Haushaltsdebatte:Solide? Unverantwortlich? Bayerns 124-Milliarden-Etat führt zu Streit

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Albert Füracker verteidigt den ersten Haushalt in seiner Verantwortung als Finanzminister. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Im Landtag präsentiert Bayerns Finanzminister Albert Füracker seinen Haushaltsplan als "Rekordhaushalt in jeder Hinsicht".
  • Auf 124,7 Milliarden Euro soll das Volumen anwachsen, ein Anstieg um 4,5 Prozent statt der früher als Ziel ausgerufenen drei Prozent. Möglich ist das durch einen Griff in die Rücklagen.
  • Die Opposition kritisiert den Haushalt und die einzelnen Projekte.

Von Wolfgang Wittl, München

Der Auftakt zum ersten großen Schlagabtausch in dieser Legislatur kommt ziemlich sperrig daher. Unter dem Tagesordnungspunkt 1b ruft Landtagspräsidentin Ilse Aigner die "erste Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaates Bayern für die Haushaltsjahre 2019 und 2020" auf. Haushalt - das sind viele Zahlen und Prozente. Mehr noch beantwortet der Haushalt aber die Frage, welche Schwerpunkte eine Regierung setzt. Die Diskussion darüber zählt traditionell zu den härtesten Auseinandersetzungen zwischen Staatsregierung und Opposition. So ist es auch an diesem Mittwoch im Landtag, würde die Debatte nicht wieder von einem inzwischen erwartbaren Eklat durch die AfD überlagert.

Als erster Redner tritt Finanzminister Albert Füracker (CSU) ans Rednerpult. Die Kerndaten des Doppelhaushalts 2019/20 sind seit der Kabinettsklausur im Januar bekannt. Auf 124,7 Milliarden Euro wächst das Volumen an, ein Anstieg um 4,5 Prozent statt der früher als Ziel ausgerufenen drei Prozent. Würde nicht im kommenden Jahr der Länderfinanzausgleich mit fast sieben Milliarden Euro aus der Statistik fallen, wäre der Zuwachs sogar noch höher. Möglich sind die höheren Ausgaben durch einen Griff in die Rücklagen, sie schmelzen von 5,8 auf 2,2 Milliarden Euro. Vor Monaten hatten die Freien Wähler der CSU noch einen "Wahlkampfhaushalt" vorgeworfen. Dass er jetzt so stark anwächst, liegt auch an den Wahlversprechen der Freien Wähler. Als Koalitionspartner setzten sie die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung und einen Kostenzuschuss für Kitas durch - mit Hunderten Millionen Euro.

Bayerischer Haushalt
:Teure Wahlversprechen

Die Koalition aus CSU und Freien Wählern stellt einen Haushalt ohne neue Schulden vor, greift allerdings tief in die Rücklagen. Von der Opposition kommt Kritik.

Von Wolfgang Wittl

Füracker verteidigt das Zahlenwerk - das erste unter seiner Verantwortung als Finanzminister - als "Rekordhaushalt in jeder Hinsicht". In schwierigen Zeiten sei Bayern "ein stabiler Anker" in Europa. Solidität und Investitionen, das sind die Schlüsselwörter in Fürackers Rede. Nur wenn die Wirtschaft stark bleibe, könne der Staat soziale Leistungen erbringen. Füracker zählt auf: Zum 15. Mal komme der allgemeine Haushalt ohne Schulden aus, eine Milliarde Euro werden in den kommenden beiden Jahren getilgt, Tausende neue Stellen geschaffen und gleichzeitig wird investiert wie noch nie: 17 Milliarden Euro stehen zur Verfügung, damit mache man Standortpolitik für das ganze Land, nicht nur für Ballungsräume. Die Kommunen bekämen mehr Geld als je zuvor, auch bei Digitalisierung, Wohnungsbau, Klimaschutz, Sicherheit, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und Bildung sei Bayern "spitze". Und nur weil Bayern so erfolgreich wirtschafte, könne es sich mit dem Familien- und Pflegegeld hohe Sozialausgaben leisten.

Bernhard Pohl, der die CSU vor Monaten noch harsch kritisiert hatte, lobt den Finanzminister ausgiebig - und seine nun regierenden Freien Wähler gleich mit. "Wir sind das Land der Investitionen und wollen es auch bleiben." Immer wieder wird die Opposition der Regierung in der dreistündigen Debatte teure Wahlversprechen und eine Politik mit der Gießkanne vorwerfen. Gießkanne? "Wir fördern das, was wir für richtig halten", sagt Pohl.

Kritik aus der Opposition

Die Haushaltssprecherin der Grünen, Claudia Köhler, hält vieles für falsch. "Man darf Ihnen eigentlich kein Geld anvertrauen", ruft sie der Regierung zu. Denn die bediene sich "aus öffentlichem Geld, weil Ihre Rechnung nicht aufgegangen ist". Gemeint ist das Anzapfen der Rücklagen. Zu viele Schnellschüsse, zu wenig Nachhaltigkeit, wirft Köhler der Regierung vor. Das Landespflegegeld sei doch nur "ein paar Scheine für Bedürftige", ruft sie. Da kann sich Markus Söder nicht mehr zurückhalten. "Ein Schmarrn", grummelt der Ministerpräsident, "menschenverachtend".

Auch SPD und FDP kritisieren den Entwurf der Regierung, wenn auch von unterschiedlichen Seiten. Ein Haushalt sei kein Selbstzweck, sondern habe die Aufgabe, in die Zukunft der Menschen zu investieren, sagt Harald Güller. Er fordert soziale und ökologische Schwerpunkte. Hundert Änderungsanträge will Güllers SPD-Fraktion in den anstehenden Beratungen einbringen. 26 Milliarden Euro Schulden habe der Freistaat? Wie die Regierung ihr Ziel vom schuldenfreien Bayern bis 2030 erreichen wolle, fragt Güller. Als "unverantwortlich" gegenüber folgenden Generationen bezeichnet Helmut Kaltenhauser (FDP) den Entwurf. Das Sparbuch werde geplündert - und das in wirtschaftlich guten Zeiten.

Der AfD-Abgeordnete Ferdinand Mang geißelt die "Selbstbedienungsmentalität" der Fraktionen, die eine Erhöhung der Zuschüsse beschlossen haben. Dass seiner Fraktion gleichzeitig der Zugang zu den Institutionen verweigert werde, bezeichnet er als "Wegmarken des Faschismus". Der Aufforderung des Landtagsvizepräsidenten Thomas Gehring (Grüne), sich von diesen Worten zu distanzieren, kommt Mang nicht nach und bekommt dafür eine Rüge. "Das ist ein Ritterschlag", tönt es aus den Reihen der AfD.

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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