Kreuz-Erlass in Bayern:"Söder spaltet die Gesellschaft"

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Kritisiert den bayerischen Kreuz-Vorstoß: Imam Benjamin Idriz (Foto: Alessandra Schellnegger)

In Bayern sollen bald Kreuze im Eingangsbereich jeder Behörde hängen. Imam Benjamin Idriz erklärt, warum er diese Entscheidung für Stimmungsmache hält und welche Botschaft sie an Christen sendet.

Interview von Oliver Das Gupta

Die bayerische Anordnung zum Aufhängen von Kreuzen in allen Landesbehörden hat eine Debatte um das Verhältnis von Religion und Staat ausgelöst. Religionsexperten von SPD, Grünen, FDP und Linke sehen durch die Kreuz-Pflicht die Neutralitätspflicht des Staates in Gefahr. Kirchenvertreter warnen davor, das Kreuz für politische Zwecke zu missbrauchen. Benjamin Idriz, Imam der Moschee im oberbayrischen Penzberg, glaubt, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit seiner Kruzifix-Offensive Symbolpolitk betreibt.

SZ: Herr Idriz, ist für Sie das Kreuz identitätsstiftend für den Freistaat Bayern?

Benjamin Idriz: Nein. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Mit der christlichen Prägung Deutschlands haben ich und die meisten anderen Muslime in Bayern überhaupt kein Problem. Aber das Kreuz steht nicht für ein bestimmtes Land oder einen Staat, es steht in erster Linie für das Christentum.

Ministerpräsident Söder sagt das Gegenteil: Das Kreuz sei nicht als religiöses Symbol zu verstehen.

Das ist Unsinn und alle wissen es. Christen identifizieren sich weltweit damit, egal ob sie in Brasilien, im Irak oder in Australien leben. Niemand sagt, das Kreuz, das ist bayerisch oder deutsch.

Wie kommt Söders Vorstoß bei Ihnen als islamischer Geistlicher an?

Dazu möchte ich etwas ausholen. Ich achte und respektiere das Kreuz und das Christentum ebenso wie ich andere Glaubensgemeinschaften achte. Aber wir leben in einem säkularen Land, hier sind Staat und Religion getrennt.

So steht es im Grundgesetz.

Das ist gut und richtig so. Darum kann ich Ihnen sagen: Als Bürger, nicht nur als Imam oder Muslim, habe ich generell ein Problem damit, wenn Politiker mit Religion Stimmungsmache betreiben. Leider ist das bei uns in Bayern jetzt der Fall. Söder missbraucht das Kreuz. Das ist purer Populismus.

Fühlen Sie sich als Muslim besonders gestört durch die Kreuz-Verordnung?

Was heißt hier besonders. Ich denke, dass das auch viele Nichtmuslime stört. Zum Beispiel die Atheisten und auch solche Christen, die sagen: Wir leben in einem säkularen Staat, da hat das Kreuz in staatlichen Behörden nichts zu suchen. Söder spaltet damit die Gesellschaft, weil er Nichtchristen damit das Gefühl vermittelt, der Freistaat Bayern würde sie ausschließen. Gerade in dieser Zeit sind solche Vorstöße wie von Söder kontraproduktiv.

Worauf spielen Sie an?

Schauen Sie, momentan gibt es oft unsachliche Debatten über die Integration von Migranten und über die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. In dieser Atmosphäre instrumentalisiert Söder das zentrale christliche Symbol. Warum muss er das unbedingt jetzt machen?

Es ist naheliegend, dass die Landtagswahl in Bayern da eine Rolle spielt.

Ja, das glaube ich auch. Aber meinen Sie, dass sich echte christlich-konservative Wähler für die CSU entscheiden, nur weil jetzt Kreuze vor den Behörden hängen? Kann man Populisten mit Populismus erfolgreich bekämpfen?

Diese Fragen gebe ich an Sie zurück, Imam Idriz.

Ich glaube das nicht. Söder betreibt mit dem Kreuz Symbolpolitik und spaltet die Gesellschaft. Wenn es ihm wirklich um christliche Werte gehen würde, dann könnte er eine Politik machen, die von Nächstenliebe und Barmherzigkeit geprägt ist.

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Kommentar von Heribert Prantl

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