Architektur:Regensburg hat eine neue Synagoge mit einer Lichtkuppel

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Der Innenraum der Synagoge von Regensburg mit der Bima in der Mitte, während der letzten Arbeiten. (Foto: Getty Images)

Vor 80 Jahren wurde die Synagoge niedergebrannt und wenig später restlos abgerissen. Jetzt erst wurde ein Neubau des Berliner Architektenteams um Volker Staab eingeweiht.

Von Gottfried Knapp

In der alten Reichsstadt Regensburg sind die Monumente, die an die Vertreibung und die Vernichtung der Juden erinnern, besonders prominent im Stadtbild platziert. In Regensburg lassen sich aber auch die Spuren jüdischen Lebens und jüdischer Kultur auffällig gut verfolgen.

Dort in der Altstadt, wo im Jahr 1519 der von Juden bewohnte Stadtteil und die von Albrecht Altdorfer in einem berühmten Stich hyperexakt überlieferte romanische Synagoge dem Erdboden gleichgemacht und sämtliche Juden aus der Stadt gejagt wurden, erstreckt sich heute ein weiter Platz, in dessen Mitte hoch aufgebockt auf einem Steinsockel eine Kirche thront. Es ist die Neupfarrkirche, ein nach dem Pogrom über dem Fundament der Synagoge errichtetes Triumphmonument, das mit pompöser Architektur ein an dieser Stelle angeblich passiertes christliches Wunder feiern sollte, aber nur in Teilen verwirklicht und bald schon der noch jungen evangelischen Gemeinde als Kirche überlassen wurde.

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Nur ein paar Häuserblöcke in der Altstadt entfernt liegt das Grundstück, auf dem im Jahr 1912 eine neue Synagoge eingeweiht wurde, ein reich geschmückter Kuppelbau auf ovalem Grundriss mit elegant das Hauptportal flankierenden Treppentürmen. Dieser dritte historischbezeugte jüdische Kultbau in der Stadt wurde 1938 in der Reichspogromnacht in Anwesenheit der Stadtoberen und der zum Glotzen angerückten Feuerwehrleute quasi kultisch niedergebrannt und wenig später restlos abgerissen.

Doch anders als am Neupfarrplatz hat sich in diesem leergebrannten Winkel der Stadt nach dem Krieg ganz allmählich wieder jüdisches Leben entwickeln können. Die langsam wachsende Gemeinde hat sich im erhaltenen Rückgebäude einen Gebetsraum eingerichtet und auf der Fläche davor in den Sechzigern eine flache Mehrzweckhalle errichtet, in der die religiösen Feste gefeiert werden konnten.

Als die Gemeinde, vor allem durch Zuzug aus dem Osten, kräftig anwuchs, setzte sich der Förderverein Neue Regensburger Synagoge, der, wie zur Sühne, in der Neupfarrkirche seine Versammlungen abhielt, für den Neubau eines jüdischen Gemeindezentrums auf dem angestammten Gelände ein. Den ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gewann das Berliner Architektenteam um Volker Staab, das in den letzten Jahren in Deutschland eine ganze Reihe ungewöhnlicher Museumsbauten errichten durfte. Staab rückt, schon aus Sicherheitsgründen, mit seinem Neubau ganz bis an die Ränder des Grundstücks vor.

Er nimmt also die Konturen des mittelalterlich engen Quartiers auf und fasst das Ensemble aus Alt- und Neubau zu einer geschlossenen Einheit zusammen. Nach außen ist dieser Komplex, wie einige andere Neubauten in der Altstadt, mit Ziegeln verkleidet, die senkrecht verbaut wurden und weiß geschlämmt sind. Die geschlossenen Wände bekommen so eine feine Struktur. Seinen eigentlichen Rang erhält dieser beherrschende Eckbau - er umschließt die Synagoge - aber durch die gläserne Lichtkuppel, die sich über den Wänden erhebt.

