Kommentar:An den Menschen vorbei

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Natascha Kohnen redet viel über Arbeit und Wohnen. Das sind wichtige Themen, doch nicht die, welche die Menschen am meisten bewegen. Wenn sie Asylpolitik und Zuwanderung ausklammert, wird die SPD im Wahlkampf kaum eine Rolle spielen

Von Lisa Schnell

Natascha Kohnen will im Wahlkampf vor allem eins tun: den Leuten zuhören. Nach ihrer Wahrnehmung bewegt die Menschen in erster Linie die Wohnungsnot, über die sie bei jeder Gelegenheit spricht. Über Zuwanderung und Asylpolitik hört man von ihr nur selten ein Wort. Dabei ist es das Thema, das die Bayern laut einer Umfrage des Bayerischen Rundfunks am meisten bewegt. 50 Prozent der Wahlberechtigten nannten es Anfang des Jahres an erster Stelle. Mit der Diskussion um die Missstände im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dürfte sich daran kaum etwas geändert haben.

Unter den Befragten können nicht nur CSU- oder AfD-Wähler sein, sondern auch solche, die der SPD nahestehen. Einer Partei, die als Volkspartei gilt, auch wenn sie davon mit aktuell 13 Prozent Zustimmung in Bayern weit entfernt ist. Eine Volkspartei aber darf ihre Themen nicht am Empfinden der Mehrheit vorbei setzen. Asylhelfer und Verfechter von Weltoffenheit müssen sich bei der SPD genauso aufgehoben fühlen wie diejenigen, denen die hohen Zuwanderungszahlen Sorge bereiten. Vor allem in den unteren Einkommensschichten, denen die klassischen SPD-Wähler einst angehörten, die der Partei immer mehr abhanden kommen, gibt es mehr Ängste als Zuversicht.

Diese Ängst zu schüren, wie es die CSU oder manche Talkshow tut, ist fatal. Da hat Kohnen recht. Genauso fatal aber ist es, so zu tun, als gebe es sie nicht. Kohnen wünscht sich mehr Talkshows, in denen es um Wohnen und Arbeit geht. Themen, bei denen die Menschen der SPD noch etwas zutrauen. Dennoch wird der Wahlkampf in Bayern - wie schon die Bundestagswahl - von der Asyldebatte geprägt sein. Es liegt an der SPD, ob sie sich daran beteiligt. Doch tut sie es nicht, wird sie auch im Wahlkampf kaum vorkommen.

Kaum eine Diskussion ist emotional so aufgeladen. Dabei den richtigen Ton zu treffen, ist nicht leicht und erfordert vielleicht auch Mut. Den muss die SPD aber aufbringen, wenn sie weiterhin Volkspartei sein will.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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