Porträt:Regensburger Sorgenfresserin

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Regensburgs Oberbürgermeisterin, vertretungshalber: Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD). (Foto: Stadt Regensburg)
  • Gertrud Maltz-Schwarzfischer ist amtierende Oberbürgermeisterin in Regensburg, seit der derzeit suspendierte OB Joachim Wolbergs im Januar verhaftet wurde.
  • Die 56-Jährige sieht sich nicht als Detektivin oder Anklägerin - für die Aufklärung der Korruptionsaffäre sei die Staatsanwaltschaft zuständig, sagt sie.

Von Andreas Glas, Regensburg

Vielleicht muss man noch mal zurückblenden auf den 18. Januar, den Tag, als der Oberbürgermeister verhaftet wurde. Gertrud Maltz-Schwarzfischer, 56, sitzt im Alten Rathaus, Zimmer 18, und die Reporter wollen jetzt wissen, wie es weitergeht in dieser Stadt, die nicht mehr zur Ruhe kommt. Die Stadt, sagt sie, sei "handlungsfähig", die Verwaltung arbeite "stetig und konstant". Keine Sorge, es geht weiter, das ist ihre Botschaft. Und dieser unfassbare Sumpf, der sich in Regensburg aufgetan hat? Sie will darüber nicht reden. Sie sagt das, ihr Gesichtsausdruck sagt das, bis die Reporter aufhören zu bohren. Puh, geschafft.

Wer Gertrud Maltz-Schwarzfischer damals zusah, schien eine Frau zu sehen, die gegen ihren Willen hineingespült wurde in ein Amt, das ihr nicht gehört und das sie in Gottes Namen nicht haben will. Wer der selben Frau heute begegnet, der ahnt, dass er sich getäuscht hat. Dazu später mehr.

Korruptionsaffäre in Regensburg
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Das gab er bei einer Vorstandssitzung des SPD-Unterbezirks in Regensburg bekannt. An seinem Amt als Oberbürgermeister, das er zurzeit nicht ausüben darf, will Wolbergs aber offenbar festhalten.

Von Andreas Glas

Nach ihrem Auftritt jedenfalls, damals, in Zimmer 18, haben nicht wenige gesagt: Da tut eine so, als gehe sie der Sumpf nichts an, als sei nichts geschehen in Regensburg. "Ich glaube, dass das falsch interpretiert wurde", sagt Maltz-Schwarzfischer. Es dürfe kein "Weiter so" geben, das habe sie nie behauptet. Und trotzdem: "Ich bin immer noch der Meinung, dass das richtig war, den Menschen zu sagen: Die Verwaltung funktioniert, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen."

Gertrud Maltz-Schwarzfischer versteht sich als Sorgenfresserin. Das ist jetzt ihre Rolle. Die Rolle der Ankläger sollen die anderen spielen. Etwa SPD-Stadtrat Thomas Burger, der von einer "persönlichen Inszenierung zu Lasten der Partei" sprach, als der suspendierte OB Joachim Wolbergs (SPD) kürzlich bei einer Parteiveranstaltung auftrat. Er sprach das in die Kameras der Reporter, die vor dem Wirtshaus lauerten, wo die SPD-Fraktion tagte und wo auch Wolbergs seinen Auftritt angekündigt hatte. Dann fuhr Burger davon, noch bevor Wolbergs eintraf. Gertrud Maltz-Schwarzfischer schlich derweil durch den Hinterausgang aus dem Wirtshaus - und sagte, mal wieder, nichts.

Wer ist diese Frau, die jetzt die Chefin ist im Rathaus? Ein Blick auf die Homepage der Stadt: geboren in Oberfranken, Abitur in Regensburg, Studium der Archäologie. Sie liest gern, das steht da auch. Am liebsten Krimis, "ich mag Politik-Thriller", sagt Maltz-Schwarzfischer, die nun selbst mittendrin ist in einem politischen Krimi. Sie ist nicht Täterin und nicht Opfer, aber ihre Rolle ist tragend: Die zweite Bürgermeisterin ist plötzlich die Nummer eins. "Ich bin auf einen fahrenden Zug aufgesprungen. Und jetzt muss ich schauen, dass der Zug nicht entgleist."

Die Staatsanwaltschaft ist für die Aufklärung zuständig

Doch die Bürger erwarten noch mehr: Maltz-Schwarzfischer soll rausfinden, wie dieser Korruptionssumpf rund um eine dubiose Grundstücksvergabe entstehen konnte. Und aufklären, wie die Verwaltung derart die Kontrolle über den Oberbürgermeister verlieren konnte.