Im Himmel über dem Hof schwingt sich ein goldfarbenes Schriftband so um die Mitte, dass man das dort angebrachte Gedicht von Rose Ausländer bequem lesen kann. (Foto: dpa)

Der Haupteingang an der Straße Am Brixener Hof ist so weit zurückversetzt, dass sich dort ein Vorhof bildet, von dem aus man durch die seitliche Glaswand in die stattliche Bibliothek des Gemeindezentrums hineinschauen kann. Im Himmel über diesem Hof schwingt sich ein goldfarbenes Schriftband viermal so im Kreis um die Mitte, dass man das dort angebrachte Gedicht von Rose Ausländer bequem lesen kann. Es erinnert mit sinnlichen Bildern an das Glück des Zusammenlebens auf der zerteilten Erde, was an dieser Stelle durchaus auch als Mahnung gelesen werden kann: "Freunde wir reisen gemeinsam ..."

Die Besucher des Gemeindezentrums betreten nach dem Durchqueren der mit Panzerglas verkleideten Sicherheitsschleuse das Foyer, von dem aus man den schönen, mit Baum bepflanzten Innenhof und über einen Gang die Verwaltungsräume im dahinterliegenden malerischen Altbau erreicht. Das Foyer dient aber vor allem als Zugang zu dem Haupttrakt des Neubaus, dem Gebäudewürfel, der von den Straßen aus wahrgenommen wird.

Er enthält im Erdgeschoss den Gemeindesaal, der durch eine Glaswand vom Hof her und durch zwei mattierte Fenster von den Straßen her Tageslicht empfängt. In den Stockwerken darüber erhebt sich die Synagoge zum Himmel. Sie ist innen ganz mit hellem Holz verkleidet und empfängt durch die hohen Glasflächen, die auf den vier Wänden des Raumwürfels aufsitzen, viel Tageslicht. Dieses Licht wird durch schmale Holzlamellen im Inneren und durch ein schimmerndes Metallnetz auf der Außenseite so gefiltert, dass sich nirgendwo Schatten bilden. Überwölbt wird das Raumgebilde von einer Flachkuppel, einer in der Mitte sanft nach oben schwingenden, selbsttragenden Brettspanholzschale, die den zu ihr aufstrebenden vier Glaswänden einen flachen Segmentbogen als oberen Abschluss gibt.

Jüdische Kulträume können auch einen ganz anderen Charakter haben

Da die Regensburger Synagoge nach den Regeln des orthodoxen Judentums konzipiert wurde, ist die Bima, also das Podium, von dem aus die Tora verlesen wird, in die Mitte des Raums gerückt und dort mit Stufen und Geländern plastisch einprägsam ausgeformt. Um diese herausgehobene Plattform, die ihrerseits auf den in die Ostwand eingelassenen Toraschrein ausgerichtet ist, sind die Bänke der Männer und ein Stockwerk höher auf den Emporen die Bänke der Frauen auf drei Seiten so herum gruppiert, dass von allen Plätzen aus die Handlungen auf der Bima und am Toraschrein gut verfolgt werden können.

Vergleicht man den Regensburger Neubau mit den zuvor errichteten orthodoxen Synagogen in Dresden und München, kann man von einem bestimmten Raumtyp sprechen. Alle drei Synagogen schließen sich gegen die Außenwelt hermetisch ab, sie bieten keinen Einblick von außen, aber auch keinen Ausblick nach draußen. Als Zentralräume sind sie ganz auf die Orte des Ritus konzentriert und bieten den Besuchern eine brillante Akustik. Aber auch außerhalb der Gottesdienste laden sie dazu ein, den Blick nach oben schweifen zu lassen, in die Sphäre, aus der bei Tag, aber auch bei Nacht das Licht kommt.

Dem Wunsch nach Erhebung kommen die neuen Synagogenbauten also ästhetisch eindrucksvoll nach. Doch dass jüdische Kulträume auch einen ganz anderen Charakter haben können, zeigt der kleine Betraum nebenan im Altbau, der auch nach der Überbringung der Torarollen in die neue Synagoge in seiner sprechenden Form erhalten bleiben soll. Mit seiner niedrigen Decke, seinen irgendwie vertraut wirkenden Rundbogenfenstern, den korrekt aufgereihten Bänken und dem wie eine Schultafel an der hinteren Wand befestigten Toraschrein erinnert dieser intime Betraum, dieser Ort der Verkündigung, auch an ein Klassenzimmer, an eine Stätte, an der Wissen weitergegeben und aufgenommen wird.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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