Angriff bei Schloss Neuschwanstein:"Er hat kein einziges Wort gesagt"

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Am Mittwoch kam es bei Schloss Neuschwanstein zu einer folgenschweren Attacke eines US-Touristen auf zwei junge Frauen. Eine Frau starb (Symbolbild). (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ein US-Tourist soll zwei junge Frauen am Rande der weltberühmten Sehenswürdigkeit angegriffen haben, eine 21-Jährige starb. Eine Auslieferung des Mannes in die USA wird derzeit ausgeschlossen - und der Tourismus am Schloss läuft normal weiter.

Von Maximilian Gerl und Patrick Wehner, Schwangau

Eigentlich wollte sich Eric Abneri an diesem Mittwoch nur mit Freunden Neuschwanstein ansehen. Der New Yorker hat vor Kurzem seinen Uni-Abschluss gemacht und ist derzeit auf Europa-Rundreise. Doch dann hätten sie die Helikopter gesehen, erzählt Abneri am Telefon, die Rettungskräfte, die Verletzten - und schließlich jenen Mann, den die Polizei verdächtigt, zwei Frauen angegriffen und 50 Meter in die Tiefe gestürzt zu haben. Eine der Frauen starb später im Krankenhaus.

Zufällig sei die Polizei mit dem Festgenommenen direkt an ihm vorbeigekommen, sagt Abneri, der davon ein Video gemacht und auf Twitter hochgeladen hat. "Stoisch" habe der Mann gewirkt, aber auch verwirrt. An seinem Kopf seien Verletzungen zu sehen gewesen. "Er hat kein einziges Wort gesagt", hatte Abneri zuvor bereits der US-Nachrichtenagentur AP geschildert. Dass eine der Frauen den Sturz überlebt habe, sei unfassbar, das Areal sei voller Klippen. "Die beiden sind lange, lange gefallen", sagt Abneri nun.

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Fassungslosigkeit: Das kommt der Gefühlslage vielleicht auch am nächsten, mit der viele Menschen auf die Tat am Rande der weltberühmten Touristenattraktion schauen. Nicht nur die Motivlage gibt Rätsel auf - ein 30-jähriger US-Tourist sitzt in U-Haft -, auch der Schauplatz des Verbrechens: ein Aussichtspunkt in der Nähe der Marienbrücke in Schwangau. Der Steg über die Pöllatschlucht ist bei Urlaubern beliebt, bieten sich von dort wie von den umliegenden Wegen spektakuläre Blicke auf Schloss Neuschwanstein. Ein Märchenort für ein Märchenschloss, eigentlich. Nun ist einer der meistbesuchten Orte Deutschlands ein Tatort.

Über den Tathergang informierte die Polizei bereits am Donnerstag. Demnach trafen auf einem Wanderweg östlich der Marienbrücke zwei Urlauberinnern zufällig auf einen anderen Touristen. Der 30-Jährige "lotste die beiden dann unter einem Vorwand auf einen schwer einsehbaren Trampelpfad, welcher zu einem Aussichtspunkt führt", heißt es im Bericht. Dort habe er die 21-jährige Frau angegriffen. Als ihre Freundin einschreiten wollte, "würgte er sie und stieß sie dann einen steilen Abhang" hinab, in Richtung des Wildflusses Pöllat. Danach soll der Mann versucht haben, sich an der 21-Jährigen sexuell zu vergehen. Schließlich habe er sie ebenfalls den Abhang hinuntergestoßen, wo sie nach etwa 50 Metern neben ihrer Freundin zum Liegen gekommen sei.

Die Polizei war schnell mit einem Großaufgebot zur Stelle und konnte den mutmaßlichen Täter in Nähe des Tatorts fassen. Anscheinend hatte das alpine Gelände seine Flucht erschwert. Die Rettungskräfte aber hätten in dem schwierigen Terrain einen "phänomenalen Job" gemacht, sagte Abneri zur SZ. Die beiden Frauen wurden von der Bergwacht Füssen geborgen und ins Krankenhaus gebracht. Die 21-Jährige starb in der Nacht auf Donnerstag an den Folgen ihrer Verletzungen. Die 22-Jährige konnte offenbar bereits gegenüber der Polizei über den Tathergang aussagen. Sie habe unter anderem eine Platzwunde am Kopf und Schürfwunden erlitten, sagte Thomas Hörmann von der Staatsanwaltschaft Kempten zum Bayerischen Rundfunk.

