Prozess:Arzt aus Feuchtwangen missbraucht Patientinnen - drei Jahre Haft

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  • Ein Arzt aus Feuchtwangen hatte intime Verhältnisse zu seinen Patientinnen.
  • Der 63-Jährige gab die sexuellen Kontakte zu, ihm sei es jedoch "niemals nur um Sex" gegangen.
  • Der Mann wurde nun vom Landgericht Ansbach einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Er habe das Vertrauen der psychisch kranken Frauen "grob missbraucht", stellte das Gericht fest.

Von Olaf Przybilla, Ansbach

Weil er sich des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses schuldig gemacht hat, ist ein Arzt und Psychotherapeut zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Die Große Strafkammer des Landgerichts Ansbach sah es als erwiesen an, dass der Arzt aus dem fränkischen Feuchtwangen die Notlage von drei Frauen in insgesamt 74 Fällen ausgenutzt hat.

Das Gericht sprach zudem ein eingeschränktes Berufsverbot aus. Der Arzt darf fünf Jahre lang keine Frauen mehr psychotherapeutisch behandeln. Die betroffenen Patientinnen waren erheblich psychisch erkrankt, litten zum Teil unter Selbstmordgedanken und hatten als Zeuginnen ausgesagt, eine starke emotionale Abhängigkeit zum Angeklagten entwickelt zu haben. Dieser habe das in ihn gesetzte "Vertrauen als Arzt und Therapeut grob missbraucht", sagte der Vorsitzende Richter Claus Körner.

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Der 63-jährige Angeklagte nahm das Urteil ohne erkennbare Regung zur Kenntnis. Er hatte sich zuvor reuig gezeigt. Wie Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatte er am letzten Verhandlungstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesprochen - in einem Verfahren, in dem Opfer geschützt werden sollen, muss das über weite Strecken so sein. Sein Anwalt aber gab vor der Tür wieder, wie sehr der Arzt bedauere, was er getan hat. Und wie leid es ihm tue, dass die drei Frauen diesem Verfahren ausgesetzt worden seien. Er bleibe aber dabei, was er bereits zu Prozessbeginn gesagt habe. Er habe geglaubt, dass Sex zwischen Arzt und Patient dann nicht strafrechtlich relevant sei, wenn dieser einvernehmlich ist.

Sein Anwalt Wolfgang Staudinger betonte, dass alle drei betroffenen Frauen übereinstimmend ausgesagt hätten, dass sie zur Zeit ihres Umgangs mit dem Arzt eine "emotionale Beziehung" zu diesem aufgebaut hätten. Zwar würden sie ihre Beziehung zu dem Therapeuten aus heutiger Perspektive anders einordnen. Sie verdammten ihn jedoch nicht "in Bausch und Bogen". Der Verteidiger hatte für eine Bewährungsstrafe für den 63-Jährigen plädiert, eine Freiheitsstrafe also unter zwei Jahren. Immerhin sitze der Arzt seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft und habe seine Approbation zurückgegeben. Gestraft sei er auch ohne weitere Haft.

Ganz anders ordnete Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger die Taten des Arztes und ehemaligen ÖDP-Politikers ein. Der Angeklagte habe seine ärztliche Tätigkeit über Jahre hinweg ausgenutzt, um Patientinnen körperlich näher zu kommen - und das ganz unabhängig vom körperlichen Zustand der Frauen. Ziel des Arztes sei es gewesen, zu möglichst vielen sexuellen Kontakten zu kommen. Die Art und Weise sei dabei stets dieselbe gewesen.

Um sein Tun vor sich und anderen rechtfertigen zu können, habe er vorgegeben, in die Frauen verliebt zu sein. Dabei habe der Angeklagte sehr wohl von Anfang an gewusst, sich durch seine sexuellen Kontakte strafbar zu machen. Auch habe er hingenommen, dass die Frauen durch sein Verhalten zusätzlich traumatisiert würden. Die Frauen litten bis heute an den Folgen, eine adäquate Behandlung sei durch die Taten des Arztes zum Teil über Jahre verzögert worden. "Sie wurden Opfer eines Missbrauchs, den sie ihr Leben lang verarbeiten müssen", sagte Schrotberger. Der Oberstaatsanwalt hielt eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten für angemessen. Die Nebenklage schloss sich dieser Forderung an.

Entgegen öffentlichen Ankündigungen hatte der Arzt im Verfahren lediglich eingeräumt, Sex mit Patientinnen gehabt zu haben. Ansonsten aber hatte er vorgegeben, sich weder an den Zeitraum noch an die Häufigkeit der sexuellen Kontakte erinnern zu können. "Mein Mandant führte darüber kein Buch", hatte sein Anwalt im Prozess erklärt. Staatsanwaltschaft und Nebenklage kritisierten das scharf. Letztlich hätten die Frauen "zu allen Details" vor Gericht befragt werden müssen.

Staatsanwaltschaft und Gericht glaubten dem Arzt auch nicht, nicht gewusst zu haben, dass er sich strafbar macht. Immerhin habe die Vernehmung ergeben, dass der Arzt sich mit allen betroffenen Frauen über die möglicherweise strafrechtlichen Folgen seines Tuns unterhalten habe. Der Arzt sei offenbar bemüht, sich in der Öffentlichkeit als "naiver und empfindsamer Arzt darzustellen", sagte Staatsanwalt Schrotberger. Als ein Mann, der, wie er es selbst ausgedrückt habe, "intime Freundschaften" zu seinen Patientinnen gepflegt habe.

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Der Staatsanwalt ging in seinem Plädoyer sogar davon aus, dass der Arzt therapeutische Behandlungen nur deswegen aufrechterhielt, um weiter sexuelle Kontakte pflegen zu können. Nach den Ermittlungen der Kriminalpolizei hat der Arzt darüber hinaus sexuelle Beziehungen zu einer Vielzahl anderer Frauen gepflegt. "Mehr als zehn" hätten die Ermittler aufgezählt, sagte Schrotberger. Der Arzt habe dabei stets versucht, sein Verhalten "durch Lügen vor den anderen Frauen zu verschleiern".

Richter Körner stellte in seiner Urteilsbegründung über den Angeklagten klar: "Er, und nur er, wollte sexuelle Beziehungen zu mehreren Frauen." Das Gericht spreche dem 63-Jährigen keineswegs ab, ein "Arzt mit Leib und Seele" zu sein. Dieses Verhalten aber sei "nicht akzeptabel".

Der Mediziner, der bis zu seiner Festnahme vor elf Monaten ÖDP-Fraktionschef im Ansbacher Kreistag und Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei war, hatte im Prozess um Verständnis gebeten. Ihm sei es niemals "nur um Sex" gegangen. Sein Verhalten sei schwer zu erklären, er könne es nur versuchen. Seine Patientinnen seien auch wegen "seelischer Verletzungen als Frau" zu ihm gekommen. Wenn sich so eine Patientin dann in seinen "Armen trösten" habe lassen, sei dies "so eindrucksvoll" gewesen. Er habe seinen Patientinnen "Trost, Geborgenheit, Halt" zu geben versucht. Er hoffe deshalb, nicht in ein bestimmtes "Schema gedrängt" zu werden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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