Oberammergau:"Wir wollen spielen"

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Coronabedingt wurden die Passionsspiele in Oberammergau auf 2022 verschoben - geprobt wird aber weiterhin. (Foto: dpa)

Am Montag beginnt der Vorverkauf für die Passionsspiele 2022, immerhin rund die Hälfte der Tickets wurde lediglich umgebucht. Die Gemeinde hofft, dass die Pandemie bis zur Premiere überstanden ist.

Von Christiane Lutz

Die Ansage auf den verteilten Schlüsselanhängern ist deutlich: "Passionsspiele 2022". Sie sind gefertigt aus ausrangierten Kostümen der Spielerinnen und Spieler und wurden im Sommer umgenäht, aus der 2020 wurde eine 2022. Auch Spielleiter Christian Stückl ist energisch zuversichtlich. "Wir wollen spielen", sagt er bei der Pressekonferenz am Donnerstag im Münchner Volkstheater gleich mehrmals in abgewandelten Variationen. Am 5. Oktober startet der Kartenvorverkauf für die Passionsspiele 2022.

Ein halbes Jahr ist es nun her, dass in Oberammergau "der Stecker gezogen" wurde, wie Stückl sagt. Am 19. März wurden die für 2020 fast fertig geprobten Passionsspiele verschoben - auf 2022. Am 3. Oktober, also an diesem Wochenende, wäre die letzte Vorstellung gewesen. Zum Zeitpunkt der Verschiebung waren 425 000 Tickets verkauft, das entsprach einer Auslastung von 95 Prozent.

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Doch die halbe Million Besucher kam nicht in das Dorf, in dem nur knapp 5500 Menschen leben und dessen Infrastruktur fast vollständig auf den Tourismus und die alle zehn Jahre aufgeführten Passionsspiele ausgerichtet ist. Tausende Buchungen in den örtlichen Hotels wurden storniert. Viele Menschen arbeiten in der Hotellerie, in der Gastronomie, führen Souvenirgeschäfte - und wollten bei der Passion mitspielen. Sie waren also doppelt betroffen. "Es war ganz komisch im Sommer", sagt Stückl, "wir haben kaum über die Passionsspiele geredet im Ort". Er selbst sei zwei Wochen wie erstarrt gewesen und habe auch keine Kraft gehabt, sich als Intendant um sein Volkstheater zu kümmern.

Immerhin, sagt Oberammergaus noch neuer Bürgermeister Andreas Rödl (CSU), seien im August sogar wieder mehr Touristen in den Ort gekommen als im August 2019. Aufs ganze Jahr gesehen werden aber wohl ein Drittel der Gäste fehlen, und im Vergleich zu einem normalen Passionsjahr noch viel mehr. "Ich bin hoffnungsvoll, dass es jetzt wieder bergauf geht", sagt Rödl. Wie hoch allerdings die finanziellen Einbußen für die Gemeinde sind, kann er noch nicht beziffern. Der 35-Jährige ist seit Mai im Amt wollte selbst im Passionschor mitsingen. Die Haare trägt Rödl noch immer lang.

Knapp 500 000 Tickets also mussten in den vergangenen Monaten mühsam rückabgewickelt werden. Erfreulicherweise, so Stückl, hätten aber die Hälfte der Menschen keine Rückerstattung gewollt, sondern direkt von 2020 auf 2022 umgebucht. Bei den Besuchern aus den USA seien es sogar 90 Prozent gewesen.

Nun weiß natürlich zum jetzigen Zeitpunkt kein Mensch und nicht mal Spielleiter Stückl, ob 2022 alles wie geplant stattfinden kann. Und ob dann rund 5000 Besucher pro Vorstellung kuschelig nah im Theater beisammen sitzen können, während sich bei Massenszenen 1000 Menschen auf der Bühne drängen. Die Passion sei zwar keine Liebesgeschichte, sagt Stückl, aber trotzdem sei kein Abstand von 1,5 Metern möglich, wie er derzeit auf Theaterbühnen Pflicht ist. Dennoch wird auch für 2022 die volle Zahl an Tickets verkauft. Geschäftsführer Walter Rutz sagt, man plane natürlich auch für den Fall, dass dann immer noch Abstand gehalten werden müsse. Laut Stückl gibt es die Überlegung, sechs statt bisher fünf Vorstellungen pro Woche zu spielen, wenn die Sitzreihen nicht voll besetzt werden dürfen. Ein Hygienekonzept erarbeiten sie so oder so.

Doch dass sie einen Weg finden wollen, 2022 zu spielen, steht außer Frage. Schließlich sei die Passion schon ein paar Mal verschoben worden. 1870 etwa habe der Prolog (eine inzwischen abgeschaffte Erzählerrolle) alle nach Hause geschickt, weil der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausgebrochen war. In der fast 400-jährigen Geschichte der Spiele ist eine Verschiebung somit durchaus nicht ungewöhnlich.

Ihre Rollen dürfen die Spieler behalten. Allerdings gehe das Leben natürlich weiter, sagt Stückl. Zwei Apostel, die in diesem Jahr Abitur gemacht haben, wollten möglicherweise zum Studium wegziehen, zwei alte Oberammergauer sind im vergangenen halben Jahr gestorben. Dafür aber werden 2022 ein paar weitere Oberammergauer spielberechtigt sein: jene, die dann 16 Jahre alt geworden sein oder 20 Jahre im Ort gelebt haben werden, so entspricht es dem Regelwerk.

Das fast fertige Bühnenbild wird 2022 verwendet, und das ganze Passionsspielhaus ist vom Landesamt für Denkmalpflege ohnehin soeben auf die Liste der bayerischen Baudenkmäler gesetzt worden. An den Text jedoch müsse er wohl noch einmal ran, sagt Stückl. "Aber keine Sorge, Jesus muss sich nicht mit Corona beschäftigen". Einen Gelübde-Erneuerungs-Gottesdienst wird es auch nicht mehr geben. "Ich denke, Gottes Segen gilt noch." Der nächste offizielle Termin für die Spieler ist dann der Aschermittwoch, 17. Februar, der Tag, von dem an sie sich die Haare wachsen lassen müssen.

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