Politik in Bayern:Ein Ministerpräsident braucht keinen hohen Testosteronspiegel

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In der CSU scheint es abgesehen von Horst Seehofer niemanden zu geben, der sich als Ministerpräsident eignet. (Foto: dpa)

Bayern benötigt womöglich bald einen neuen Länderchef. Aber was ist wichtiger? Der Rampensau-Faktor oder die Fähigkeit, seine Meinung schnell zu ändern?

Kolumne von Claudia Henzler

Die CSU ist echt arm dran. Man sollte eigentlich annehmen, dass eine Partei mit mehr als 140 000 Mitgliedern, die seit Jahrzehnten Regierungsverantwortung trägt und die ihren Nachwuchs in der Hanns-Seidel-Stiftung auf eine politische Laufbahn vorbereitet, aus einem riesigen Pool an Talenten schöpfen kann. Stattdessen sieht man derzeit überall sorgenvolle Blicke. Offenbar gibt es quasi niemanden, der sich als Ministerpräsident eignet.

Dabei hat die Partei ja einige Leute, die Ministerien leiten oder anderswo weitreichende Entscheidungen treffen. Es fragt sich also, welche speziellen Qualitäten der Regierungschef eines Bundeslands haben muss, die in der CSU nur so selten vorhanden sein sollen? Ist es der Rampensau-Faktor? Wenn man sich die Galerie der Ministerpräsidenten in Deutschland anschaut, drängt sich dieser Verdacht zumindest nicht auf.

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Welche Fähigkeiten sind es dann, die einen guten Länderchef ausmachen? Ist der unbedingte Wille zur Macht das entscheidende Kriterium, jemanden damit zu betrauen? Ein glaubwürdiges politisches Anliegen, das über das eigene Fortkommen hinausgeht? Spielen Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Loyalität eine Rolle? Die Fähigkeit, seine Meinung schnell zu ändern?

Es muss ein uraltes Programm sein, irgendwo im Kleinhirn verankert, das Menschen dazu verleitet, die Verantwortung dem vermeintlich Stärksten zu geben, jemandem, der sich auf die Brust trommelt. Aber Politikerinnen wie Angela Merkel haben längst gezeigt, dass es keinen hohen Testosteronspiegel braucht, um auch schwierige Positionen durchzusetzen.

Hier schafft auch das Mandat, verliehen durch Wählerstimmen, Verhandlungsstärke. Merkel hat zudem bewiesen, dass Kandidaten für ein Amt geeignet sein können, die niemand als Nachfolger auf dem Zettel hatte. Und bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein war kürzlich zu sehen, wie eine Partei auch mit einem frischen Überraschungskandidaten Erfolg haben kann.

Vielleicht lohnt sich noch ein weiterer Blick in die Reihe des CSU-Spitzenpersonals. Bis zum Parteitag im November haben die Mitglieder jedenfalls die Möglichkeit, ihren persönlichen Auswahlfilter zu justieren.

© SZ vom 29.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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