Bedroht und beleidigt:Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Nürnberg tritt zurück

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Im Mai erlaubte Nürnberg Erdoğans AKP, Wahlplakate aufzuhängen. Die Türkische Gemeinde fordert die Stadt auf, mehr gegen türkische Extremisten zu tun, die dem Präsidenten zumeist nahestehen. (Foto: Sven Grundmann/dpa)

Der Verband fordert von Nürnbergs OB König, mehr gegen türkische Extremisten zu tun. In der Stadt habe sich eine "toxische Atmosphäre entwickelt", in der sich liberale Gruppierungen nicht mehr sicher fühlten.

Wegen zunehmender Anfeindungen hat der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg, Bülent Bayraktar, sein Amt niedergelegt. Auslöser dafür soll ein Vorfall am Flughafen Nürnberg Mitte Juli gewesen sein, wie Bayraktar der Deutschen Presse-Agentur sagte. Nach Polizeiangaben ermittelt der Staatsschutz der Kriminalpolizei Nürnberg in der Sache.

Er sei immer wieder denunziert, bedroht und beleidigt worden, schrieb Bayraktar bei Twitter. "Leider hat die Dosis in letzter Zeit zugenommen, so dass ich und meine Familie sich nicht mehr sicher fühlen." Er sei am Samstag vor zwei Wochen am Flughafen Nürnberg von einem Mann unter anderem als Landesverräter beleidigt und sein Bruder von diesem körperlich angegangen worden, schilderte Bayraktar.

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Als Reaktion auf den Rücktritt wandte sich die Türkische Gemeinde Bayern an Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) und beklagte in einem offenen Brief, in der Stadt habe sich eine "toxische Atmosphäre entwickelt", so dass sich liberal orientierte Gruppierungen nicht mehr sicher fühlten. Zugleich forderten sie den OB auf, mit der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg ein Gespräch zum Umgang mit türkischen Extremisten zu suchen.

König teilte auf Anfrage mit, er verurteile jede Form von verbalen oder gar tätlichen Angriffen aufs Schärfste und empfehle allen von Gewalt Betroffenen, Strafanzeige zu erstatten oder sich zumindest polizeilich beraten zu lassen. Zum konkreten Fall könne er sich nicht äußern.

Die Einschätzungen der Türkischen Gemeinde Bayern wies König zurück. "In Nürnberg herrscht ein offenes Klima, das zeichnet die Stadtgesellschaft, in der über 50 Prozent eine Migrationsgeschichte haben, geradezu aus." Mit der Allianz sei er zudem in ständigem Austausch.

Doch auch OB König sah sich zuletzt Hassbotschaften ausgesetzt. Auf Facebook postete er ein Schreiben, in dem er wüst beleidigt und seiner Frau und Tochter Gewalt angedroht wurde. Diese Hassbotschaft sei bisher die schlimmste, die im Rathaus angekommen sei, sagte ein Sprecher der Stadt am Dienstag. Der Oberbürgermeister habe das Schreiben zur Anzeige gebracht. Es müssten zum Glück nur wenige Schreiben im Jahr angezeigt werden. Nürnberg habe 542 000 Einwohner. Wenn einzelne Personen zu solcher Wortwahl griffen, sei das absolut zu verurteilen, aber nicht repräsentativ und nicht im Widerspruch zum offenen Klima in der Stadt, fügte er hinzu.

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