Nürnberg:Mann wegen sexuellen Missbrauchs von Patenkind verurteilt

Lesezeit: 3 min

Der 43 Jahre alte Angeklagte (Mitte) wurde unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs zu sechs Jahren Haft verurteilt. (Foto: Pia Bayer/dpa)

Der 43-Jährige suchte aktiv die Nähe zu Kindern und bot sich im Internet als Betreuer an. An seinem Patenkind verging er sich, als dieses schlief. Das Gericht wertet die Taten trotzdem als "minder schwere Fälle".

Von Max Weinhold, Nürnberg

Die Fußfesseln schellen bei jedem Schritt, den der Angeklagte in den Gerichtssaal des Nürnberger Strafjustizzentrums tut. Der Mann trägt ein rotes Karohemd, eine graue Hose und vor dem Gesicht einen Aktenordner, damit ihn niemand erkennt. Denn die Vorwürfe wiegen so schwer, dass selbst ein erfahrener Justizbeamter während der Anklageverlesung das Gesicht verzieht.

Angeklagt ist der Mann wegen der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte in Tateinheit mit Bedrohung. Der Vater eines 20-jährigen Sohnes soll im Oktober 2022 anonyme Briefe vor dem Haus einer Familie in Nürnberg deponiert und darin Sexfantasien mit ihren Kindern (zwei, sechs und zwölf Jahre alt) beschrieben haben. Auch die gestohlene Unterhose eines der Kinder soll er vor das Haus gelegt haben. "Wie vom Angeschuldigten beabsichtigt, befürchteten die Eltern, dass ein sexueller Missbrauch ihrer Kinder unmittelbar drohe", sagt die Staatsanwältin.

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Als der Vorsitzende Richter Auszüge aus besagtem Brief vorliest, schluchzt der Mann. Er ist außerdem angeklagt wegen schweren sexuellen Missbrauchs in sechs Fällen, zweimal in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Inhalte. Der Mann soll 2019 sein damals fünfjähriges Patenkind im Schlaf missbraucht haben. Zwei Taten soll er gefilmt und fotografiert haben. Ein "immenses Ausnutzen des Vertrauens von Kind und Eltern" erkennt die Staatsanwältin - nicht nur in diesem Fall: Der Mann lebte bis zu seiner Verhaftung in der schwäbischen Gemeinde Osterberg. Dort betreute er, wie die Staatsanwältin ausführt, auch regelmäßig Kinder; suchte aktiv ihre Nähe; bot seine Hilfe über Internetseiten an.

Daneben sind 14 Fälle von Diebstahl angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, Kinderkleidung aus Schulen und Kindergärten in Nürnberg entwendet zu haben (geschätzter Gesamtschaden: 14 000 Euro).

Wie die Ermittler dem Mann auf die Spur gekommen sind, schildert eine geladene Polizistin. Nachdem der erste Brief vor dem Haus der Familie gelegen habe, hätte der Vater eine Kamera installiert. Darauf sei der Angeklagte bei der Abgabe des zweiten zu erkennen gewesen. Die Polizei hätte ihm nachgestellt und so einen der Diebstähle nachweisen können. Zwei der Missbrauchstaten ließen sich durch die Fotos und Videos auf Datenträgern beweisen, die weiteren vier habe er selbst gestanden - genau wie die Diebstähle.

Insgesamt fanden Ermittler bei dem Mann der Staatsanwältin zufolge gut 2000 Kleidungsstücke. Sein Verteidiger erklärt die Diebstähle der Kinderkleidung als eine Art Schutzmechanismus. Sein Mandant habe bereits 2014 seine sexuelle Tendenz zu Kindern festgestellt und eine Fachstelle aufgesucht. Die Therapeutin habe bei ihm aber keine Gefahr gesehen. Nach den dann aber doch begangenen Taten sei sein Gedanke gewesen: Der Diebstahl ist besser als echter Missbrauch.

Die "Rückfallgefährdung" des Mannes sei aktuell hoch

Eine Gutachterin stellt bei dem Angeklagten "depressive Verstimmungen" fest. Eine Depression, führt sie aus, könne zwar Bedürfnisse verstärken, begründe aber keine pädophile Störung. Und an dieser habe sie in diesem Fall "keinen Zweifel". Sie schätzt die "Rückfallgefährdung" des Mannes aktuell als hoch ein, weil er noch nicht in Therapie gewesen sei.

Ein Umstand, den er alsbald ändern will, wie sein Verteidiger versichert. Der Angeklagte selbst spricht erst zum Ende der Verhandlung. Er wolle sich entschuldigen, habe sehr viel falsch gemacht, viele Menschen verletzt und enttäuscht, sagt er unter Tränen. "Ich hoffe, dass ich noch mal eine Chance bekomme, mich zu beweisen und ein straffreies Leben zu führen."

Zunächst, so entscheidet das Gericht, muss er aber für sechs Jahre ins Gefängnis. Das Strafmaß liegt damit genau zwischen der Forderung von Staatsanwaltschaft (sieben Jahre) und Verteidigung (fünf Jahre). Allerdings wertet das Gericht die sechs Fälle des sexuellen Missbrauchs als "minder schwere Fälle" - auch, wenn sich die Worte "minder schwer" eigentlich mit dem Geschehenen bissen, wie der Vorsitzende Richter sagt. Das Gericht hält dem Mann aber zugute, dass er wesentlich zur Aufklärung beigetragen und so den Angehörigen des missbrauchten Kindes eine Aussage erspart habe. Zudem sei der Angeklagte nicht vorbestraft gewesen, die Taten lägen recht lange zurück und das Kind selbst erinnere sich nicht an diese. Nicht klären kann das Gericht indes, ob der Angeklagte, wie von einigen Kindern ausgesagt, Schlafmittel nutzte, wenn diese bei ihm zur Betreuung übernachteten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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