Kirchseeon:Von de Scheena und de Schiach'n

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Im Museum in Kirchseeon gibt es furchterregende Masken zu bestaunen. (Foto: Christian Endt)

Die mystisch-faszinierende Tradition der Perchten hat in Kirchseeon ein eigenes Museum bekommen. Das Maskeum führt in eine Welt der schaurigen Fratzen und freundlichen Gesichter.

Von Anja Blum, Kirchseeon

Die Kirchseeoner Perchten sind, angesichts ihrer schweren, hölzernen Masken und dicken Kostüme, erstaunlich wendig. Sie laufen schnell, springen hoch, tanzen wild. Ganz plötzlich tauchen sie aus der Dunkelheit auf, dann sind sie auch schon wieder weg. Laufen die Perchten durch die Ort- und Landschaften der Region, ist der Straßenrand zudem meist voller Menschen, sodass das Sichtfeld und die Bewegungsfreiheit des einzelnen Zuschauers naturgemäß eingeschränkt ist. So kann es passieren, dass der Spuk schneller vorbei ist, als man schauen kann.

So bleibt meist gar keine Zeit, all die schaurigen und schönen Masken, die mystischen Tänze, Gesänge und Sprüche genauer zu studieren, die das Perchtenwesen zu etwas so Besonderem machen. Insofern wurde es höchste Zeit, einen Ort zu schaffen, an dem man den Perchten ganz in Ruhe begegnen kann. Lange hat es von der ersten Idee bis zur Umsetzung gedauert. Bereits seit knapp 70 Jahren wird dieses Brauchtum in Kirchseeon gepflegt, der Wunsch, ihm ein Museum zu widmen, ist bereits vor etwa 14 Jahren entstanden. Doch nun erst ist es fertig und für Besucher geöffnet: das Maskeum.

Museumsleiter Rainer Eglseder spricht nicht ohne Stolz über sein Maskeum. (Foto: Christian Endt)

Nachdem die Kirchseeoner Perchtenläufe bereits in das Haus der Geschichte in Regensburg aufgenommen worden sind , ist das Brauchtum nun endlich auch zu Hause museal präsent. So beschert das Maskeum dem Landkreis Ebersberg ein kulturelles Unikat von enormer Außenwirkung, denn die Kirchseeoner Perchten erregen schon lang international Aufmerksamkeit, von Russland bis nach Asien.

Das Maskeum vermittelt viel Wissen über ein historisches Brauchtum - und weckt zugleich tiefe Emotionen. Kein Wunder, schließlich stehen die Perchten für nichts Geringeres als Glück und Segen, Chaos, Tod und neues Leben. Insofern heißt es hier: Information meets Geisterbahn, und das auf erstaunlich begrenztem Raum. "Es sind nur rund 125 Quadratmeter Ausstellungsfläche, aber ich schätze, man kann hier gut und gerne eineinhalb Stunden verbringen", sagt Museumsleiter Rainer Eglseder nicht ohne Stolz. In der Tat: Jeden Zentimeter haben die Macher zu nutzen gewusst, die schiere Fülle aber derart durchdacht komponiert, dass man nur staunen kann über dieses gelungene, höchst kreative Museumskonzept.

Vor allem auch dank mehrerer multimedialer Stationen bietet das Maskeum viel Stoff: Infotexte, Fotos, Videos, Reportagen, Geschichten, Gedichte und Lieder. Per Touch-Pen, Wischfunktion und Hörmuschel kann der Besucher selbständig agieren, Themen auswählen und vertiefende Inhalte abrufen. Dazu die beeindruckenden Masken mit ihren fantasievollen Motiven und diversen Symbolen - es werden alle Sinne angesprochen.

Im Zentrum des Inszenierungskonzepts des Maskeums stehen Emotionen, worunter sicher auch Grusel fällt. (Foto: Christian Endt)

Zunächst geht es viel um Historisches. Wie ist dieses besondere Brauchtum überhaupt nach Kirchseeon gekommen? Und wie konnte es dort Fuß fassen? Nur so viel: Der entscheidende Mann war Hans Reupold Senior. Er initiierte die ersten Läufe, gründete den Verein Perschtenbund Soj und schnitzte zahllose Masken. Der zweite, größere Teil der Ausstellung widmet sich dem lebendigen Brauchtum. Der Raum ist zweigeteilt, und zwar durch ein großes, von hinten beleuchtetes Foto. Im Zentrum stehen jeweils lebensgroße Figuren, die einen Perchtenlauf darstellen, ausstaffiert mit den typischen Gewändern und Masken.

