Landwirtschaft:Bayern will 40 Millionen in die Pferdezucht investieren

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Pferde vom Landesgestüt Schwaiganger (Foto: Lize Hofmeyr)

Ein Gestüt bei Ohlstadt soll für viel Geld umgebaut werden - obwohl es gegen die Zuchtfabriken in Norddeutschland keine Chance hat.

Von Eva-Elisabeth Fischer, Schwaiganger

Seit mehr als 1000 Jahren schon werden in Schwaiganger nahe Ohlstadt Pferde gezüchtet. Süddeutsches Kaltblut, Haflinger, Bayerisches Warmblut - sie alle sind hier zu Hause. Seit die gemütlichen Dicken als Zug-und Lasttiere abgehalftert sind und das schwere Warmblut im Militär ausgedient hat, dienen Landes-Gestüte zur Erhaltung alter Rassen.

Schwaiganger ist eine der drei letzten Anlagen dieser Art in Deutschland und damit selbst schon erhaltenswertes Kulturgut. In Schwaiganger züchtet man Pferde noch mit eigener Stutenherde und eigenen Zuchthengsten und bildet die nun leichte Warmblut-Nachzucht so weit aus, dass sie sowohl für Sport-, aber auch für Freizeitreiter interessant sind.

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Nun sollen Millionen in den Ausbau des Gestüts gesteckt werden. "Wir wollen kräftig investieren", kündigt Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner an. Er nennt die Summe von 40 Millionen Euro, die der Freistaat peu à peu bereitstellen will mit Hilfe des Bundes. Mit dem Geld soll das Gestüt als beispielhaftes Zentrum für Zucht und Ausbildung des Pferdes und in Berufen rund ums Pferd ausgebaut werden. 15 Millionen Euro davon seien bis 2019 gesichert, dafür habe er bereits die Weichen gestellt, sagt Brunner.

Das Konzept, das der Staatsregierung so viel Geld wert ist, stammt von Eberhard von Senckenberg. Der Landstallmeister ist seit 1994 in Schwaiganger und hat dem Minister unter dem sperrigen Rubrum zum "Aufbau eines internationalen Kompetenzzentrums für Hippologie" dargelegt, wie Schwaiganger nicht nur überleben, sondern in neuem Glanz erstrahlen könnte. Er will die Zeit bis zu seiner Pensionierung 2018 für ein Revirement des staatlichen Zucht- und Ausbildungsstalls nutzen.

"Wir betreiben jetzt zu zwei Dritteln Zucht und zu einem Drittel Ausbildung. Das soll künftig umgekehrt sein", sagt er. Ausgebildet werden weiterhin Pferde in den reiterlichen Disziplinen und im Fahren. Verstärkt werden soll die Ausbildung von Pferdewirten - zurzeit sind es nur sieben -, egal ob mit Schwerpunkt Zucht und Haltung oder Reiten. Außerdem soll es Seminare für Freizeitreiter geben und Präsentationen, in denen die Reitkunst im Zusammenspiel mit anderen Künsten für sich wirbt.

Zuchtmethoden aus dem Labor

Der Bestand von aktuell 290 Pferden wird auf 200 Pferde reduziert. Das betrifft speziell das Bayerische Warmblut, denn wie man in Schwaiganger züchtet, ist angesichts der Übermacht höchst effektiver Warmblut-Zuchtfabriken im Norden Deutschlands ein Anachronismus. Senckenberg hat eingesehen: "Die Konkurrenz ist sinnlos." Allein der frühere Springreiter Paul Schockemöhle hat 5000 Pferde und heuer 1400 Fohlen, produziert in der eigenen Deckstation nach Zuchtmethoden aus dem Labor. Natursprung ist out, künstliche Besamung via Phantom und Spritze in. Der tiefgefrorene Samen kommt weltweit zum Einsatz. Masse bringt in diesem Fall auch Klasse.

