Prozess um Abgeordneten:Felbinger gesteht, den bayerischen Landtag um 55 000 Euro betrogen zu haben

Lesezeit: 3 min

Der angeklagte Landtagsabgeordnete Günther Felbinger (li.) und sein Verteidiger Martin Reymann-Brauer. (Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Über Jahre soll der parteilose Landtagsabgeordnete Günther Felbinger (vormals Freie Wähler) das bayerische Parlament mit falschen Verträgen betrogen haben - um insgesamt 55 000 Euro.
  • Zum Auftakt seines Strafprozesses vor dem Münchner Landgericht räumte er die Vorwürfe ein.
  • Als Motiv gab er an, dass das Geld für seine Arbeit sonst nicht gereicht hätte.

Aus dem Gericht von Lisa Schnell, München

Das Blitzlichtgewitter in Saal B273 am Landgericht München bricht los. Vor den Kameras und vor Gericht steht Günther Felbinger. Er soll den Landtag und damit den Steuerzahler mit Scheinverträgen um mehr als 55 000 Euro betrogen haben. Die Anklage lautet auf gewerbsmäßigen Betrug in fünf Fällen. Die Finger des parteilosen Landtagsabgeordneten (früher Freie Wähler) schlagen leicht an die Seite seines Oberschenkels, seine Beine kann er nicht still halten. Mal wippen die Knie hin und her, dann tippt er mit der Schuhspitze an dem Stuhl vor ihm herum.

Felbinger wirkt durcheinander, reagiert kaum, als die Richterin ihn anspricht. "Guten Morgen", sagt sie, da schreckt er auf. Er erklärt, ledig zu sein, obwohl er verheiratet ist. Seine Frau zeigt ihm später den Ehering. Und auch sein Geständnis formuliert Felbinger so, dass dem Gericht Zweifel kommen, ob er das überhaupt so meint.

Ermittlungen des Staatsschutzes
:Für Bolsterlangs Bürgermeisterin wird es eng

Monika Zeller hat "Reichsbürgern" einen Saal überlassen und trägt deren Staatsangehörigkeitsausweis. Dass sie noch immer im Amt ist, verstört viele Bürger.

Von Christian Rost

Felbinger stellte seinen Vermieter einfach als Mitarbeiter an

Zunächst hört es sich recht bestimmt an. "Alles, was in der Anklageschrift steht, ist richtig", sagt Felbinger. Dort wird beschrieben, wie Felbinger seine Privilegien als Landtagsabgeordneter von 2009 bis 2015 nutzte, um für sich "eine dauerhafte Einkommensquelle in nicht unerheblicher Höhe" herauszuschlagen. Abgeordnete können Mitarbeiter beschäftigen, die sie bei ihrer parlamentarischen Arbeit unterstützen. Die Kosten bekommen sie vom Freistaat zurück.

Felbinger will seiner Abrechnung zufolge Hilfe bei der Pressearbeit oder bei Bürgeranfragen in Anspruch genommen haben. Mehr als 10 000 Euro verlangte er jährlich vom Landtag zurück für Arbeiten, die nie stattfanden oder für solche, die vom Landtag nicht erstattet werden. Sogar die Miete für sein Bürgerbüro in Karlstadt (Kreis Main-Spessart) hat er sich so finanziert. Er stellte seinen Vermieter einfach als Mitarbeiter an. Als im November 2015 die ersten Vorwürfe bekannt wurden, zahlte er etwa 60 000 Euro zurück.

"Ich möchte betonen, dass ich keinen Euro für mich privat verwendet habe"

"Ich bedauere mein Verhalten und entschuldige mich dafür", sagt er. Es ist ein Satz der Reue. Es folgen unzählige, die der Rechtfertigung dienen. Felbinger bedient sich dafür zwei Erzählungen. Die erste handelt vom Abgeordneten Felbinger, der so hart arbeitete, dass ihm das legal vom Landtag zur Verfügung gestellte Geld einfach nicht reichte. "Ich möchte betonen, dass ich keinen Euro für mich privat verwendet habe, sondern es ausschließlich in meine politische Arbeit gesteckt habe", sagt Felbinger.