Über die Nationalität der Frauen gibt es keine offiziellen Angaben, sie sollen aber laut Medienberichten US-Amerikanerinnen sein - wie der mutmaßliche Täter. Gekannt haben sich die Frauen und der Mann nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht, ihre Begegnung war wohl zufällig. Das US-Konsulat ist inzwischen involviert. Ein Sprecher der US-Botschaft in Berlin bestätigte der SZ, dass man die Geschehnisse genau beobachte. "Uns ist ein Vorfall bekannt, in den mehrere Personen in Deutschland verwickelt sind. Das US-Konsulat in München steht in Kontakt mit den Behörden." Ob die US-Behörden weitere Informationen zu dem mutmaßlichen Täter haben oder in Kontakt mit den Angehörigen der Opfer stehen, wollte man mit Verweis auf den Datenschutz nicht beantworten.

Auch das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West bestätigt, dass man über das Konsulat in Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen in den USA stehe. Nun müsse man feststellen, wer der Mann sei und in welchem US-Bundesstaat er wohne, sagte ein Sprecher zur SZ. Dann könne auch überprüft werden, inwiefern er dort bereits polizeilich aktenkundig sei. Für die deutschen Behörden sei er bis Mittwochmittag ein Unbekannter gewesen - was bei einem Touristen aus dem Ausland nicht ungewöhnlich ist.

Laut Allgäuer Zeitung soll der Mann in einer Pension in Oberstdorf abgestiegen sein. Er ist inzwischen in Untersuchungshaft, die Kriminalpolizei Kempten ermittelt wegen Mordes, versuchten Mordes und eines Sexualdelikts. Zu Letzterem könne man aber noch keine belastbaren Angaben machen, heißt es. Der Mann soll sich auch in einer Vernehmung zur Tat geäußert haben. Für ihn gilt, trotz allem, die Unschuldsvermutung.

Allgäu
:Tödlicher Angriff bei Schloss Neuschwanstein

Ein US-Tourist hat am Mittwoch zwei junge Frauen auf einem Trampelpfad in der Nähe der weltberühmten Attraktion attackiert. Eine 21-jährige Urlauberin starb nach einem Sturz in die Pöllatschlucht. Was bislang bekannt ist.

Von Maximilian Gerl

Eine Auslieferung des 30-Jährigen in die USA hat die Staatsanwaltschaft vorerst ausgeschlossen. Das komme derzeit nicht in Betracht, nachdem die deutschen Behörden das Ermittlungsverfahren führten, sagte Oberstaatsanwalt Hörmann der Deutschen Presseagentur (DPA). Im Fall einer Verurteilung sei aber später eine Überstellung zur Strafvollstreckung denkbar.

Der Bürgermeister rechnet nicht mit negativen Konsequenzen für den Tourismus

Besonders groß ist die Fassungslosigkeit in der Gemeinde Schwangau, auf deren Gebiet Schloss Neuschwanstein und die Marienbrücke liegen. Eigentlich waren viele dort mit dem Kopf schon beim Bürgerentscheid, der am Sonntag stattfinden soll, es geht um eine Aufnahme der Königsschlösser in die Unesco-Welterbeliste. Eine solche Straftat habe es hier bisher nicht gegeben, sagte Bürgermeister Stefan Rinke. Er rechne dennoch nicht mit weniger Touristenandrang an der berühmten Sehenswürdigkeit. "Ich bin sicher, dass sich die entsetzliche Einzeltat nicht auf den touristischen Betrieb rund um Schloss Neuschwanstein auswirken wird", zitierte ihn die DPA. Die Ermittlungen am Tatort seien bereits abgeschlossen und für die Besucher seien keine Spuren oder Absperrungsmaßnahmen mehr wahrnehmbar. "Die Sicherheit unserer Gäste ist voll gewährleistet."

Auch in den US-Medien ist das Verbrechen inzwischen Thema; große Sender wie ABC und CNN berichteten. Derweil versuchen die Ermittler, den Tathergang detailliert zu rekonstruieren. Sie bitten weiterhin Urlauber, die an jenem Tag rund um die Marienbrücke unterwegs waren, Fotos und Videos auf einem dafür eingerichteten Online-Portal hochzuladen. Bisher seien nur gut ein Dutzend Einsendungen eingegangen, sagte ein Polizeisprecher. Man gehe aber davon aus, dass es noch viel Material gebe.

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