Abschied nach fast 30 Jahren:Laut nach innen, loyal nach außen

Lesezeit: 3 min

Thomas Kreuzer war seit 2013 Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag und gehörte seit 1994 dem Parlament an. Nun ist er nicht mehr angetreten. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Thomas Kreuzer war zwölf Jahre lang einer der mächtigsten Männer in der CSU. Als Fraktionschef stand er immer treu an Söders Seite. Nicht alle begrüßten diese Interpretation seines Amtes. Nun hört er als Parlamentarier auf.

Von Andreas Glas

Diese Stimme. Man muss viele Zigaretten rauchen, um irgendwann so zu klingen. Die Stimme gehörte mal einem Staatssekretär, einem Staatskanzleichef, zuletzt dem Chef der CSU-Landtagsfraktion. Fast drei Dekaden lang war Thomas Kreuzer Mitglied des Landtags, in den vergangenen zwölf Jahren gehörte er zu den mächtigsten Männern in der CSU. Aber würde man eine Straßenumfrage machen, den Leuten seine Stimme vorspielen, wie viele würden sie erkennen?

Kreuzer, 64, ist das, was man einen Parteisoldaten nennt. In der Öffentlichkeit gar nicht so bekannt, in der Politikblase gefürchtet. Die Grünen tauften ihn "Panzerkreuzer", in seiner Fraktion nannte ihn mal jemand "Holzhammer". Aber einer, "der in erster Linie darauf achtet, dass er selbst in der Zeitung steht", das sei er nie gewesen, sagt Kreuzer. Nach innen konnte er laut sein, manche sagen: cholerisch. Nach außen? War er hyperloyal. Wenn die Öffentlichkeit mitkriege, dass "zwischen dem Fraktionsvorsitzenden und dem Ministerpräsidenten die Fetzen fliegen, hast du einen extremen politischen Schaden", sagt Kreuzer. Deshalb sei der Einfluss als CSU-Fraktionschef "nach außen nicht so offensichtlich".

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Wenn am Sonntag gewählt wird, geht Kreuzers politische Karriere ganz offiziell zu Ende. In Kempten, seinem Stimmkreis, sei er "bedrängt worden, noch einmal anzutreten" als CSU-Direktkandidat. Aber mit Mitte sechzig, nach 29 Jahren in der Landespolitik, das sei einfach "ein guter Zeitpunkt, auch mal zu wechseln", sagt Kreuzer. Wie sehr sie ihn wirklich bedrängt haben in Kempten, da erzählt man sich in der CSU verschiedene Versionen. Sicher ist: Er hört auf. Was nun bleibt, ist die Frage, wie man sich an Kreuzer erinnern wird.

Der Fraktionsvorsitz ist eine Schlüsselposition in der CSU. Sollte die Partei, wie zu erwarten ist, auch nach der Landtagswahl die Staatsregierung führen, entscheidet die Fraktion, wen sie dem Landtag als Ministerpräsidenten vorschlägt - und kann ihm theoretisch immer das Vertrauen entziehen. Kein Ministerpräsident kann dauerhaft über die Fraktion hinwegregieren, nicht mal Markus Söder, der sich die CSU gefügig gemacht hat wie vor ihm höchstens Franz Josef Strauß.

An Alois Glück oder Gerold Tandler erinnern sich die meisten, ja selbst an Georg Schmid, den "Schüttelschorsch", der aber eher wegen seiner Neigung zum heftigen Händeschütteln und seiner Verstrickungen in die sogenannte Verwandtenaffäre im Gedächtnis geblieben ist. Aber nicht alle haben ihre Aufgabe auf gleiche Weise interpretiert. In der CSU gab es Fraktionschefs, die sich vor allem als Mehrheitsbeschaffer für den Ministerpräsidenten verstanden haben. Und solche, die den Ministerpräsidenten herausgefordert haben, mit eigenen Ideen, Überzeugungen, Glück war so einer. Kreuzer eher nicht.

Als Fraktionschef hat der Knurrer aus Kempten zwei Ministerpräsidenten erlebt. Erst Horst Seehofer, dann Markus Söder. Seehofer hatte im knochenkonservativen Kreuzer einen treuen Mitkämpfer für einen harten Kurs in der Asylpolitik. Nur sporadisch ist Kreuzer abgewichen von seiner Devise, dass interne Konflikte auch intern bleiben müssten. Da waren etwa die Pläne für eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen. Seehofer wollte den Volkszorn beruhigen, sein Fraktionschef grätschte ihm dazwischen, 2016 war das. Der Protest werde sich schon erledigen, wenn die Bagger erstmal rollen, sagte Kreuzer.

Dass Kreuzer dazwischen grätscht, das hätten sich einige CSU-Abgeordnete auch unter Söder mal gewünscht. Mit Söders hartem Corona-Kurs und seiner zeitweise grünen Phase waren längst nicht alle einverstanden. Und nicht wenige fanden, dass der Fraktionschef ihre kritische Haltung nicht offensiv genug platziert beim Ministerpräsidenten. Früher galt die Landtagsfraktion als "Herzkammer" der CSU. Unter Kreuzer ist bisweilen der Eindruck entstanden, dass ihr Rhythmus mit jedem Tag mehr von Söder bestimmt wird.

Kreuzer sieht das anders. "Ein guter Fraktionsvorsitzender sagt nicht zu allem Ja und Amen", was der Ministerpräsident sich wünscht. "Ich habe da niemals Dinge, die für mich entscheidend wichtig waren, einfach geschluckt." Nur habe das kaum jemand mitbekommen, eben weil er die Konflikte nie nach außen getragen habe. Dass Corona "die schwierigste Zeit" seiner Karriere war, räumt Kreuzer ein. Lokale schließen, Geschäfte zusperren, "das war schon sehr belastend". In einer Fraktion gebe es aber "immer jemanden, der die eigenen Interessen nicht so berücksichtigt fühlt und eher Kritik übt".

Die Landespolitik lässt Kreuzer nun hinter sich, Stadtrat in Kempten möchte er bleiben. Und "meinen Hobbys wieder bisschen mehr nachgehen", Golfen und Jagen. Was seine Nachfolge als Fraktionschef betrifft, deutet derzeit einiges auf Klaus Holetschek hin. Als Gesundheitsminister ist es ihm gelungen, sich neben dem übermächtigen Söder zu profilieren. Der Fraktion, heißt es, würde das guttun.

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