Naturschutz:Der Nationalpark Berchtesgaden feiert 40-jähriges Jubiläum

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Eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch: der Nationalpark Berchtesgaden. (Foto: dpa)
  • Am 1. August 1978 wurde der Nationalpark Berchtesgaden gegründet - er ist bis heute der einzige in den Alpen.
  • Die Geschichte allerdings reicht sehr viel weiter zurück als bis 1978.
  • Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wollten verschiedene Vereine ein großes Schutzgebiet nach Vorbild des Yellowstone Parks in den USA einrichten.

Von Christian Sebald, Berchtesgaden

So einen Spagat kriegt nur die Staatsregierung hin. Anlässlich der Kabinettssitzung am Dienstag auf der Zugspitze dürfte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einmal mehr seine Absage an einen dritten Nationalpark in Bayern bekräftigen. Der Grund: Weder seine CSU, noch die Bauern und die Förster wollen so ein großes Schutzgebiet. Am Mittwoch dann stimmt die Staatsregierung das Loblied auf den Nationalpark Berchtesgaden an. Anlass ist dessen 40-jähriges Bestehen. Das Gründungsdatum des Nationalparks ist der 1. August 1978. Zu dem Jubiläum richtet Umweltminister Marcel Huber (CSU) sogar einen Festakt aus.

Natürlich verdient der Nationalpark Berchtesgaden ein jedes Loblied. Allein schon, weil das 210 Quadratkilometer große Schutzgebiet der einzige Alpen-Nationalpark Deutschlands ist. Aber nicht nur deshalb. Es ist die spektakuläre Bergwelt im äußersten Südostzipfel Bayerns, die das Schutzgebiet im internationalen Vergleich einzigartig macht. Allein schon der Watzmann, mit 2713 Metern der zweithöchste Berg Deutschlands, und die legendäre Watzmann-Ostwand, mit 1800 Metern die höchste Felswand der Ostalpen. Oder der Königssee mit der berühmten Wallfahrtskirche St. Bartholomä. Er liegt tiefeingeschnitten zwischen Felsen und urwüchsigen Wäldern. Ein Tal weiter erstreckt sich das Wimbachgries mit seinem wilden kilometerlangen Schuttstrom.

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Und dann die Tier- und Pflanzenwelt. Rehe, Hirsche, Gämsen und sogar Steinböcke sind hier zu Hause, ebenso Murmeltiere, Schneehasen und Auerhühner. Der wahre Reichtum des Nationalparks sind freilich die schier unzähligen kleinen und kleinsten Tiere. Der Forscher Walter Ruckdeschel hat 600 Nachtfalter-Arten nachgewiesen. Das sind 60 Prozent der Nachtfalter-Arten in Bayern. Darunter ist auch der Augsburger Bär, der lange als ausgestorben galt.

In den Wäldern rund um Watzmann und Hochkalter stehen unzählige wettergegerbte Fichten, Tannen, Lärchen und Buchen. Der älteste Baum im Nationalpark ist eine fast 800-jährige Zirbe, sie erhebt sich in einem Hochtal im Hochkaltermassiv. Auf den Almen wachsen Silberdisteln, Almrausch und der tiefblaue echte Enzian. Oberhalb der Baumgrenze stößt man natürlich auf das Edelweiß.

Die Geschichte des Nationalparks reicht sehr viel weiter zurück als bis 1978. Es waren der Deutsche Alpenverein und der "Verein zum Schutze und Pflege der Alpenpflanzen", der heute als Verein zum Schutz der Bergwelt firmiert, die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ein großes Schutzgebiet in den Berchtesgadener Alpen forderten. Vorbild sollte der Yellowstone Park in den USA sein.

Ein "Pflanzenschonbezirk" war der Vorläufer

Der Grund war der immer stärkere Tourismus in den bayerischen Alpen. Beide Vereine befürchteten, dass er die ursprüngliche Natur unwiederbringlich zerstören werde. 1910 verbuchten die Naturschützer den ersten Erfolg. Am Königssee wurde ein sogenannter Pflanzenschonbezirk ausgewiesen. Laut Hubert Zierl, dem Gründungschef des Nationalparks, war er das erste Schutzgebiet überhaupt in den Alpen.

Der zweite großes Schritt auf dem Weg zum Nationalpark geschah schon wenige Jahre später. Damals sollte am Königssee ein gigantisches Kriegerdenkmal in eine Felswand gemeißelt werden. Der eben erst gegründete Bund Naturschutz (BN) leistete erbitterten Widerstand. Sein Vorsitzender, der Münchner Forstbotaniker Karl Freiherr von Tubeuf, der nicht weniger streitbar war als die heutigen BN-Chefs, setzte schließlich das "Naturschutzgebiet Königssee" durch. Es war schon beinahe so groß und hatte fast die selben Umrisse wie der heutige Nationalpark.

Mit dem Naturschutz in dem neuen Naturschutzgebiet war es freilich nicht weit her. Ebenfalls seit den Zwanzigerjahren gab es Pläne für eine Seilbahn auf den Watzmann. Als sie in den Sechzigerjahren forciert wurden, setzten ihnen die Naturschützer eine Offensive für den Nationalpark Berchtesgaden entgegen. Der Streit war erbittert und langwierig. Doch seinerzeit waren CSU und Staatsregierung viel offener für den Schutz der Natur als heute. Also startete der Landtag 1972 das Verfahren für den Nationalpark Berchtesgaden.

Der war von Anbeginn ein Riesenerfolg. Inzwischen zählen Nationalpark-Chef Roland Baier und seine Mitarbeiter Jahr für Jahr 1,6 Millionen Besucher. Wer an einem schönen Sommertag mit dem Schiff über den Königssee nach St. Bartholomä übersetzen will, muss sich auf zwei Stunden Wartezeit einrichten. Der Ansturm auf die Gipfel ist nicht weniger immens. Das gilt sogar für das eher abgelegene Steinerne Meer, wo sie im Kärlingerhaus 14 000 Übernachtungen im Jahr zählen. Und das "Haus der Berge" in Berchtesgaden, das vor fünf Jahren eröffnet hat, ist eines der modernsten Nationalparkzentren Europas.

Auf dem Festakt am Mittwoch werden Umweltminister Huber und Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) den Nationalpark in höchsten Tönen loben. Wie sie die Kurve zu Söders Absage an Bayerns dritten Nationalpark hinkriegen, bleibt abzuwarten. Die vielen Naturschützer indes, die zu dem Festakt eingeladen sind, werden gewiss nicht davon lassen, ihn einzufordern. So wie ihre Vorgänger Jahrzehnte lang gekämpft haben, bis der Nationalpark Berchtesgaden Wirklichkeit geworden ist.

© SZ vom 30.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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