Chronologie:Die Regensburger Korruptionsaffäre vom Verdacht bis zur Festnahme

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Die Fassaden der Regensburger Altstadt sind idyllisch, doch dahinter wabert eine mögliche Spendenaffäre um den Oberbürgermeister und drei zahlungskräftige Baufirmen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Das Rumoren begann im Juni 2016 - der vorläufige Höhepunkt war im Januar 2017. Eine Chronik des Regensburger Parteispendenskandals.

14. Juni 2016: Die Staatsanwaltschaft gibt bekannt, dass sie gegen den Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) und drei Bauunternehmer wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung ermittelt. 69 Kriminalpolizisten und sieben Staatsanwälte durchsuchen Diensträume der Stadt Regensburg sowie verschiedene Privat- und Geschäftsräume. Neben Wolbergs stehen das Bauteam Tretzel, das Immobilienzentrum Regensburg und Immobilien Schmack im Fokus. Wolbergs lässt die Vorwürfe über einen Sprecher zurückweisen.

15. Juni 2016: Wolbergs bricht am Nachmittag bei einer Pressekonferenz sein Schweigen. Er sagt: "Solange ich lebe, hat es nicht einmal den Versuch gegeben, mich kaufen zu wollen. Und ich habe noch nie etwas getan, weil jemand etwas gespendet hat. Nie." SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher warnt vor einer Vorverurteilung und sagt, dass er an der persönlichen Integrität Wolbergs "nicht den leisesten Zweifel" habe.

Ende Juni 2016: Die Staatsanwaltschaft lässt Hinweise prüfen, dass mindestens eine Baufirma ihre Mitarbeiter als Strohmänner benutzt haben soll, um Spenden weiterzugeben. Es ist die Firma von Volker Tretzel . Die Ermittler kündigen zudem an, auch Spuren zu verfolgen, die weiter zurückführen als in den Kommunalwahlkampf 2013/14.

Juli 2016: Bundestagspräsident Norbert Lammert lässt die Bundestagsverwaltung untersuchen, ob es in Regensburg Verstöße gegen das Parteiengesetz gegeben hat.

August 2016: Gloria von Thurn und Taxis bestätigt, dass es Durchsuchungen auch in den Räumen ihrer Familie gegeben hat. Das Haus Thurn und Taxis hatte mit Wolbergs über den Verkauf von Freiflächen des Schlosses Pürkelgut verhandelt, weil die Stadt dort eine Landesgartenschau veranstalten wollte. Die Verhandlungen scheiterten allerdings. Im Frühjahr verkaufte das Fürstenhaus dann einen Teil des Pürkelgut-Geländes an die Firma Immobilienzentrum Regensburg.

September 2016: Ein ehemaliger Geschäftsführer der Bauteam Tretzel GmbH übernimmt das Amt des technischen Leiters bei der Stadtbau, einer 100-prozentigen Tochter der Stadt.

Oktober 2016: Die Staatsanwaltschaft nimmt Vorermittlungen gegen den früheren Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) auf. Sie interessiert sich vor allem für Schaidingers Beratervertrag, den er im Herbst 2014, ein halbes Jahr nach Ende seiner Amtszeit, mit der Baufirma Tretzel geschlossen hat. Vorermittlungen werden geführt, wenn es Anhaltspunkte für eine Straftat gibt. Erst wenn ein konkreter Verdacht besteht, wird wie bei Wolbergs ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

November 2016: Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks ergeben, dass Wolbergs nicht nur im Wahlkampf 2013/14 seltsam gestückelte Parteispenden aus der Immobilienbranche angenommen hat, die wohl die Identität des Spenders verbergen sollten, sondern auch danach, während seiner Amtszeit als Oberbürgermeister. Von Tretzel, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft, sollen dabei bis 2015 jährlich 108 900 Euro geflossen sein, bis April noch weitere vier Spenden über je 9900 Euro.

Dezember 2016: Der Regensburger SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Hartl räumt ein, im Juni 2014 eine E-Mail an Volker Tretzel geschickt zu haben, die den Entwurf für die Neuausschreibung der Vergabe des Nibelungenkasernenareals enthielt - verbunden mit der Bitte zu prüfen, ob die Vergabekriterien aus Sicht des Bauträgers erfüllbar seien. Tretzel hatte die erste Ausschreibung verloren, bekam dann aber bei der zweiten Ausschreibung den Zuschlag.