Die Klaubauf überbringen Segenswünsche

"De Scheena", rund um ein großes Glockenspiel gruppiert, führen den Zug an. Die Schönperchten, erfährt man, versinnbildlichen vor allem das Licht, das Werdende, das neue Jahr und die ordnenden Kräfte. Sie geben den Takt für die Tänze vor. Ihre Masken orientieren sich am menschlichen Antlitz und sind verziert mit Ornamenten verschiedener Themenbereiche wie Musik (Notenschlüssel oder Harfe), Tierwelt (Muscheln und Schnecken) oder Heraldik (Wappen).

Auf der anderen Seite des Raumes haben sich rund um Frau Percht "de Schiach'n" versammelt, am Boden liegt ein hölzerner Drudenhax. Die "Klaubauf" stehen für das Dunkle, das Vergehende und die chaotischen Lebensenergien. "Sie sollen uns gehörigen Respekt vor den Elementen und bewegenden Kräften der Natur einflößen, sie singen und tanzen, lärmen und treiben ihr Unwesen", sagt Eglseder. Letztlich sind die Klaubauf aber auch die Überbringer der Glücks- und Segenswünsche. Ihre Masken sind inspiriert von der heimischen Flora und Fauna sowie von Sagengestalten wie Werwolf oder Drache, es gibt Heilbringendes genauso wie Schauriges.

In der Ausstellung sind knapp 70 Masken zu sehen - alle gut in Szene gesetzt. (Foto: © Christian Endt)

Knapp 70 Masken setzt die Ausstellung effektvoll in Szene, sie sind nach Gruppen sortiert, jede wird mit Namen benannt. Da gibt es zum Beispiel die "Hoizmandl", deren Gesichter aus Wurzeln, Zapfen oder Pilzen gestaltet sind. Oder die "Schnadernschlenzer", lange Mäuler, die Schnee in Krägen befördern, Mützen klauen und Spenden einsammeln. Zu den Schiach'n zählen auch der "Bohrzahn", eine Personifizierung des Schmerzes, das "Gfrees", das den Kreislauf des Fressens und Gefressen-Werdens zeigt, oder der gemeine "Muhackl".

Unter den schönen Perchten wandeln hingegen "Sonnenkönig", "Widder" und "Spiegel". Bei all den Masken handelt es sich um Reupolds Originale, die ihren Dienst auf der Straße bereits hinter sich haben. Aber die jeweiligen Gestalten werden bei den nächsten Läufen nicht fehlen, die Masken werden laufend nachgeschnitzt. Auch wie es sich anfühlt, als Percht unterwegs zu sein, kann der Ausstellungsbesucher nachempfinden: Eine "Erlebnisstation" bietet Zottelgewand und Holzmaske zum Hineinschlüpfen.

Das raumteilende Bild kann auch als Leinwand für Filmvorführungen dienen. Ein Video zeigt einen echten Perchtenlauf, im Dunkeln, mit Fackeln, Trommeln und Geschrei. Ein anderes erklärt die Symbolik des Tanzes, den die Schiach'n rund um Frau Percht aufführen: Schnell wird da deutlich, dass alle Drehungen, Sprünge und Verbeugungen tiefere Bedeutung haben, wirken sie wegen der vielen Zotteln auch noch so wild und ungestüm. Kaum verständlich sind bei einem echten Lauf ja auch die Sprüche und Gesänge der Perchten, doch hier kann man einige nachlesen. "I bi d'Haberngoaß! I sog wos i woaß. Gib ma a Markl oder zwoa, sonst mach i a Gschroa, gibst ma aber drei - na hoit i s'Mai."

Das Maskeum befindet sich in der Grund- und Mittelschule Kirchseeon, Münchner Straße 19, erreichbar über einen Treppenturm im Pausenhof (Nähe B 304). Ein barrierefreier Zugang via Aufzug ist ebenfalls vorhanden. Der Eintritt ist frei, ein kleiner geschnitzter Kopf an der Tür schluckt aber gerne Spenden. Öffnungszeiten von Oktober bis Januar: jeden Samstag und Sonntag, jeweils von 10 bis 16 Uhr, Dezember und Januar: außer an den Feiertagen, Sonderöffnung am 6. und 7. Januar. Weitere Infos: www.maskeum.de.

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