Seehofers Rückzug:Der befürchtete Rundumschlag ist ausgeblieben

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Horst Seehofer bei einem Pressestatement. (Foto: REUTERS)
  • Horst Seehofer legt sein Amt als CSU-Chef am 19. Januar nieder.
  • Beste Chancen auf seine Nachfolge werden Ministerpräsident Markus Söder zugerechnet.
  • In seiner Erklärung verzichtete Seehofer auf Schuldzuweisungen.

Von Roman Deininger und Wolfgang Wittl, München

Die Geschichte des Twitter-Nutzers Horst Seehofer ist eine Geschichte der Enttäuschung. Seit August wartet das politische Deutschland fiebrig auf seinen ersten Tweet. Aber da kommt nichts. Freitagfrüh dann neue Hoffnung, ein Gerücht geht um in der CSU: Seehofers Erklärung zu seiner Zukunft könnte auf Twitter stattfinden. Um 10.28 Uhr ist es doch eine ordinäre Pressemitteilung per E-Mail, in der Seehofer ankündigt, dass er sein Amt als CSU-Chef am 19. Januar nach gut zehn Jahren abgibt. Ein Sonderparteitag soll am selben Tag einen Nachfolger wählen.

Das ist alles? Keine Pressekonferenz, keine Twitter-Show? Seehofer hat seine Erklärung auf das nötigste beschränkt. Zu seinem Innenministeramt äußert er sich nicht. Der Ton ist maximal nüchtern. Keine Vorwürfe an irgendwen, auch keine warmen Worte. Dankesformeln, heißt es in der CSU, hätte das Protokoll auch nur erfordert, wenn Seehofer sofort abgetreten wäre. Die Parteispitze ist erleichtert: Es bleibt friedlich in der CSU. Seehofer, so die Interpretation, will seinen Teil zu einem würdigen Abschied beitragen.

Einige CSU-Schwergewichte sprechen sich bereits für Söder als neuen Parteichef aus

Am Freitag darf der Europapolitiker Manfred Weber den CSU-Chef geben - Seehofer hat seinen Vize gebeten, ihn beim 70-jährigen Bestehen der Kommunalpolitischen Vereinigung der Union in Koblenz zu vertreten. Ein Fingerzeig? Bringt Seehofer Weber als Nachfolger in Stellung? Eher nicht. Im Lauf des Freitags entwickelt sich immer mehr Dynamik für Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident selbst zollt Seehofer nur ganz schlicht Respekt und Dank. Aber andere Schwergewichte sprechen für Söder - und sicher nicht ohne sein Wissen.

Als Erster wünscht sich Albert Füracker öffentlich einen Parteichef Söder. Füracker ist Chef des CSU-Bezirks Oberpfalz und wohl Söders engster Vertrauter in der Regierung. Um Subtilität geht es jetzt nicht mehr. Schließlich fordern mehrere CSU-Bezirke Söder zur Kandidatur auf. Und wann äußert sich Söder selbst? Am Wochenende hat er, entgegen seiner Gepflogenheiten, keine öffentlichen Termine. Und Weber? Twittert am Freitag nur "großen Dank" an Seehofer. In der Partei heißt es, Weber und Söder wollten sich abstimmen und Konflikte vermeiden.

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Auch Seehofer spricht sich dem Vernehmen nach mit Söder ab, bevor er seine Mail verschickt. Söder hat keine Einwände gegen den 19. Januar. Um 10 Uhr gibt es am Freitag eine Telefonschalte Seehofers mit seinen fünf Vizes, Generalsekretär Markus Blume und dessen Stellvertreterin Daniela Ludwig. Alle preisen Seehofers Entschluss als richtig, der Noch-CSU-Chef erntet viel Respekt. Jeder ist zufrieden, dass der befürchtete Rundumschlag ausbleibt. Finden Seehofer und die CSU nach Monaten der Entfremdung doch noch ihren Frieden?

Seehofers Argument greift, ein Sonderparteitag im Dezember, also zum Jahresausklang, könne kein Signal der Frische senden. Dann schon lieber zum Jahresauftakt im Januar, als Beweis für den Slogan, 2019 solle das "Jahr der Erneuerung" werden. Auch der Satz aus Seehofers Erklärung, die Basis werde auf dem Parteitag ausreichend diskutieren können, "wie die CSU wieder mehr Vertrauen in der Bevölkerung gewinnen kann", wird als Ausdruck der Zurückhaltung gewertet. Seehofer richtet den Blick in die Zukunft, eine Abrechnung mit Parteifreunden scheint nicht geplant zu sein.

Parteivize Dorothee Bär, offenbar Hobby-Astrologin, macht in der Telefonschalte sogar einen Witz. Am 19. Januar nehme der Mond wieder zu, das sei doch ein gutes Zeichen. Alle lachen, die Stimmung ist nach der Anspannung der letzten Wochen aufgeräumt. Auch die wenigen verbliebenen Getreuen Seehofers sind froh. Sie hoffen, dass die "Treibjagd aus der eigenen Partei", wie einer es nennt, nun vorüber ist. Seehofers Erklärung lässt ihm den Spielraum, über seinen Rückzug als Innenminister selbst zu entscheiden. Wann das sein wird, hängt wohl von der Zukunft Angela Merkels ab.

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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