Modellbau-Affäre:Wenn der Wachmann schnarcht

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In der Ansbacher Psychiatrie sind hochwertige Modellautos wie dieses Modell eines Mercer Raceabout (Maßstab 1:8) gebaut worden. (Foto: dpa)

Schlafendes Wachpersonal und ein Patient mit einem Generalschlüssel für die Fenster: Die Modellbau-Affäre um das Ehepaar Haderthauer bringt kuriose Details über die früheren Zustände in der Ansbacher Psychiatrie ans Tageslicht.

Von Dietrich Mittler, München

"Ohne mich geht hier gar nichts", diesen Satz haben auch nach mehr als 20 Jahren noch alle ehemaligen Geschäftspartner von Hubert Haderthauer in den Ohren. Im Kreise dieser Personen war "der Doktor", wie sie ihn heute noch nennen, eine Schlüsselfigur, als es darum ging, im Bezirkskrankenhaus Ansbach hochwertige Modellautos durch psychisch kranke Straftäter herstellen zu lassen. Als zuständiger Arzt lag es anfangs in seiner Hand, ob im Rahmen der Arbeitstherapie Oldtimer-Modelle von Forensik-Patienten gebaut werden oder nicht.

In der Folgezeit verschoben sich dann - zumindest aus der Außensicht - die Machtverhältnisse. Sachverständige des Verbands der bayerischen Bezirke stellten im Juli 1999 fest: Die Firma "Sapor Modelltechnik", welche die hinter Gittern hergestellten Modellautos vertrieb und an wohlhabende Sammler verkaufte, werde "von der Ehefrau eines damaligen Arztes (Dr. Haderthauer)" geführt. Christine Haderthauer, mittlerweile Chefin der bayerischen Staatskanzlei, muss nun um ihre politische Zukunft bangen: Sie steht wie ihr Mann unter Betrugsverdacht. Ein ehemaliger Geschäftspartner fühlt sich durch das Paar um hohe Beträge aus dem Verkauf der Modellautos betrogen.

Unterdessen kommen immer weitere Dokumente an die Öffentlichkeit, die ein bizarres Licht auf die damaligen Zustände im Bezirkskrankenhaus Ansbach werfen. Demnach war die Sicherheitslage dort "problematisch", unterschiedlichste Quellen sprechen von einem "nicht kalkulierbarem Sicherheitsrisiko", von "einer Gefahr für die Öffentlichkeit", von "im höchsten Maße alarmierenden" Mängeln, die aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar sind.

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:"Zu hundert Prozent in ihrer Hand"

Seine Strafanzeige löste die Ermittlungen gegen die bayerische Staatskanzleichefin aus. Nun belastet der französische Unternehmer Roger Ponton Christine Haderthauer schwer: Bei der Firma Sapor-Modelltechnik habe sie die Geschäfte geführt - und nicht ihr Mann.

Von Dietrich Mittler

Da heißt es etwa in einem Brief aus dem Jahr 1995: "In den letzten Monaten häuften sich die Beschwerden von verschiedenen Patienten, dass der Sicherheitsdienst bei der Nachtwache schläft und schnarcht." Der SZ liegt eine Liste vor, in der im Zeitraum von 1985 bis 1998 insgesamt 24 Ausbruchsversuche und Ausbrüche von Ansbacher Forensik-Patienten verzeichnet sind. Weitere Schreiben zeigen auf, dass es bisweilen drunter und drüber ging: "Die Alarmierung der Sicherheitskräfte erfolgte offenbar durch einen psychisch kranken Straftäter", heißt es da.

Es dauerte Jahre, bis die Ursache der Missstände für alle klar ersichtlich war: ein Machtkampf zwischen den in Ansbach tätigen Ärzten und Pflegern. Bei diesem Machtkampf geriet der Modellbau von Anfang zwischen die Fronten. Aus Sicht der Pflegekräfte barg er zahlreiche Risiken: So habe sich etwa ein Patient mit einem Skalpell, das "eindeutig aus dem Modellbaubereich" stamme, die Pulsadern aufschneiden wollen. Auch sei bei jenem Patienten, der maßgeblich den Modellbau am Laufen halte, ein "Generalfensterschlüssel" gefunden worden.

Dieser habe zudem freien Zugang zum Büro der Arbeitstherapeuten gehabt, die Pakete an ihn hätten "auf ärztliche Anordnung" nicht kontrolliert werden dürfen. Und Haderthauer - obwohl längst nicht mehr in Ansbach tätig - könne ihn "jederzeit" besuchen, ohne die sonst üblichen Kontrollen. Haderthauer, so die damaligen Vorwürfe weiter, habe versucht, diesen für Modellbauproduktion so wichtigen Mann "bei Laune" zu halten - etwa durch begleitete Ausgänge, zu denen auch gemeinsame Essen mit den anderen Gesellschaftern von Sapor Modelltechnik gehörten. Eines war auch der 1999 einberufenen Expertenkommission klar: Ohne den hochbegabten psychisch kranken Straftäter Roland S. wären in Ansbach nie solche Meisterwerke entstanden.

Modellauto-Affäre
:Seehofer tadelt Haderthauers Verhalten

Die Vorwürfe "in der Öffentlichkeit zu diskutieren", sei "sicher nicht klug" gewesen, rügt CSU-Chef Horst Seehofer seine Staatskanzleichefin Haderthauer. Eine weitere Zusammenarbeit mit der unter Betrugsverdacht stehenden Politikerin knüpft er an Bedingungen.

Bei den Pflegern sorgte die bevorzugte Stellung von Roland S. für Missstimmung, insbesondere da er ihnen "entwertend-arrogant" begegne. Entsprechend hart waren die Vorwürfe: "Patient S. kam in den Jahren 1992 bis 1995 des öfteren klar ersichtlich alkoholisiert vom Wochenendurlaub zurück. Dabei wurde er von Herrn Si. (Polizist), der ebenfalls unter Alkohol stand, begleitet." Roland S. selbst weist diese Vorwürfe als absurd zurück. Seine Ausgänge hätten dazu gedient, Messen zu besuchen und in Museen alte Autos bis ins Detail zu studieren. Dass ihn jener Polizist, der ihn überführt hatte, zu sich einlud, um im Kreise der Familie Weihnachten zu feiern, räumt Roland S. unumwunden ein. "Da hat der Jäger den Gejagten in sein Haus geholt", sagt er. Nie in seinem Leben habe er "eine solche Aufnahme gefunden".

Einen Vorwurf, der sich in einem Protokoll wiederfindet, lässt Roland S. durch seinen Münchner Strafverteidiger Adam Ahmed zurückweisen. In diesem Protokoll erläuterte ein Arzt, dass "der Patient", also Roland S., "rund fünf Wochen flüchtig war". Ahmed weist das zurück: Schon der Vorwurf, Alkohol getrunken zu haben, sei absurd. "Noch absurder wird es, wenn jemand bewusst wahrheitswidrig behauptet, mein Mandant wäre wochenlang verschwunden gewesen. Beide Behauptungen sind falsch."

© SZ vom 14.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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