SZ-Brachvogel:Die Schnepfingerin hat es gemächlich angehen lassen

Lesezeit: 2 min

Der Brachvogel ist zurück in Südspanien, für den Flug hat das Tier lange gebraucht. Laut Biologen kann das nur einen Grund haben.

Von Christian Sebald, München

Natürlich hat Andreas von Lindeiner damit gerechnet, dass die Schnepfingerin wieder den südspanischen Nationalpark Coto de Doñana ansteuern wird. Schließlich hat sie es sich dort das zurückliegende Winterhalbjahr gut gehen lassen. Und auch Große Brachvögel sind Gewohnheitstiere. Aber dass es genau dasselbe Revier im Mündungsgebiet des Guadalquivir sein würde, das hat den Biologen vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) doch überrascht. Aber es ist so: Seit Kurzem hält sich die Schnepfingerin wieder in den Marismas nahe der Kleinstadt Bonanza auf. Das sind Salzwiesen, die immer wieder von den Fluten des Atlantik überschwemmt werden. Mit ihren unzähligen Würmern, Käfern und anderem Kleingetier sind sie ein einmaliges Vogelparadies. So wie es aussieht, wird die Schnepfingerin bis zum Frühjahr 2020 dort bleiben. "Sie hat ja alles, was sie braucht, außerdem kennt sie ihr Revier bereits bestens", sagt Lindeiner. "Es gibt keinen Grund, dass sie sich doch noch anderswohin orientiert."

Beim LBV läuft jetzt die erste Auswertung der Reisen von Schnepfingerin an. Das Vogelweibchen ist Teil eines groß angelegten Forschungsprojekts. Die Großen Brachvögel zählen zu den bedrohtesten Vogelarten hierzulande, die Art ist kurz vor dem Aussterben. Deshalb hat der LBV der Schnepfingerin und anderen Brachvögeln GPS-Sender auf den Rücken geschnallt. Ziel ist, so viel wie möglich über das Verhalten der Tiere herauszubekommen und passgenaue Strategien für ihren Schutz zu entwickeln. Dieser Tage wird das Projekt ausgeweitet. In den Brachvogel-Gebieten Bayerns versuchen LBV-Leute, junge Brachvögel einzufangen und ebenfalls mit GPS-Sendern auszustatten - "um die empirische Basis der Forschungen auszuweiten", wie Lindeiner sagt.

Die ersten Auswertungen des jetzigen Flugs der Schnepfingerin in den Nationalpark Coto de Doñana zeigen, dass sie es diesmal sehr gemächlich hat angehen lassen. Insgesamt hat sie sich zehn Tage Zeit gelassen für die gut 2000 Kilometer Luftlinie weite Strecke vom niederbayerischen Königsauer Moos an den Guadalquivir. In der Extremadura hat sie sogar einen sechstägigen Stopp eingelegt. Auf dem Heimflug im Frühjahr brauchte sie für die Gesamtstrecke gerade mal 36 Stunden. Im Schnitt war sie damals 70 Stundenkilometer schnell. Jetzt ist sie höchstens Tempo 50 geflogen. Und noch etwas war ganz anders als im Frühjahr. Die Schnepfingerin ist konsequent über Land geflogen, sie hat das offene Meer strikt gemieden. Im Frühjahr dagegen hat sie 200 Kilometer über dem Mittelmeer zurückgelegt, bevor sie einen Stopp im Rhône-Delta gemacht hat - geleitet einzig von ihrem inneren Kompass.

"Die Unterschiede zwischen den beiden Flügen sind so krass, dass sie nur einen Grund haben können", sagt Lindeiner. "Im Frühjahr war der Fortpflanzungsdrang von Schnepfingerin so dominant, dass sie nur eins im Kopf hatte: so schnell wie möglich zurück ins Königsauser Moos zu gelangen - unter Aufbietung sämtlicher Kräfte." Nun dagegen ist die Fortpflanzungszeit längst vorbei, die Schnepfingerin hat ihre "biologische Verpflichtung" für dieses Jahr erfüllt, auch wenn ein Fuchs oder ein anderes Raubtier ihren Nachwuchs geholt hat. "Deshalb konnte sie den Flug an den Guadalquivier ganz ruhig angehen", sagt Lindeiner. "Frei nach dem Motto: Wenn ich heut' nicht ankomme, dann morgen."

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Brachvogel
:Schnepfingerin ist bereits Richtung Süden gestartet

Nach dem Tod seines Nachwuchses hält den Brachvogel nichts mehr in Bayern. Die Schnepfingerin hat sich ganz allein nach Spanien aufgemacht.

Von Christian Sebald

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: