Beisetzung von Blasius Thätter:"Blasi war ein politischer Glücksfall"

Lesezeit: 4 min

Blasius Thätters letzte Ruhestätte befindet sich im Familiengrab in Großberghofen. (Foto: Toni Heigl)

Mehr als 250 Trauergäste verabschieden sich am Samstag von Blasius Thätter. Der einstige Sonderschullehrer und Landtagsabgeordnete war menschlich für viele ein Vorbild.

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Es ist ein tröstlicher Abschied von Blasius Thätter. Mehr als 250 Menschen sind am Samstag in dessen Heimat Großberghofen im Landkreis Dachau gekommen, um den ehemaligen Unternehmer, Lehrer und Politiker posthum zu ehren. In der Kirche St. Georg, in der Thätter schon als Bub Ministrant war, spielt der Organist auf dem Klavier eine Jazz-Version von "Over the Rainbow ". Thätter hatte schon als junger Mann leidenschaftlich New-Orleans-Jazz-Platten gehört und gesammelt - es war genau seine Musik.

Neben dem Altar steht ein Porträt, das Blasius Thätter so zeigt, wie er den meisten wohl in Erinnerung bleiben wird: mit roten Wangen und einem sanften Lächeln. Die Leute sollen an diesem Vormittag nicht nur Thätters Tod betrauern, sondern auch heiter auf dessen erfülltes Leben zurückschauen. Deshalb auch der Jazz.

Blasius Thätter, den seine Weggefährten liebevoll "Blasi" nannten und nennen, war in der Nacht zum 23. Juni 2023 gestorben, er wurde 87 Jahre alt. Als nach einem erneuten Krankenhausaufenthalt keine Hoffnung mehr bestand, hatte ihn seine Familie nach Hause geholt. Thätter starb in dem Haus, in dem er 1936 in Großberghofen geboren wurde. Seine Ehefrau Christl, seine zwei Kinder und zwei seiner vier Enkelkinder waren die letzten Stunden bei ihm.

Thätter setzte sich für benachteiligte Kinder ein

Für die Familie Thätter ist es der zweite Todesfall binnen zwölf Monaten. Genau ein Jahr vor der Bestattung war ihr Sohn Blasius junior plötzlich an einem Aneurysma gestorben. Er wurde nur 55 Jahre alt. Am Beginn der Trauerfeier zündet Pfarrer Josef Mayer vom Petersberg eine Erinnerungskerze für ihn an. "Die beiden werden jetzt von oben auf sie herabschauen", sagt der Pfarrer.

Die Gemeinde Erdweg verliert mit Blasius Thätter eine bedeutende Persönlichkeit: Er hatte nach dem Abitur am humanistischen Maxgymnasium in München Altphilologie, Germanistik und Lehramt an Volksschulen studiert, später kam noch ein Studium der Sonderpädagogoik hinzu. Nach dem unerwarteten Tod seines Vaters gab er den Lehrerberuf auf und führte fast 20 Jahre das eigene Bauunternehmen als Zimmerer- und Betonbaumeister. Von 1972 an saß Thätter 36 Jahre lang im Erdweger Gemeinderat und 18 Jahre im Dachauer Kreistag. Zwischen 1994 und 2008 war er durchgehend Mitglied im Bayerischen Landtag für die CSU. Da er lange auch Sonderschullehrer war, widmete er sich im Landtag vor allem Bildungsthemen, sein Hauptanliegen war die Integration von geistig, körperlich und sprachbehinderten Kindern. Thätters Leistungen wurden honoriert. Im Jahr 2005 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden und zwei Jahre später die Bayerische Verfassungsmedaille in Silber.

Rund 250 Menschen sind am Samstag gekommen, um sich von Thätter zu verabschieden. (Foto: Toni Heigl)
Nachdem Ehefrau Christl Thätter erst vor einem Jahr ihren Sohn zu Graben tragen musste, muss sie nun auch von ihrem geliebten Ehemann Abschied nehmen. (Foto: Toni Heigl)

Viele seiner politischen Weggefährten nehmen am Samstag persönlich Abschied: die ehemalige Bundestagsabgeordnete Gerda Hasselfeldt, der frühere Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel, der amtierende Landrat Stefan Löwl und zahlreiche Altbürgermeister, die meisten sind Parteifreunde Thätters gewesen. Die CSU, sie war Thätters politische Heimat - was nicht heißt, dass er nicht über Parteigrenzen hinwegsehen konnte. In der CSU galt Thätter immer als liberal. Er arbeitete in der Bildungspolitik eng mit Grünen und SPD zusammen. "Zu dieser Zeit war dies noch unüblich. Ich war immer schon einer, der sich seine eigenen Gedanken gemacht hat", sagte Thätter einmal.

