Regierungserklärung zu Flüchtlingen:Seehofer stänkert nur ein bisschen

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Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor seiner Regierungserklärung im Bayerischen Landtag. (Foto: dpa)
  • Neben Bundeskanzlerin Merkel hat auch Bayerns Ministerpräsident Seehofer eine Regierungserklärung zur Flüchtlingskrise abgegeben.
  • Er fordert weiterhin, die Zuwanderung zu beschränken und erwartet von Merkel ein entsprechendes Zeichen.
  • Die Opposition bescheinigt Seehofer Hilf- und Machtlosigkeit.

Von Daniela Kuhr und Wolfgang Wittl, München

Kurz vor zehn Uhr betritt Horst Seehofer den Landtag. Eine Hand in der Tasche, die andere locker baumelnd, schlendert der Ministerpräsident auf die Journalisten zu, die ihn bereits mit Kameras und Mikrofonen empfangen. Gleich wird Seehofer seine lange erwartete Regierungserklärung abgeben. Viele rechnen damit, dass er scharfe Worte gegen Berlin finden und deutlich machen wird, wann genau Bayern denn nun zu der "Notwehr" greifen würde, die er vor Tagen angekündigt hat. Aber wie jemand, der auf Krawall gebürstet ist, wirkt der CSU-Chef nicht gerade. Eher erstaunlich gelassen.

Ob er vor einer Stunde die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin im Fernsehen verfolgt habe, will ein Journalist wissen. Seehofer winkt ab. "Warum nicht?" Der Ministerpräsident blickt amüsiert. Er könne ja gern seinen Terminkalender herzeigen. "Dann sehen Sie, womit ich zurzeit alles beschäftigt bin."

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Soll heißen: Es hat weder mit Abneigung noch mit Desinteresse zu tun, wenn Seehofer dieser Tage nicht sofort den Fernseher einschaltet, sobald sich die Bundeskanzlerin erklärt. Sondern damit, dass er das Land im Ausnahmezustand wähnt - und Seehofer fest entschlossen ist, das nicht länger hinzunehmen. Doch die Maßnahmen, die er dagegen ergreifen kann, sind überschaubar, das wird mit jedem Wort seiner Rede deutlich.

Welche Spitzen Seehofer nach Berlin schickt

"Kein Land dieser Erde, keines, kennt unbegrenzte Zuwanderung von Flüchtlingen", stellt Seehofer zu Beginn seiner Regierungserklärung klar. Das wäre auch von keinem Land zu verkraften. Und damit hat der Ministerpräsident, ohne die Kanzlerin ausdrücklich zu erwähnen, gleich eine erste Spitze nach Berlin geschickt.

Denn auch wenn Angela Merkel ihm bei der Frage der Transitzonen entgegen gekommen ist, so hat sie sich doch bislang nicht dazu durchringen können, das zu sagen, was Seehofer für essenziell hält bei der Lösung des Problems: dass Deutschland nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen kann. Selbst Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) habe inzwischen gesagt, dass eine Begrenzung der Zuwanderung notwendige Voraussetzung für den Erhalt des Asylrechts sei, stellt Seehofer zufrieden fest.

Es ist ein weiterer kleiner Nadelstich gegen die Kanzlerin, doch die großen Attacken bleiben am Donnerstag aus. Seit die CSU das Gefühl hat, dass Merkel zumindest kleine Schritte in ihre Richtung unternimmt, herrscht eine Art Waffenstillstand. Merkel soll genügend Freiraum haben, ihre Politik zu korrigieren, auch wenn das allenfalls in winzigen Dosen geschieht. Obwohl in der CSU-Spitze täglich Briefe von CDU-Mitgliedern eingehen, Seehofer solle nicht nachlassen mit seinem Druck auf Merkel, weiß man in der bayerischen Schwesterpartei: Eine Demontage der Kanzlerin wird auf Dauer niemandem in der Union nützen.

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Warum Seehofer die Transitzonen fordert

Was die Transitzonen angeht, in denen die Anträge von Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern künftig schnellstmöglich geprüft werden sollen, damit sie umgehend zurückgeschickt werden können, will Seehofer keine zu hohen Erwartungen wecken. Er weiß, dass sie allein das Problem nicht lösen werden, ärgert sich aber darüber, mit welcher Vehemenz sie von SPD-Politikern verteufelt wurden. "Wir sind nicht in der komfortablen Lage, dass wir aus der Vielzahl von Vorschlägen einen aussuchen und sagen könnten, damit sei das Problem gelöst", sagt der Ministerpräsident.

Stattdessen müsse man "mehrere Vorschläge parallel auf den Weg bringen". Er sei zuversichtlich, dass sich die CSU auch in dieser Frage durchsetze, wie es ihr auch bei anderen Vorschlägen so oft in letzter Zeit gelungen sei. Wenn am Freitag der Bundesrat schärfere Asylbestimmungen beschließt, werde er nicht zuletzt deshalb nach Berlin reisen, "um zuzusehen, wie diejenigen, die mich seit Jahren kritisieren, jetzt die Hand heben werden". Kein anderes Bundesland habe zudem ein Integrationspaket auf den Weg gebracht wie Bayern, sagt Seehofer in Richtung Opposition.

Wie die Opposition reagiert

"Kleinmut und Kulturpessimismus" wirft SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher dem Ministerpräsidenten nach dessen Rede vor. "Wir hatten erwartet, Sie würden heute sagen, wo es lang geht." Stattdessen habe Seehofer nur "Tatkraft simuliert und Scheinlösungen präsentiert. Die Regierungserklärung war eine Demonstration der Hilf- und Machtlosigkeit." Transitzonen hält Rinderspacher für indiskutabel. Flüchtlinge würden doch nicht künftig nach ihrer Reise an den Grenzübergängen anklopfen. Stattdessen sei davon auszugehen, dass sie "die Transitzonen über die Wiesen, Wälder und Hügel umgehen".

Es ist eine Rede, von der CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer sagt, mit ihr sei der Tiefpunkt der Debatte erreicht worden. Rinderspacher habe es fertig gebracht, "eine halbe Stunde lang zu reden und keinen einzigen Lösungsvorschlag zu machen". Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause kontert, die CSU habe wieder "eine Demonstration ihres sattsam bekannten Doppelspiels geliefert". Hier der um Zusammenarbeit werbende Ministerpräsident, dort der Fraktionschef, der den Demagogen gebe, denunziere, beleidige. Die Grünen seien zur Kooperation bei der Integration bereit.

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger stimmt der CSU in vielen Punkten zu, immer wieder nickt Seehofer anerkennend. Im Umgang mit der Kanzlerin sagt Aiwanger sogar das, was insgeheim viele in der CSU denken. "Zeigen Sie Ihrer Frau Merkel, wo der Hammer hängt." Notfalls müsse die CSU die Koalition im Bund aufkündigen. Hier lächelt Seehofer nicht mehr.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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