Brunner hat Senckenbergs Konzept studiert und bei einem Besuch in Schwaiganger beschieden, dass es in allernächster Zeit zu realisieren sei. "Die Voraussetzungen sind ideal", sagt Brunner, zumal wegen der direkt angebundenen landwirtschaftlichen Flächen. Zunächst müsse aber mit dem Amt für Denkmalschutz geklärt werden, welche Gebäude schützenswert und wo Neubauten vonnöten sind. Die Stallungen sind marode und nicht mehr auf dem neuesten Stand artgerechter Pferdehaltung. Eine zusätzliche Reithalle muss in jedem Fall gebaut werden, wenn in Zukunft der Schwerpunkt auf der Aus-und Fortbildung von Profis und Laien liegen soll.

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Der Freistaat müsse außerdem den Ankauf von gut ausgebildeten Lehrpferden finanzieren, sagt Senckenberg. Denn die gestütseigenen jungen Pferde müssen ja selbst erst noch lernen. Auch müsse die Ausbildung von Pferdewirten mit Schwerpunkt Reiten verbessert und dazu von Riem nach Schwaiganger verlegt werden. In der Reitakademie, deren Vertrag auf der Olympiareitanlage gerade um 30 Jahre verlängert wurde, habe man nichts dagegen, sagt der Minister.

Senckenberg, ein Pferdemann alter Schule, reagiert auf die Zeichen der Zeit und prescht gleichzeitig vor. Er, der auch bei internationalen Turnieren richtet, weiß wovon er spricht, wenn er der Sportreiterei Vorbildfunktion abspricht: Tierschutzwidrige Ausbildungsmethoden, Doping und Verletzungen bei den Wettbewerben haben den frühen Verschleiß der Sportpferde zur Folge. Und nicht nur die Richter haben falsche Bilder im Kopf. In der Sportreiterei, die für sich in Anspruch nimmt, nach den Regeln der klassischen Reiterei auszubilden, geht es vorrangig ums Geld und schnelle Erfolge.

Senckenbergs Konzept liest sich insofern revolutionär, als es sowohl Wandel als auch Umkehr bedeutet. Denn der Gestütsleiter plädiert für die "Rückbesinnung auf alte Werte, die klassische Reitkunst der alten Meister". Im Gegensatz zur gängigen Praxis geht die klassische Reitlehre wesentlich langsamer und schonender vonstatten und legt den Schwerpunkt auf die Gesunderhaltung des Pferdes bis ins hohe Alter.

Reiter und Pferd bilden eine Einheit

Und da kommt Anja Beran ins Spiel, die nicht nur klassische Ausbilderin ist, sondern 2009 eine Stiftung zur Pflege und Verbreitung der klassischen Reitkunst gegründet hat. Beran ist Teil von Senckenbergs Plan. Aus Schwaiganger hat sie derzeit zwei Dreijährige in Ausbildung auf ihrem Hof im Allgäu. In Schwaiganger unterrichtet sie zwei Reitschüler. Einer von ihnen, Andreas Kölbl, sitzt gerade auf Bonavista, einem fünfjährigen Wallach. Der Reiter und sein Pferd bilden geradezu eine Einheit: Beide sind in Ausbildung und haben sichtlich Freude an dem, was sie tun. Beide sind von Natur aus wortkarg und haben überlange Beine. Was Kölbl in der Dressurreiterei zum Vorteil gereicht, erschwert Bonavista die Koordination.

Nach genauer Problemanalyse - bei dem Wallach ist es das schwache rechte Hinterbein - sucht die Reitmeisterin in individuellen Übungen, Pferd und Reiter in Balance zu bringen. Senckenberg beobachtet das mit Wohlgefallen. Er will die Prinzipien der klassischen Reitkunst mit der Sportreiterei und dem Breitensport in Einklang bringen: an der Basis, in einer nichtkommerziellen Einrichtung unter dem Dach des Freistaats - ähnlich den einstigen Hofreitschulen in intensiver Zusammenarbeit mit Meistern der klassischen Reitkunst.

Eberhard von Senckenberg also strebt eine praktische und ethische Neuorientierung zum Wohle des Pferdes an. Landwirtschaftsminister Brunner nennt eher pragmatische Ziele: Diejenigen, die einen Beruf rund ums Pferd erlernen wollen, sollten hierzulande auch Angebote finden.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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