Abraham-Geiger-Preis:"Ohne Vorurteile, ohne Dämonisierung, ohne antisemitische Untertöne"

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Weil seine Oberammergauer Passionsspiele ohne jegliche Form des Antijudaismus auskommen, wurde Christian Stückl (links) am Sonntag ausgezeichnet. (Foto: Stephan Rumpf)

Christian Stückls Inszenierung bei den Oberammergauer Passionsspielen wird mit dem Abraham-Geiger-Preis ausgezeichnet. Sie komme ohne jegliche Form des Antijudaismus aus.

Von Dominik Hutter

Das muss man erst einmal hinbringen: Bei einer feierlichen Zeremonie, umgeben von Leuten in dunkler Abendgarderobe, im Trachtenjanker und mit Jeans auf die Bühne zu gehen, lustige Anekdoten zum Besten zu geben und trotzdem die Würde des Anlasses zu wahren. Christian Stückl kann das. Der Chef des Münchner Volkstheaters, am Sonntag ausgezeichnet mit dem Abraham-Geiger-Preis 2020, begann seine Dankesrede im eigenen Haus mit einem simplen "Dankschön" und berichtete dann im Plauderton über die Antijudaismus-Debatten in seinem Heimatort Oberammergau und sein späteres Erstaunen über die Judenwitze des (aus einer jüdischen Familie stammenden) Kollegen George Tabori, dem jegliche Verkrampftheit selbst bei einem so ernsten Thema fremd gewesen sei.

Der mit 10 000 Euro dotierte Abraham-Geiger-Preis des gleichnamigen Kollegs wurde Stückl für sein Eintreten gegen jedweden Rassismus und seine Verdienste um eine pluralistische Gesellschaft verliehen. Und auch weil, wie es Laudatorin Charlotte Knobloch ausdrückte, "Sie, Herr Stückl, ein großartiger Mensch sind". Ein "empathischer, verständiger und kluger Mann". Ausgezeichnet wird Stückls Inszenierung bei den Oberammergauer Passionsspielen, die ohne jegliche Form des Antijudaismus auskomme. Stückls Variante der in der Vergangenheit oft für ihre judenfeindliche Darstellung kritisierten Thematik komme "ohne Vorurteile, ohne Dämonisierung, ohne antisemitische Untertöne aus", analysierte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Es sei gelungen, die Würde des Stückes zu wahren und trotzdem "einen Modus zu finden, der die Passion in die Gegenwart und Realität unseres Landes einpasst". Eine solche "Quadratur des Kreises" gelinge wohl nur Stückl.

Selbst erfahren lässt sich die Arbeit des Theatermachers in diesem Jahr nicht. Die alle zehn Jahre anstehenden Passionsspiele von Oberammergau, von Stückl bereits 1990, 2000 und 2010 verantwortet, müssen dieses Jahr coronabedingt ausfallen und sind auf 2022 vertagt, wie Zeit-Herausgeber Josef Joffe, der den Vorsitz der Jury innehatte, mit Bedauern anmerkte, da er erstmals einen Besuch eingeplant hatte.

Stückl betonte, die Neufassung der Passionsspiele keinesfalls alleine bewerkstelligt zu haben - weshalb er den Preis eigentlich nicht nur für sich beanspruchen könne. Stückl nannte seinen früheren Dramaturgen Otto Huber, den für die Musik verantwortlichen Markus Zwink und Bühnenbildner Stefan Hageneier. Eigentlich sei aber das ganze Dorf Oberammergau beteiligt. Träger des Geiger-Preises sind unter anderem der Schriftsteller Amos Oz, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Theologe Hans Küng.

© SZ vom 27.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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