Das Geld diente der Finanzierung seiner Kreiswählergruppe und des Bezirksverbands, heißt es in der Anklage. Mal habe er ehrenamtlichen Mitarbeitern ein paar Scheine unter der Hand zugesteckt, mal einen Vereinspokal gespendet, sagt Felbinger. 80, 90, nein 100 Stunden habe er in der Woche gerackert, sei ständig unterwegs gewesen in seinen fünf unterfränkischen Stimmkreisen, die er betreuen musste. 2000 Euro seien allein für Benzin draufgegangen. Nicht wie bei Kollegen aus München, die vom Landtag einen "Freifahrtsschein für den ÖPNV" bekämen.

Der Landtag selbst also hat Felbinger geraten, den Landtag zu hintergehen?

Felbinger bekam natürlich auch etwas. Mindestens 3100 Euro im Monat zahlte ihm der Landtag als Kostenpauschale unter anderem für die Betreuung seines Wahlkreises. Aber das reichte ihm nicht. Er regte keine Diskussion an, dass die Pauschale zu niedrig bemessen sei, sondern holte sich das Geld illegal über Scheinverträge. "Das ist die Grundidee, die im Landtag auch so kursierte", sagt Felbinger und beginnt seine zweite Erzählung. Sie handelt von dem Abgeordneten Felbinger, der es nicht besser wusste. Als er 2008 neu in den Landtag kam, habe er sich auf die Aussagen der Gremien verlassen: "Wenn mir versichert wurde, dass das durchaus üblich ist, dann hab ich es nach zweimaliger Nachfrage geglaubt", sagt Felbinger.

Der Landtag selbst also hat Felbinger geraten, den Landtag zu hintergehen? Richterin Elisabeth Ehrl kann das kaum glauben. "Im Mustervertrag des Landtags wird nicht stehen: Wie bescheiß' ich den Landtag?", fragt sie. Und falls doch würde es Staatsanwalt Florian Weinzierl interessieren, wer Felbinger beraten habe. Es ist der Moment, als Felbingers Verteidiger Martin Reymann-Brauer seinem Mandanten bekundet, er habe jetzt genug gesagt und ein paar Dinge klarstellt. Felbinger habe vom Landtagsamt nicht den Tipp bekommen, Scheinverträge einzureichen. Und für den Fall, dass ein anderer Eindruck entstanden sei, noch einmal das Geständnis seines Mandanten in Kurzform: "Scheinvertrag ja, keine nachweisbaren Gegenleistungen ja, falsche Abrechnung ja." Die Überschrift, unter der Felbinger zu reden begonnen habe, laute immer noch: "Es war nicht in Ordnung."

Dass Felbinger das nicht schon früher einsah, versteht das Gericht nicht. Bei der Verwandtenaffäre 2013, als Abgeordnete Familienangehörige auf Kosten des Landtags versorgten hätten "alle Warnglöckchen im Köpfchen" klingeln müssen, sagt Richterin Ehrl. Oder der Blick auf die Verträge, wo rechts der Landtagsabgeordnete Felbinger unterschreibt und links der Vorsitzende der Kreiswählergruppe Felbinger. Sei das keinem aufgefallen in der Kreiswählergruppe? Felbinger schweigt und sagt dann: "Es kann keiner sagen, er hätte das nicht gewusst." Auch wenn Felbinger verurteilt wird, kann er sein Landtagsmandat behalten. Bis zum 15. März sind noch drei Prozesstage angesetzt.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bayerischer Landtag
:Abgeordneter Felbinger verlässt Freie-Wähler-Fraktion

Er soll den Landtag um etwa 50 000 Euro betrogen haben, außerdem gab es Unmut wegen eines Bierzelt-Auftritts. Seine Mandate behält Felbinger nun trotzdem.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: