Mordfall Peggy:Verteidiger beklagt "Stigmatisierung" seines Mandanten

Lesezeit: 2 min

Der Verdächtige im Mordfall Peggy sei von Ermittlern trotz dürftiger Indizien mit vollem Namen genannt worden, so der Anwalt. Die Staatsanwaltschaft will in diesen Tagen über eine Anklage entscheiden.

Von Olaf Przybilla, Hof

Während laufender Ermittlungen sind Verfahrensbeteiligte gehalten, wenig preiszugeben zur Sache. Es gibt aber Ausnahmen, in denen das kaum möglich ist. Dass die Ermittlungen gegen Manuel S. im Mordfall "Peggy" so ein Fall sind, hat sich dessen Anwalt Jörg Meringer nicht ausgesucht. "Aus allen Wolken" sei er gefallen, berichtet Meringer, als er sich 2018 jene Pressekonferenz anhörte, in der die Staatsanwaltschaft bekannt gab, dass sein Mandant im Verdacht stehe, 2001 als Täter oder Mittäter an der Tötung der neunjährigen Peggy aus dem fränkischen Lichtenberg beteiligt gewesen zu sein. Meringer kann sich noch gut erinnern: Zunächst sei in dieser Pressekonferenz von Manuel S. die Rede gewesen - nach einigen Minuten aber habe sich das geändert und sein Mandant sei mit vollem Namen genannt worden.

Der Bestatter S. wohnt in einem winzigen Ortsteil einer sehr überschaubaren Kommune, dass Meringer insofern von einer "Stigmatisierung" seines Mandanten spricht, wird man ihm kaum verdenken können. Nachdem das Bayreuther Amtsgericht zumindest keinen dringenden Tatverdacht auf eine Beteiligung von S. an einem Tötungsdelikt sah, war er am Heiligen Abend 2018 auf freien Fuß gekommen und in den Weiler zwischen Selb und Wunsiedel zurückgekehrt. 21 Monate später steht er immer noch im Zentrum von Mordermittlungen. Immerhin will die Staatsanwaltschaft dieser Tage entscheiden, ob S. angeklagt wird - oder sich auch diese Spur als Sackgasse erweist, wie so viele zuvor in dem Fall. Es lägen jetzt "alle Ermittlungsergebnisse auf dem Tisch", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Martin Dippold. Diese würden nun abschließend bewertet.

Mordfall Peggy
:Das Rätsel um die Spur 1305

Ist Manuel S. Täter oder Mittäter im Lichtenberger Mordfall Peggy? Die Staatsanwaltschaft will 19 Jahre nach der Tat einen neuen Sachstand bekanntgeben. Antworten auf ein paar wichtige Fragen.

Von Olaf Przybilla

Wenn die "volle Identität des Mandanten preisgegeben" worden ist, wie Meringer formuliert, so muss sich ein Anwalt ebenfalls öffentlich äußern können. Meringer sagt, die Ermittler hätten "keinen einzigen belastbaren Beweis", im Grunde "haben sie gar nichts". Würde nun trotzdem eine "windige Anklage" erhoben, so würde er sich als Jurist angesichts der Aussichtslosigkeit einer solchen regelrecht "freuen". Sein Mandant indes würde das natürlich nicht tun, die psychische Belastung für ihn und seine Familie sei "enorm".

Die Indizien, die zu S. führten? Hält Meringer für albern. An Peggys Knochenresten sind Pollen gefunden worden, für Meringer ist das handelsübliche Blumenerde, die sich "in Säcken überall auf der Welt" finden lasse. Sein Mandant habe umgetopft im Mai 2001, das aber dürfte in der Jahreszeit auf "halb Deutschland" zugetroffen haben. Farbreste, die gefunden wurden an der Leiche und mit Renovierungsarbeiten von S. kompatibel sein sollen? "Genauso an den Haaren herbeigezogen", sagt Meringer.

Dass sein Mandant nach etlichen Monaten falsche Angaben darüber gemacht hatte, ob er zu einer Sparkasse gefahren ist, sei auch nicht erheblich - ein absichtlich falsch gegebenes Alibi jedenfalls belege es keinesfalls. Die Aussagen wiederum eines geistig schwer beeinträchtigten Mannes, der neben vielen anderen auch S. bezichtigt hatte, hält Meringer nicht mal für verwendbar. Und ja, sein Mandant habe sich bei einer Vernehmung unter Druck gesetzt gefühlt und nach Stunden eine Beteiligung am Wegschaffen der Leiche Peggys eingeräumt, habe dies aber längt widerrufen. Eine Anklage auf so einer Grundlage? "Da wäre ich sehr gelassen", sagt er.

Warum die Identität von S. bekannt gegeben wurde? Staatsanwalt Dippold war 2018 noch nicht zuständig, dass es sich um eine Ermittlungsmethode gehandelt habe, um möglichst viele Zeugen zu erreichen, könne er aber ausschließen. Mag sein, sagt Dippold, "dass da was durchgerutscht ist". Sollten die Ermittlungen eingestellt werden, will sich Meringer zusammen mit seinem Mandanten "in Ruhe überlegen", ob sie den Freistaat deshalb wegen Rufschädigung verklagen.

© SZ vom 29.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fall Peggy
:Chronologie eines rätselhaften Verbrechens

2001 verschwand die kleine Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg auf dem Heimweg von der Schule spurlos. Ein Fall mit immer neuen Wendungen, Ermittlungen und Hinweisen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: