Koalitionskrach:Störfälle

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Horst Seehofer kommt ins Schwärmen - zumindest, wenn er über die Verhandlungen in Berlin zum Atomausstieg spricht. In Bayern ist die Stimmung eher frostig. In der bayerischen Koalition wird weiter heftig gestritten.

Christian Sebald

Horst Seehofer könnte eigentlich höchst zufrieden sein. Bei ihrer Einigung auf einen schnellen Atomausstieg bis 2022 ist die schwarz-gelbe Bundesregierung schließlich den Vorstellungen der CSU gefolgt. Wenig verwunderlich also, dass Seehofer an diesem Dienstag in der Staatskanzlei in München zunächst beinahe überschwänglich "den kollegialen Geist" des Verhandlungsmarathons in der Nacht zum Montag lobt, aber auch die "intensiven und sehr sachlichen Diskussionen" und das ausdrücklich auch auf die bayerische FDP-Vorsitzende und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezieht.

CSU-Chef Horst Seehofer: "Ich werde die Umsetzung des Energiekonzeptes selbst koordinieren." (Foto: dapd)

Frostig wird der CSU-Chef nur, wenn die Rede auf Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) kommt. "Da müssen Sie ihn schon selbst fragen, was ihm seine Einstellung bringt", sagt Seehofer schmallippig, als er auf Zeils fortwährende Kritik am Ausstiegsdatum 2022 angesprochen wird.

Kein Zweifel, das Verhältnis zwischen dem Ministerpräsidenten Seehofer und seinem Stellvertreter Zeil ist denkbar angespannt, angespannter als es womöglich jemals war. Schließlich, auch das betont Seehofer an diesem Dienstag mehrfach, will der Freistaat das Modell für den Atomausstieg bis 2022 liefern, das Modell, an dem sich andere Staaten orientieren können, wenn sie den Weg in ein atomfreies Zeitalter beschreiten wollen.

Die Einzigen, die diese Ambitionen nicht teilen, sind ausgerechnet Zeil und seine FDP. "Dieses Verhalten", sagt Seehofer, "ist mir schleierhaft." Und hält den Liberalen vor, sie stellten ihre Interessen über das Wohl des Landes. "Ich kann nur vermuten, dass ihre Eigeninteressen eine größere Rolle gespielt haben als die bayerischen Anliegen", sagt Seehofer und spricht von einer "fraglos schwierigen Situation für mich".

Zeil ficht Seehofers Kritik nicht an. Der Wirtschaftsminister nennt sie ein "durchsichtiges parteitaktisches Manöver". Im Bayerischen Rundfunk sagt Zeil erneut, es sei "völlig willkürlich", dass sich Bund und Freistaat auf das Jahr 2022 für die Abschaltung der letzten Meiler festgelegt haben. Die Union habe offenbar den Zwang gesehen, auf die Opposition zuzugehen. Der Ausstieg sei "sehr ambitioniert und mit Risiken versehen", kritisiert Zeil und betont: "Wir werden ganz große Probleme haben, die Versorgungssicherheit sicherzustellen."

Das ist genau die Position, aus der heraus sich die Liberalen schon vor einer Woche im Ministerrat weigerten, 2022 als bayerischen Ausstiegstermin festzulegen. Damit provozierten sie die erste wirkliche Zerreißprobe des schwarz-gelben Kabinetts. "Es kann schon sein, dass der Ministerpräsident meine sachlichen Bedenken nicht versteht", sagt Zeil nun. "So wie er offenkundig die Bedenken von weiten Teilen seiner CSU nicht versteht." Ansonsten rät er, "aufeinander zuzugehen, statt das Trennende zu betonen".

Für Seehofer wiederum sind die Konsequenzen klar. Er zieht die Energiewende in Bayern an sich. "Ich werde die Umsetzung des Energiekonzeptes selbst koordinieren", kündigt der Ministerpräsident an. Seinem Wirtschaftsminister, der ja eigentlich für die Energieversorgung zuständig ist, billigt Seehofer offenkundig nur mehr die Rolle des Zuträgers zu - so wie auch Markus Söder (Umwelt), Helmut Brunner (Landwirtschaft) und Joachim Herrmann (Bauwesen) ihre Beiträge zur Energiewende liefern sollen. "Da hat jeder Minister seine Aufgabe", sagt Seehofer. Die Energiewende sieht er als "eine einzigartige Chance, ein vergiftetes Thema der letzten Jahrzehnte aus der Vergiftung herauszunehmen".

Aber nicht nur das. "Es ist ein nachhaltiges Konjunkturprogramm, und zwar für das gesamte nächste Jahrzehnt, kein Strohfeuer für ein bis zwei Jahre." Ärgern muss sich Zeil aber nicht nur über Seehofer: Der SPD-Abgeordnete Ludwig Wörner nennt ihn einen "Störfall", der "entsorgt" werden solle. Die FDP reagiert empört: Die SPD verlasse "den Boden parlamentarischer Gepflogenheiten und menschlichen Anstands", schimpft Vize-Fraktionschef Andreas Fischer.

© SZ vom 01.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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