Bayern-Ei-Skandal:Die Bewährungsprobe der Ministerin

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Ulrike Scharf hat bis vor Kurzem bei jeder Gelegenheit betont, die Behörden hätten sich beim Bayern-Ei-Skandal nichts zu Schulden kommen lassen. (Foto: Niels P. Jørgensen)
  • Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf hat im Landtag gesagt, dass sie die Ermittlungen im Bayern-Ei-Skandal "vollumfänglich" unterstütze.
  • Mittlerweile sitzt ein Amtstierarzt in Untersuchungshaft, der in den Salmonellen-Skandal verwickelt sein soll.
  • Die Firma Bayern-Ei steht unter Verdacht, salmonellenverseuchte Eier in Europa ausgeliefert zu haben. Drei Männer starben.

Von Daniela Kuhr und Frederik Obermaier, München

Diesen 10. Dezember wird Ulrike Scharf nicht so schnell vergessen. Es ist die letzte Landtagssitzung vor der Weihnachtspause. Insofern dürfte man eine entspannte, friedliche Debatte erwarten, doch für Bayerns Umwelt- und Verbraucherschutzministerin wird es hart. Richtig hart. Auf der Tagesordnung steht ein Antrag zum Bayern-Ei-Skandal.

Salmonellenverseuchte Eier der niederbayerischen Hühnerfabrik sollen allein im Jahr 2014 für zahlreiche Erkrankungen von Verbrauchern in etlichen Ländern Europas und den Tod dreier Männer verantwortlich gewesen sein. Noch bis vor Kurzem hatte Scharf bei jeder Gelegenheit betont, die Behörden hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen. Doch mittlerweile sitzt ein Amtstierarzt in Untersuchungshaft, der der Firma bei der Umgehung der Lebensmittelvorschriften geholfen haben soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, auch gegen weitere Verdächtige.

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Was Seehofer von Scharf erwartet

Scharfs Auftritt vor dem Landtag ist also nichts weniger als eine Bewährungsprobe. Es ist völlig klar, was Ministerpräsident Horst Seehofer von ihr erwartet: dass sie mit ihrer Rede all das wieder gutmacht, was in den vergangenen Monaten schief gelaufen ist. Sie soll zeigen, dass sie erkannt hat, wie ernst die Situation ist, dass sie die Lebensmittelkontrolle neu aufstellen will, dass sie das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen will, kurzum: Sie soll zeigen, dass sie ihr Ministerium im Griff hat und zu Recht an dessen Spitze steht. Schon lange hat Seehofer keine Plenardebatte mehr derart aufmerksam verfolgt.

Zunächst hält der SPD-Verbraucherschutzexperte Florian von Brunn der Ministerin genüsslich vor, wie sie in den vergangenen Monaten immer wieder versichert habe, dass die Behörden "nach Recht und Gesetz" gearbeitet hätten. "Frau Scharf, haben Sie das eigentlich selbst geglaubt, was Sie damals gesagt haben?"

Scharf sitzt auf ihrem Platz auf der Regierungsbank, ganz am Rand, sie flüstert ihrem Mitarbeiter in der zweiten Reihe etwas zu und lacht. Brunn betont, die Opposition werde es nicht zulassen, dass Scharf den Skandal womöglich nur auf das Fehlverhalten einzelner Krimineller reduzieren wolle. Doch etwa eine halbe Stunde später steht fest: Genau das ist es, was Scharf im Sinn hat.

Wie Scharf in ihrer Rede wirkt

Von Demut ist bei ihrem Auftritt nichts zu erkennen. Im Gegenteil. In einem Ton, der fast beleidigt klingt, beginnt sie ihre Rede damit, dass ihr Ministerium in den vergangenen Tagen "umfassend aufgeklärt" habe. "Vollumfänglich" unterstütze sie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Außerdem solle der Oberste Rechnungshof als externer Experte die Abläufe in den Behörden überprüfen und den Bericht bis Ende Januar vorlegen.

Dann werde man schauen, wo es Lücken im System gebe und wie man die Kontrollen effektiver gestalten könne. Beispielsweise sollten Verstöße gegen Lebensmittelvorschriften künftig anonym angezeigt werden können. Denkbar ist auch, dass die Kontrolleure regelmäßig rotieren, damit nicht zu viel Nähe zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten entsteht. "Ich habe höchstes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung, ohne jede Rücksicht", sagt Scharf.

Wie die Opposition reagiert

Was die Opposition von dem Auftritt hält, fasst SPD-Mann von Brunn so zusammen: "Ein Satz mit X, das war nix." Die Ministerin habe nichts erzählt, was sie nicht bereits in einer Pressekonferenz oder in ihren Pressemitteilungen erzählt habe. "Das war sehr dürftig", sagt auch Rosi Steinberger von den Grünen. "Zu sagen, wir werden das schon irgendwann aufklären - so holt man das Vertrauen der Verbraucher auf keinen Fall zurück."

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher sieht das ähnlich und droht damit, im Fall Bayern-Ei die Einberufung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen. Als er Scharf vorhält, selbst viel zu wenig zur Aufklärung getan zu haben, schließlich sei die Staatsanwaltschaft durch die Presse informiert worden und nicht durch das Ministerium, kontert die Ministerin mit den Worten: "Sie bringen hier eine Schärfe und Hitze in die Diskussion, die nicht weiterhelfen."

Was Seehofer in diesem Moment denkt, ist unergründlich. Mit unbewegter Miene sitzt der Ministerpräsident auf seinem Stuhl, die Arme verschränkt - und hört zu. Ob Scharf die Bewährungsprobe bestanden hat, ist ihm nicht anzumerken.

Wovon im Landtag niemand spricht: Gleichzeitig treffen sich nach Informationen von SZ und BR Experten der EU-Kommission mit Vertretern des Freistaats in Brüssel zum Krisengespräch. Thema sind mögliche Verstöße der bayerischen Behörden gegen Europa-Recht. Das Plenum erfährt davon nichts - weder von Staatskanzleichef Marcel Huber noch von Ministerin Scharf.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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