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23. Dezember 2016: Die Süddeutsche Zeitung berichtet über ein Schreiben, das auf einen Zusammenhang hindeuten könnte zwischen Zahlungen der Baufirma Tretzel an den SSV Jahn und Grundstücksgeschäften zwischen Tretzel und Stadt. Es wirft die Frage auf: Könnte Tretzel den Zuschlag für das Nibelungenareal bekommen haben, weil er der Stadt eine Finanzspritze - laut Staatsanwaltschaft 1,7 Millionen Euro - für den Fußballklub in Aussicht stellte?

18. Januar 2017: Joachim Wolbergs, Volker Tretzel und dessen Ex-Angestellter, jetzt technischer Leiter der Stadtbau, werden am Mittwochmorgen verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft Wolbergs Bestechlichkeit, Tretzel Bestechung und dem technischen Leiter Beihilfe zur Bestechung vor. Letzterer soll in Tretzels Auftrag das Strohmann-System organisiert haben, mit dem Spenden verschleiert wurden.

20. Januar 2017: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun auch gegen Schaidinger.

23. Januar 2017: Norbert Hartl tritt als SPD-Fraktionschef zurück. Auch gegen ihn laufen jetzt Ermittlungen.

Januar/Februar 2017: Die Landesanwaltschaft suspendiert Wolbergs vorläufig vom Dienst und behält die Hälfte seiner Bezüge als Oberbürgermeister ein.

28. Februar 2017: Erst nach knapp sechs Wochen wird der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt und Wolbergs aus der U-Haft entlassen. Allerdings unter Auflagen. Um die Ermittlungen nicht zu gefährden, muss der 46-Jährige eine Reihe von Kontaktverboten einhalten.

27. Juli 2017: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Wolbergs, Hartl, Tretzel und dessen Ex-Mitarbeiter.

27. Juli 2017: Die Staatsanwaltschaft Regensburg erhebt Anklage gegen Wolbergs wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen, Vorteilsannahme und Verstößen gegen das Parteiengesetz.

30. Oktober 2017: Die Anwälte von Joachim Wolbergs beantragen, die Anklage gegen ihren Mandanten nicht zuzulassen und das Hauptverfahren nicht zu eröffnen.

6. November 2017: Es gibt eine weitere Festnahme: Ein Regensburger Bauunternehmer kommt in Untersuchungshaft. Ihm werden Bestechung des Oberbürgermeisters in zwei Fällen und Vorteilsgewährung in einem Fall vorgeworfen.

21. November 2017: Der zuletzt festgenommene Bauunternehmer wird aus der Untersuchungshaft entlassen. Er muss sich jedoch an Auflagen halten, zum Beispiel Kontaktverbote.

15. Februar 2018: Ermittler durchsuchen das Büro des CSU-Kreisverbands Regensburg-Stadt sowie die Wohnräume des früheren Oberbürgermeister-Kandidaten Christian Schlegl (CSU). Gegen den Stadtrat wird wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Parteiengesetz ermittelt. Es gehe dabei um auffällige Spenden im Kommunalwahlkampf in den Jahren 2013 und 2014.

1. März 2018: Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg lässt die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Wolbergs zu - allerdings in geänderter Form. Wolbergs muss sich wegen Vorteilsnahme und wegen Verstoß gegen das Parteiengesetz verantworten. Die Anklagevorwürfe der Bestechlichkeit und der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen erachtete die Kammer "als zumindest derzeit nicht haltbar".

22. März 2018: Das Amtsgericht Regensburg erlässt gegen einen im November vorübergehend in U-Haft genommenen Unternehmer Strafbefehl. Gegen den Mann wurde laut Regensburger Staatsanwaltschaft wegen Vorteilsgewährung in zwei Fällen und Bestechung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr sowie eine Geldstrafe verhängt.

2. Mai 2018: Joachim Wolbergs bleibt suspendiert. Die Landesanwaltschaft entscheidet, dass Wolbergs weiterhin seines Dienstes als Rathauschef enthoben bleibt.

19. Mai 2018: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Landtagsabgeordneten Franz Rieger (CSU). Der Politiker soll unter anderem einen Unternehmer zu einer Parteispende für den Landtagswahlkampf 2013 gedrängt haben. In einer Stellungnahme weist Rieger die Vorwürfe zurück. Bei dem Abgeordneten und einem Geschäftsmann aus der Marketingbranche fanden Durchsuchungen statt.

24. September 2018: In Regensburg beginnt der Prozess gegen Wolbergs, Hartl, Tretzel und einen früheren Mitarbeiter von Tretzel.

© SZ vom 19.01.2017/SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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