Mitten in Bayern:An Karfreitag liegt das Paradies 5,6 Kilometer hinter der Grenze

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Aus dem ganzen Berchtesgadener Land pilgern Menschen in Scharen nach Salzburg. Wann und wie das aufkam, weiß keiner.

Kolumne von Johann Osel

Exakt 5,6 Kilometer hinter der Grenze von Bayern zu Österreich, in der Salzburger Altstadt, steht ein Paradies. Das Augustiner-Bräu Kloster Mülln ist laut Werbung "Österreichs größte Biereinkehr", seit fast 400 Jahren wird hier gebraut und getrunken. Dass es hüben wie drüben als "Bräu-Stüberl" firmiert, wird den Ausmaßen nicht gerecht - mehr als 5000 Quadratmeter Innenfläche, 1500 Plätze im Garten.

Das Bier kommt aus Holzfässern, wird in Steinkrügen ausgeschenkt und in urigen Trinksälen seiner Bestimmung zugeführt. Ein Schmankerl-Gang bietet dem, der nicht seine Brotzeit selbst dabei hat (was erlaubt ist), allerlei Stärkungen: Leberkäs, Backhendl, Speckknödel oder Schweinsripperl, Steckerlfisch, Käse, Radi, Aufstriche, eine Mehlspeise hinten nach, einen Marillenbrand obendrauf. Gesottenes, Geselchtes, Gebratenes als ideale Unterlage für das Gebraute: ein süffiges Märzen, zu Weihnachten ein strengerer Bock, von Aschermittwoch bis Ostern ein malziges Fastenbier.

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Dass dieses "Stüberl" grenzüberschreitend beliebt ist, in Freilassing und im ganzen Berchtesgadener Land, liegt auf der Hand. An diesem Freitag, wie jeden Karfreitag, kommt aber wieder der Ausnahmezustand. Dann heißt das Motto in Freilassing: Eine Stadt büxt aus. Am frühen Nachmittag wird sich die Lawine in Gang setzen, Autos und Radler, die S-Bahn rappelvoll, Busse mussten schon mal Fahrgäste stehen lassen.

In der Stunde vor Öffnung um 15 Uhr lauert dann die Meute an den Klostermauern. Hunderte Bierdurstgesichter, teils in Tracht. Nur der Stoßtrupp. Flotte Sprüche machen die Runde: "Heuer braucht der Kellner Rollschuhe!" Anders als in Bayern ist der Karfreitag in Österreich kein allgemeiner Feiertag. Einheimische sieht man daher wenig, alles in Bayernhand. Wann und wie das aufkam, weiß keiner. Das Warum ist klar: Der freie Tag lässt sich kaum angenehmer nutzen.

Dass Litertrinken und Völlerei ausgerechnet am hohen katholischen Feiertag stattfinden, der an die Kreuzigung Jesu erinnert - das stört keinen. Erstens wird das Treiben nicht nur von Mönchen gebilligt, sondern auch veranstaltet. Zweitens trinkt man ja Fastenbier, ein fast liturgisches Ritual. Und drittens verzichten an dem Tag viele auf Würste und dergleichen. Alternativer Tipp: Bierweckerl mit Sardellenbutter oder Bärlauchaufstrich.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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