Dem britischen Hochglanzmagazin Octane ist das Beste gerade gut genug, wenn es um edle Autos und schnelle Motoren geht. Auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe prangen die Namen Ferrari und Morgan. Zwei Lotus-Flitzer zischen förmlich aus dem Heft, zu seinen Autoren zählt das Magazin Motorsport-Freaks wie die Talkshowlegende Jay Leno oder den Schlagzeuger von Pink Floyd, Nick Mason.
Im Innenteil gibt es etwas anderes Edles zu bestaunen. Ein Motorblock des mehr als 100 Jahre alten Mercedes Simplex, im mittlerweile berühmten Format 1:8 nachgebaut, ist auf einer Doppelseite hochklassiger Auto-Accessoires angeboten für 3000 britische Pfund (etwa 3700 Euro). Es handele sich um ein von Hubert Haderthauer selbst gebautes Exemplar, schreibt der Autor. Seine unschuldigen englischen Sätze lesen sich in Bayern wie blanker Hohn: "Obwohl 3000 Pfund happig erscheinen mögen, dürften sie trotzdem nicht ausreichen für die Zahl der Arbeitsstunden, die in dieses aufregend detaillierte, betriebsbereite 1:8-Modell eines 1904er Simplex Motors flossen."
Zweifel an Honoraren:Bayerns Justizministerium will Haderthauers Ehemann verklagen
Neue Probleme für das Ehepaar Haderthauer: Gegen Staatsministerin Christine Haderthauer wird wegen Betrugsverdachts ermittelt, nun will das bayerische Justizministerium ihren Mann Hubert verklagen - wegen fehlerhafter Honorare.
Das ist genau der Punkt. Wie man in Bayern, aber nicht überall in England weiß, handelt es sich um Straftäter, die dieses und andere Modelle seit mehr als zwei Jahrzehnten in bayerischen Anstalten basteln. Zwar wird auf Auktionswebseiten so wie bei Octane immer mal wieder fälschlicherweise Hubert Haderthauer, der Mann der bayerischen Staatskanzleichefin, als Schöpfer der Werke genannt.
Das gehe nicht auf seine Initiative zurück, hat Haderthauer schon früher betont. Andererseits ist auch sein früherer amerikanischer Geschäftspartner Gary Kohs davon ausgegangen, Haderthauer baue selbst: "Ich dachte, der hat drei oder vier Mitarbeiter und einen kleinen Laden und da bauen die die Dinger zusammen", sagte er vergangene Woche im ARD-Magazin Report Mainz.
Affäre um Christine Haderthauer:Viele Fragen, wenig Antworten
Hat ein Häftling, der für die Firma von Ehepaar Haderthauer Modellautos herstellte, im Strafvollzug Vorzüge genossen? Im geplanten Untersuchungsausschuss zur Modellbau-Affäre soll es auch um die Zustände in der Forensik gehen. Tagen soll das Gremium selbst im Falle eines Rücktritts der Staatsministerin.
Doch die Haderthauers waren mit ihrer Firma Sapor Modelltechnik auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette. Sie vertrieben und verkauften die Modelle, die sie billig einkaufen konnten in den Bezirkskliniken Ansbach und Straubing. Die Frage, wo wie viel Geld hängen blieb bei den phantastischen Miniatur-Oldtimer-Geschäften, ist eine der wichtigsten bei der Aufklärung der Modellbauaffäre. Sie dürfte mitentscheiden darüber, ob es Christine Haderthauer gelingt, ihren Kopf zu retten.
Bislang haben die Haderthauers viel Energie darauf verwendet, sich als fast schon draufzahlende Sozialunternehmer zu verkaufen, die Therapie für Straftäter aus, so die Ministerin, "Idealismus" unterstützten. Interne Dokumente, die der SZ vorliegen, vermitteln auch andere Eindrücke.
Schon 1995 war Hubert Haderthauer sichtlich angetan von den hohen Summen, die sein US-Partner Kohs mit den Automodellen erzielte, und bat darum, dessen Endabnehmer direkt zu kontaktieren. "Die Preise von Gary lagen bei FF 93 375,-!!", schrieb Haderthauer an seinen französischen Sapor-Mitgesellschafter Roger Ponton. Das entsprach damals etwa 28 000 Mark.
Auch als Christine Haderthauer im Jahr 1992 Firmenmitgründer Fritz Sager aus der Firma drängt, begründet sie das im entsprechenden Brief vor allem mit dessen mangelnden Geschäftssinn: "Das Dir im Dezember 1991 übergebene Modell (Mercer) wurde von Dir nicht, wie verabredet, an einen Käufer in Hamburg verkauft." 25 000 Mark fehlten so der Firma.
Modellbau-Affäre:Wenn der Wachmann schnarcht
Schlafendes Wachpersonal und ein Patient mit einem Generalschlüssel für die Fenster: Die Modellbau-Affäre um das Ehepaar Haderthauer bringt kuriose Details über die früheren Zustände in der Ansbacher Psychiatrie ans Tageslicht.
Wie stark diese fünfstelligen DM-Summen pro Auto mit den Herstellungskosten kontrastieren, machen gleichzeitig die Unterlagen aus den psychiatrischen Kliniken deutlich. Noch im vergangenen Jahrzehnt listen die Laufzettel in Straubing für jedes von den dort Einsitzenden bei Stundenlöhnen von drei Euro gefertigte Modell Kosten von typischerweise 2400 Euro pro Stück auf. Das Ehepaar Haderthauer, das auch am Dienstag nicht zu sprechen war, verwies schon früher darauf, es müssten auch Kosten für Werkzeuge, Material und Miete hinzugerechnet werden.
Trotzdem beschäftigt immer mehr Politiker die Frage, warum nicht mehr Geld beim Staat selbst hängen blieb, der ja schließlich auch die Ausgaben für den Justizvollzug trägt. Die Landtags-SPD verlangte am Dienstag detailliert Aufschluss darüber, warum sich der Staat nicht selbst an den Gewinnen besser beteiligt hat. Das Sozialministerium, das Haderthauer bis zum Jahr 2013 führte, verweist allerdings darauf, die Kalkulation liege bei den Bezirken. Zuständig sind Mittelfranken (für Ansbach) und Niederbayern (Straubing) - von beiden waren am Dienstag keine weiteren Aufschlüsse zu erhalten.
Christine Haderthauer:Ihre Karriere in Bildern
Als Generalsekretärin hatte sie den Absturz der CSU mit zu verantworten, als Sozialministerin blieb sie frostig. Erst in der Staatskanzlei blühte Christine Haderthauer auf - bis sie über die Modellbau-Affäre stolperte. Eine Karriere in Bildern.
In den Listen aus Straubing tauchen auch Abrechnungen über die Art von Motoren auf, die die Aufmerksamkeit des Octane-Magazins erregten. Drei Simplex-Motorenmodelle und ein Mercedes-SSK-Motor wurden auf einem Laufzettel im Jahr 2005 abgerechnet. Als Lohnkosten sind 950 Euro festgehalten - für alle vier zusammen. Also nur ein Bruchteil der im Magazin genannten 3000 Pfund.