"Er war ein Anwalt für die Schwächeren"

Sein Nachfolger im Landtag, Bernhard Seidenath (CSU), hält in der Kirche St. Georg eine emotionale Rede, in der er Thätter als "wunderbaren Menschen" und "echten Freund" bezeichnet. Thätter sei den Leuten stets zugewandt gewesen, ein hervorragender Zuhörer, bescheiden und unprätentiös. "Er hat nie sich selbst, sondern stets die Sache in den Mittelpunkt gestellt", sagt Seidenath. Speziell für Schüler mit Förderbedarf habe er unnachahmlich gelebt und gestritten. "Er war ein Anwalt für die Schwächeren."

Mit dem Dachauer Altlandrat Hansjörg Christmann spricht ein enger Freund von Thätter. Christmann hatte ihn bis zuletzt im Krankenhaus besucht und zum Dachauer CSU-Stammtisch geholt, wenn die Gesundheit es zuließ. Im Kreistag hatten beide eng zusammengearbeitet. Ohne Thätters Unterstützung, sagt Christmann, würde es die Dachauer Sonderschule in der heutigen Form nicht geben. Anfang der Neunziger habe sich Thätter zudem "unerschrocken" für Flüchtlinge aus Jugoslawien eingesetzt, obwohl er sich dafür anfeinden lassen musste. "Blasi war ein politischer Glücksfall", sagt Christmann. "Sein Humor, sein Witz, sein Sachverstand und sein ausgleichendes Wesen werden uns fehlen."

Geprägt hat Thätter auch seine Heimatgemeinde, betont der Erdweger Bürgermeister Christian Blatt, der neben dem Thätter-Anwesen aufwuchs. Als Gemeinderat habe Thätter durch sein diplomatisches Geschick maßgeblich dafür gesorgt, dass die Kommune das Grundstück für die moderne Dreifachturnhalle erwerben konnte. Später fädelte Thätter außerdem den Kauf des historischen Wirtshaus am Erdweg ein, das später aufwendig renoviert wurde und heute ein Anziehungspunkt ist. "Unsere Gemeinde hat ihm viel zu verdanken", sagt Christian Blatt. Für ihn selbst war Thätter nicht bloß ein guter Nachbar, sondern auch ein politischer Mentor. Im Sommer 2022 ernannte Blatt ihn zum Ehrenbürger der Gemeinde.

Thätter auch Fußballer und Heimatforscher

Doch Politik war längst nicht alles. Thätter war Mitglied und Förderer vieler Vereine. Er galt bei der Spielvereinigung Erdweg als glänzender Fußballer und spielte Theater. Später wurde er ein passionierter Heimatforscher und Erzähler. Seine Geschichten handelten meist von seiner Jugend in Großberghofen, über das er zwei Büchlein geschrieben hat. Oft erzählte er seine Anekdoten am Stammtisch oder im Hutter-Heimatmuseum, das Thätter mitbegründet hat. Er schilderte dann mit hochgezogenen Brauen, wie seine Mutter aus alten Naziflaggen Unterhosen für die Kinder schneiderte oder wie die Amerikaner 1945 mit ihren Panzern in Großberghofen einfuhren und ein amerikanischer Soldat ein Stück Käse abbiss, um es seiner Schwester Else zuzuwerfen. "Ich kann mich bis heute an den Zahnabdruck erinnern", sagte er dann. Thätter erzählte und die Leute hörten ihm zu.

Seine Urne wurde am Samstag im Familiengrab der Thätters beigesetzt, direkt neben seinem Sohn Blasius. Ein Trio spielte den Jazz-Hit "When The Saints Go Marching In". Dem Blasi, wie ihn alle kannten, hätte das sicher gefallen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: