Pfusch in Bezirkskliniken:Mittelfrankens Bezirkstagspräsident unter Druck

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Schon vor Jahren wandten sich Mitarbeiter der Bezirkskliniken an Politiker. (Foto: dpa)
  • In den Bezirkskliniken Mittelfrankens soll es nach einem Bericht von externen Sonderprüfen Pfusch in vielen Belangen gegeben haben.
  • Schon vor Jahren haben sich Angestellte in anonymen Briefen an Politiker des Bezirkstags gewandt.
  • Bezirkstagspräsident und Verwaltungsratschef Richard Bartsch gibt an, nichts gewusst zu haben. Er will erneut kandidieren.

Von Uwe Ritzer und Olaf Przybilla, Ansbach

Die ersten anonymen Briefe kursierten bereits vor fünf Jahren und mit der Zeit wurden sie ausführlicher, vor allem aber konkreter und sachlicher. Wie jener vom April 2016; sieben eng beschriebene Seiten, leicht erkennbar von Insidern geschrieben, voller Zahlen, Namen und Daten. Adressaten waren Mitglieder des mittelfränkischen Bezirkstages. "Wir schreiben anonym, weil bisher alle, die Kritik geäußert haben, gehen mussten", teilten die Verfasser mit und outeten sich als einige der insgesamt 3000 Mitarbeiter der Bezirkskliniken Mittelfranken. "Wir schreiben Ihnen, damit Sie einmal nicht sagen müssen, ,davon wussten wir ja nichts'".

Exakt das versuchen seit Montag mittelfränkische Bezirkspolitiker, kurz vor der Wahl. Allen voran Bezirkstagspräsident Richard Bartsch. Doch, von "der Menge" der Anwürfe sei er schon "überrascht", sagte der CSU-Politiker in einer Sitzungspause des Bezirkstags. Er müsse nun erst mal lesen, was die externen Sonderprüfer zweier Anwaltskanzleien und einer Spezialfirma herausgefunden haben über die Zustände bei den Kliniken, deren Verwaltungsratschef Bartsch ist. Für den Bericht dürfte sich auch die Staatsanwaltschaft interessieren. "Wir prüfen die Einleitung von Ermittlungen", sagt die Nürnberger Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke.

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Man könnte den Sonderbericht so zusammenfassen: eine Ohrfeige nach der anderen, verteilt auf 71 Seiten. Die ersten Schläge treffen schon mit der Einleitung, in der die Prüfer massive Behinderungen ihrer Arbeit beklagen. "Unterlagen in mehr als unerheblichem Umfang" seien ihnen erst auf Druck überlassen worden. Andere Dokumente überhaupt nicht. Was den Baubereich und die Auftragsvergaben der Klinikfirma angehe, sei es "überwiegend wahrscheinlich", dass ihnen nicht alle zur Beurteilung relevanten Papiere "zugänglich gemacht wurden". Von "erheblichen Dokumentationslücken" ist die Rede.

So geht's munter weiter. Bei den größten Bauprojekten der Bezirkskliniken, Neubauten in Fürth und Erlangen sowie einem IT-Gebäude in Ansbach, konstatieren die Prüfer planerischen und kalkulatorischen Pfusch. Offenbar überall fehlen Dokumente, pikanterweise auch solche über Auftragsvergaben. Auffallend ist, dass wiederholt Aufträge an dieselben Firmen gingen. Alle drei Projekte liegen weit hinterm Zeitplan zurück, sie werden deutlich teurer, um etliche Millionen Euro. Auch droht die Rückzahlung staatlicher Fördermittel.

Genehmigungen wurden zum Teil nicht oder erst viel zu spät eingeholt. In Ansbach wurde einfach mit dem Bau begonnen, "obwohl keine freigegebene Entwurfs- und Ausführungsplanung, keine Baugenehmigung und keine denkmalschutzrechtliche Genehmigung vorlag". In Fürth wurde poröser Baugrund erst 2018 anstatt schon zwei Jahre zuvor untersucht, was Klinikvorstand Helmut Nawratil und Bartsch aber nicht an einer Grundsteinlegungs-Show im Juni 2016 hinderte. Danach tat sich auf der Baustelle nichts mehr.

Von alledem könnten die Verantwortlichen längst wissen, hätten sie sich nicht auf Nawratils Beschwichtigungen verlassen, sondern die anonymen Anschuldigungen wirklich überprüft. Oder wenigstens den Bericht gelesen, den ein kurz zuvor eingestellter Fachbereichsleiter Bau am 27. Januar 2017 über das von ihm übernommene Chaos verfasst hatte. Das gefiel Nawratil nicht. Der Mann flog wenig später raus; "aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht gerechtfertigt", wie die Prüfer nun konstatieren. Entsprechend hoch fiel die Abfindung aus.

Besonders ominös ging es aus Sicht der Prüfer bei Auftragsvergaben zu, egal ob im Baubereich, bei Dienstleistern, Leasingautos oder bei Mandaten für Berater und Anwälte. Addiert man die Summen, wurden Millionenaufträge häufig ohne Ausschreibungen oder irgendeinen Wettbewerb vergeben. In einem Fall stießen die Prüfer sogar auf Verbindungen zwischen Nawratil und einer Firma und merken an, der Vorstand habe dazu eine "unzutreffende Erklärung" abgegeben. Von Nawratil gibt es zu dem Vorwurf keine Stellungnahme, er ist seit Wochen krankgeschrieben.

"Ein nicht zu billigendes Fehlverhalten des Vorstandes"

Den Prüfern zufolge hat er den Verwaltungsrat bei der Kündigung des früheren Chefarztes Detlef Kohl hintergangen. Kohl hatte Nawratil in Zusammenhang mit der angeblichen Unwirtschaftlichkeit seiner Abteilung der Lüge bezichtigt, sich dafür aber schriftlich entschuldigt. Was der Vorstand unterschlug, als er den Verwaltungsrat um Zustimmung zu Kohls Rauswurf bat. "Ein nicht zu billigendes Fehlverhalten des Vorstandes", attestieren die Prüfer.

Bleibt die Frage, wie es weitergeht. Der Verwaltungsrat will nächste Woche das Gutachten debattieren. Eine Kündigung Nawratils halten Insider für wahrscheinlich; als erste forderten Klaus Hiemeyer und Daniel Arnold (Grüne) seinen Rauswurf, die SPD schloss sich an. Nawratil drohen, neben staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, Regressforderungen. Nur einer bleibt unbekümmert: Richard Bartsch.

Am Montag eröffnete er die Sitzung des Bezirksausschusses mit Scherzchen, als ob nichts wäre. Wer ihn fragt, ob er als Verwaltungsratschef nicht mindestens mitverantwortlich sei für das Debakel, dem antwortet Bartsch: In der Verantwortung stehe der gesamte Verwaltungsrat. Auch habe man sich auf Wirtschaftsprüfer verlassen müssen. Haben die kontrolliert? "Ob sie kontrolliert haben, das weiß ich nicht", sie hätten jedenfalls nichts beanstandet. Und sein Rücktritt? Der Linken-Bezirksrat Uwe Schildbach hat ihn bereits gefordert. Er werde selbstverständlich bei der Bezirkstagswahl antreten, sagt Bartsch, und wieder als Präsident zur Verfügung stehen.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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