Kriminalität:Der größte Rauschgiftfall in der Geschichte des LKA

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Die Ermittler haben Cannabis im Wert von mindestens 50 Millionen Euro gefunden. (Foto: dpa)
  • Ein internationales Netzwerk von Ermittlern aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Österreich kam einem Drogenhändlernetzwerk auf die Schliche.
  • Das Ergebnis: 23 Festnahmen, Bargeld, 20 Kilo Silber und 5,3 Tonnen Cannabis.
  • 2014 wurde das bayerische Landeskriminalamt erstmals auf das Netzwerk aufmerksam als ein Wiener Drogenhändler 120 000 Euro in die Oberpfalz brachte.

Von Johann Osel, München

Neben der Tür zum Konferenzraum im Landeskriminalamt sind ausgelegt: riesige Beutel mit getrockneten Marihuanablüten, Stapel gepresster dunkler Haschischplatten, teils zugepackt mit Klebeband. "Spurenträger. Nicht berühren" warnt ein Schild. Kurz riechen darf man. Das LKA hat am Freitag mit einigem Stolz über den größten Rauschgiftfall seiner Geschichte informiert. Die Drogen sind nur eine Art Kostprobe, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was Ermittlern aus fünf Ländern ins Netz ging: mehr als fünf Tonnen Cannabis und ein europaweit agierendes Drogenhändler- und Schmugglernetzwerk. Dessen mutmaßlicher Drahtzieher ist ein 61-jähriger deutscher Schreinermeister, der in Spanien lebt. Möglich wurde der Schlag durch eine ungewöhnlich intensive internationale Zusammenarbeit der Behörden - unter bayerischer Ägide.

Ein Hinweis 2014 hatte alles ins Rollen gebracht, noch unabhängig von "El Maestro", dem Meister, wie die Ermittlungen um den Schreiner später genannt wurden. Damals wurden LKA und Zollfahnder darauf aufmerksam, dass ein bekannter Wiener Drogenhändler 120 000 Euro nach Neumarkt in die Oberpfalz brachte, zu einem Unternehmer, der mit Quad-Fahrzeugen handelt. "Ein bisher völlig unbeschriebenes Blatt", sagt Kriminaldirektor Jörg Beyser. Einige Monate später aber brachte der Oberpfälzer 80 Kilo Hasch nach Wien; in einem Quad-Anhänger mit doppeltem Boden. Es folgten Festnahmen.

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Beim Wiener, Capo der Ultra-Fußballfans "Alte Garde" von Rapid Wien, wurde auch ein Maschinengewehr gefunden. In Vernehmungen packte er aus: Über den "Schreinermeister", ohne Namensnennung, und dessen Technik, Drogen "spürhundsicher" mit Wachs und Kohlepapier zu präparieren und in Holzplatten zu verstecken. Der Boss des Ganzen? Ein Schreinermeister hatte bereits 2011 und dann 2015 Verdacht an anderer Stelle erregt: Bei Zollkontrollen fand man bei ihm verstecktes Geld, insgesamt 360 000 Euro, auf das er nie mehr Anspruch erhob.

Puzzleteil um Puzzleteil kam zusammen, Treffen von Verdächtigen, eine Fahrt nach Bologna mit einem Mafioso, Drogentransporte nach bekannter Masche. Schon hier gab es Austausch in Europa. Ende 2015 initiierte das LKA die Ermittlergruppe aus Polizei, Staatsanwaltschaft und Zoll, mit Deutschland, Spanien und Frankreich als Kern - ohne Rechtshilfeersuchen konnte man im Ausland agieren. Italien und Österreich kooperierten zusätzlich. Immer neue Teile und Handelsschienen des Drogennetzes wurden publik, laut Beyser ein "krakenartiges" Konstrukt.

Ein Mann aus Oberhausen übernahm die Rolle des Wieners. Über diesen gelangten die Ermittler zu zwei Spaniern, die mit Schnellbooten das Cannabis von Marokko nach Andalusien bringen ließen. Abgefangene Lieferungen, Durchsuchungen und Festnahmen europaweit: Vor gut drei Monaten klickten dann beim Schreiner die Handschellen, ebenso bei zwei Angehörigen der italienischen Mafia. Bilanz: 23 Festnahmen, Geld, 20 Kilo Silber - und eben 5,3 Tonnen Cannabis. Straßenhandelswert 50 Millionen Euro, mindestens.

Es sind Kriminelle im gesetzten Alter, "die kennen sich teils seit Jahrzehnten", so Beyser. Und sie haben womöglich Jahrzehnte gehandelt, in vielleicht hoher zweistelliger oder dreistelliger Tonnenzahl. Nachweise sind da schwieriger. Was man weiß: Der Schreiner war mit 16 Jahren erstmals mit Drogendeals aufgefallen, verbüßte eine Jugendstrafe. Man habe es "selten mit so einem polizeierfahrenen, intellektuellen Täter" zu tun gehabt, sagte Beyser. Der 61-Jährige wird wegen Geldwäsche und Drogenhandel in mafiöser Struktur angeklagt, er sitzt derzeit in Italien in Haft.

LKA-Chef Robert Heimbeger lobte das "zahnradartige Ineinandergreifen" der vielen Behörden. Innenminister Joachim Herrmann ergänzte in einer Mitteilung: "Damit haben wir dem Markt eine enorme Menge an gefährlichem Rauschgift entzogen." Auch bei sogenannten weichen Drogen, die oft Einstieg in den Drogensumpf sein können, greife man hart durch. Michael Uhl, Chemie-Experte im LKA, warnte davor, die Wirkung von Cannabis zu unterschätzen, sprach von Schäden wie Psychosen - auch wegen der Steigerung der Qualität. So habe Gras vor Jahrzehnten einen THC-Gehalt von ein bis vier Prozent gehabt, heutiges Marihuana habe im Schnitt zwölf, Spitzenware bis zu 30 Prozent. Ein Biervergleich: Was früher eine Radlermaß gewesen sei, wirke heute wie Starkbier.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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