Oder etwa nicht? Natürlich gehe es darum, "in den eigenen Strukturen zu schauen, ob es Vorgänge gibt, die nicht korrekt laufen oder gelaufen sind". Aber: "Tatsächlich aufklären kann nur die Staatsanwaltschaft", sagt Maltz-Schwarzfischer.

Dass sie aussieht, als sei nichts geschehen, das kann man nicht behaupten. Die Affäre nimmt sie mit, das spürt man. Wenn sie darüber spricht, zieht sie die Stirn in Falten. Nur sagt sie halt immer wieder Sätze, die zu den Stirnfalten nicht passen: "Ich wäre ganz vorsichtig, das alles schon für bare Münze zu nehmen, was jetzt an Vorfällen im Raum steht." Im Raum steht ja einiges: dubiose Parteispenden, ein fragwürdiger Beratervertrag, private Gefälligkeiten.

Die Vorwürfe betreffen teils OB Wolbergs, teils Alt-OB Hans Schaidinger (CSU), auch gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ein Urteil will Maltz-Schwarzfischer trotzdem nicht sprechen. "Dass jetzt alle sagen: Alle waren immer bestechlich, das hat schon unter Schaidinger angefangen. Da sage ich: abwarten."

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Das Rumoren begann im Juni 2016 - der vorläufige Höhepunkt war im Januar 2017. Eine Chronik des Regensburger Parteispendenskandals.

Aufklären, aber irgendwie auch abwarten? Natürlich hat Maltz-Schwarzfischer nicht nur rumgeeiert in den vergangenen Wochen. Sie hat dem Vorschlag der Linksfraktion zugestimmt, Transparency International ins Rathaus zu holen, um ein "Signal zu geben, dass es uns sehr ernst damit ist", die Dinge aufzuklären. Und sie findet es gut, dass Wolbergs seine Parteiämter ruhen lässt. Sie hat das nur nicht so laut gesagt.

Hat dafür nicht die Fernsehkameras genutzt, wie einige Parteikollegen und mancher CSU-Stadtrat. Eben weil sie den Spagat machen muss zwischen Sorgenfresserin und Aufklärerin. Sie kann ja nicht alles stehen und liegen lassen, um jetzt die Vollzeit-Detektivin zu geben. Das geht schon wegen der ganzen Termine nicht, die sie jetzt hat, und Entscheidungen müssen nebenbei auch noch getroffen werden.

Dann erzählt sie von ihrem Besuch in der Straubinger Justizvollzugsanstalt, wo der Regensburger OB sechs Wochen lang in U-Haft saß. Sie hat einen Eindruck bekommen, wie sich Knast anfühlt. "Erschütternd", sagt sie. Vielleicht tut sie sich auch deshalb schwerer als andere, den OB hart anzupacken. Joachim Wolbergs ist ja nicht nur Oberbürgermeister, er ist auch Familienvater, das dürfe man nicht vergessen, sagt Maltz-Schwarzfischer. "Man muss einen Weg finden, wie man damit umgeht. Das ist auch belastend."

Maltz-Schwarzfischer ist jetzt der Boss

Draußen, vor ihrem Büro, hängen auf dem Rathausflur die Gemälde aller früheren Oberbürgermeister. Ganz rechts das Schaidinger-Porträt, auch Wolbergs wird wohl eines bekommen, egal wie die Affäre ausgeht. Und Maltz-Schwarzfischer? Reizt es sie gar nicht, das Amt ganz offiziell zu übernehmen, wenn die Affäre irgendwann rum ist? Dass Wolbergs zurückkehrt, gilt als ausgeschlossen, und irgendwann muss ja neu gewählt werden. "Es ist jetzt nicht so, dass ich sage: Das ist das, was ich schon immer machen wollte", sagt sie. "Das ist jetzt eben mein Job und ich mache das Beste draus". Dann schiebt sie nach: "Inzwischen mache ich es durchaus gerne."

Um die Ambitionen der Gertrud Maltz-Schwarzfischer zu durchblicken, könnte es hilfreich sein, ein zweites Mal zurückzublenden. Diesmal auf den 28. Februar, den Tag, als der Oberbürgermeister aus der U-Haft freikam. Kaum war er draußen, verschickte Maltz-Schwarzfischer eine Presseerklärung, um mitzuteilen, was eigentlich keiner Mitteilung bedurfte: Dass der OB suspendiert sei und dass er sein Amt auch nach der Haftentlassung nicht ausführen dürfe. Weiter schrieb sie: "Daher bleibt es bei der Vertretungsregelung und ich führe weiterhin die Dienstgeschäfte." Man kann das wohl getrost als Ansage verstehen: Der Boss im Rathaus, das bin jetzt ich.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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