bezirkskrankenhaus Straubing

Im Bezirkskrankenhaus Straubing sind psychisch kranke Straftäter untergebracht.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • In einer Klinik für psychisch kranke Straftäter in Straubing werden so gut wie nie Vollzugs-Erleichterungen gewährt. Angeblich, weil die Staatsregierung das zugesichert habe.
  • Vollzugs-Erleichterungen helfen Betroffenen, sich vor ihrer Entlassung wieder ins Alltagsleben zu integrieren.
  • Nun soll die Klinik einem psychisch kranken Straftäter eine Vollzugs-Erleicherung aberkannt haben, ohne den "Sachverhalt ausreichend ermittelt" zu haben.

Von Dietrich Mittler

Im Streit darum, ob auch das Bezirkskrankenhaus (BKH) in Straubing psychisch kranken Straftätern begleitete Ausgänge gewähren muss, hat die Einrichtung des Bezirks Niederbayern jetzt eine Rüge einstecken müssen. Die für das BKH Straubing zuständige Strafvollstreckungskammer ist davon überzeugt: In dieser Einrichtung wurden einem Forensikpatienten kürzlich die als "Lockerung" bezeichneten Vollzugs-Erleichterungen aberkannt, ohne den "Sachverhalt ausreichend ermittelt" zu haben. Nach Auffassung der Kammer wäre dies jedoch "aufgrund der Obhut über den Untergebrachten unschwer möglich gewesen".

Aus Sicht des Münchner Rechtsanwalts David Mühlberger handelt es sich im konkreten Fall "um einen Akt blanker Willkür". Seinem Mandanten sei die bereits zugestandene Lockerungs-Eignung wieder aberkannt worden, ohne "zumindest ein Gespräch mit dem Patienten zu führen". Ein solches Verhalten sei nicht nur moralisch verwerflich, sondern letztlich sogar "strafrechtlich relevant".

In einem Schreiben an die Strafvollstreckungskammer wurde Mühlberger noch deutlicher: Wenn das BKH Straubing darlege, dass bei seinem Mandanten von einer "akuten Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes" auszugehen sei, so handele es sich hier seiner Ansicht nach um "eine schlichte Lüge". Das BKH Straubing weist diesen Vorwurf zurück: Mühlbergers Formulierung sei befremdlich.

In den Genuss von Lockerungen kommen ohnehin nur jene psychisch kranken Straftäter, die auf Grundlage intensiver Untersuchungen dafür geeignet erscheinen. Auch werden Lockerungen insbesondere dann gewährt, wenn "eine Entlassung der untergebrachten Person absehbar ist". Vollzugs-Erleichterungen dienen damit also dem Zweck, die Betroffenen vor ihrer Entlassung wieder ins Alltagsleben zu integrieren. Anders als in den übrigen sogenannten Maßregelvollzugsanstalten in Bayern können aber Forensik-Patienten in Straubing grundsätzlich nicht von einer Lockerung profitieren. Sind sie für eine solche geeignet, so werden sie verlegt - etwa nach Mainkofen.

Das sollte auch im Fall von Mühlbergers Mandant geschehen. Der war kurz davor, seine in der Forensik absolvierte Schreiner-Lehre abzuschließen. Eine Prüfung stand an, auf die er sich vorzubereiten hatte. Dem Grundsatz folgend, dass in Straubing nicht gelockert wird, machte das BKH dem Betroffenen also zwei Angebote. Entweder er verzichtet bis zu seinem Ausbildungsabschluss auf die ihm zustehende Lockerung. Oder aber, er werde nach Mainkofen verlegt mit folgender Möglichkeit: "Es gab das Angebot, meinen Mandanten jeden Morgen von Mainkofen nach Straubing und abends wieder zurück nach Mainkofen zu fahren", sagt Mühlberger.

Das alles hätte letztlich auf Kosten der Steuerzahler geschehen sollen - "nur um eine Lockerung von psychisch kranken Straftätern in Straubing zu umgehen", betont Mühlberger. Er legte Beschwerde ein. Um seine Forderung zu untermauern, beschrieb er die Belastung, die eine Verlegung für seinen Mandanten darstelle - für den sei "eine Welt zusammengebrochen". Das nahm das BKH Straubing zum Anlass, dem Patienten die Lockerungs-Eignung abzusprechen - ohne den Sachverhalt ausreichend ermittelt zu haben, wie die Kammer festgestellt hat. Das BKH soll nun auf wissenschaftlicher Basis untersuchen, ob der Patient lockerungsgeeignet ist - oder nicht. "Sie werden es nicht schaffen, glaubhaft nachzuweisen, dass sich der Zustand meines Mandanten innerhalb einer Woche drastisch verschlechtert hat", glaubt Mühlberger.

Dass in Straubing nicht gelockert werden darf, beruht auf einer Legende, die von den Verantwortlichen der Stadt über Jahrzehnte hinweg transportiert wurde: Straubing habe die Baugenehmigung für die forensische Klinik nur deshalb erteilt, weil die Staatsregierung der Stadt zugesichert habe, aus dieser Einrichtung werde nie ein Patient entlassen oder gelockert. Ein Blick in die vorliegenden Dokumente beweist jedoch eindeutig: Diese verbindliche Zusicherung seitens der Staatsregierung hat es nie gegeben.

Zudem hat sich erst kürzlich ein Patient das Recht auf Lockerung in Straubing erstritten.

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