Kratzers Wortschatz:Wenn's schneibt, dann gibt's bachane Guatl

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Ein Kollege erinnert sich voller Wehmut an das schöne alte Wort Guatl, das früher gerade zur Weihnachtszeit die süßesten Hoffnungen weckte.

Kolumne von Hans Kratzer

Guatl

Der freundliche Kollege St. hat uns mitgeteilt, das alte Wort Guatl erinnere ihn stets an seine Großmutter. Die habe immer gesagt: "Wenn da Hois (Hals) kratzt, nimm Guatl mit." Die hochdeutschen Begriffe Bonbon oder die - medizinisch klingenden - Pastillen habe er wahrscheinlich nie benutzt, schreibt St. leicht wehmütig. Denn das Wort Guatl geht gerade im Strudel des Sprachwandels verloren. Schade, dass keine Adventsmärkte stattfinden, dort würden nämlich Süßigkeiten wie Zuckerwatte, gebrannte Mandeln und Guatl feilgeboten. Das Guatl (Gutti) kommt wie das französische Bonbon aus der Kindersprache. Bon heißt ja auch nichts anderes als gut. Es gibt noch Weiterungen wie Gutsl und Zuckerl, und die Platzerl sind eben bachane Guatl. Mancherorts sagt man auch Zeltln. Im Kolonialwarenladen Holzapfel im Bayerwald-Dorf Kasparzell gab es bis zur Schließung vor einigen Jahren einen Zeltlständer. Auf ihm waren Glaskugeln befestigt, in denen verführerisch Gummi-Schwammerl, zuckrige Erdbeeren und Kirschlutscher leuchteten. Bei den Kindern weckte der Zeltlständer einst ähnliche Sehnsüchte wie heute ein Smartphone mit Flatrate.

schneiben

Im "Oberbairischen Fest-Täg-und-Alte-Bräuch-Kalender für das Jahr 2022", erschienen im Raab Verlag, findet sich ein Artikel über den Almabtrieb mit der Überschrift "Boid schneibds an Schnee". Im Deutschen sagt man eigentlich: Es hat geschneit! Das schon das im Althochdeutschen gängige Verb schneien (sniwan) tritt im Laufe der Geschichte in variabler Form in Erscheinung. Unterhaltsam wird es, wenn die bairischen Dialektformen ins Spiel kommen. Es schneibt und es hat gschneibt, sagen die einen. Es hat gschniebn (gschniem), sagen die anderen. Interessant ist der eingeschobene Buchstabe "b", der nicht nur bei schneien, sondern auch bei speien (bairisch: speiben, schpeim) zu beobachten ist. Das "b" in schneiben und im Stammauslaut von gschneibt ist auf die historischen Vorformen mit "w" zurückzuführen. Schon das Althochdeutsche kennt die Verhärtung des w zum b (snibit). Auch in Ludwig Thomas Klassiker "Heilige Nacht" taucht das "b" auf: "Alle Weg san vaschniebn / Is koa Steigl net bliebn."

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