Kirchenasyl:"Das riecht mir sehr nach Einschüchterung"

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Die evangelische Gemeinde Haßfurt nahm den afghanischen Flüchtling Hasib A. auf. Deshalb wird gegen Pfarrerin Doris Otminghaus ermittelt. (Foto: dpa)
  • Das "Kirchenasyl" gewähren Pfarreien manchmal Flüchtlingen. Diese dürfen dann das Gelände nicht verlassen, sind jedoch etwa vor einer Abschiebung geschützt.
  • Kirchen haben vor dem Gesetz keine Sonderrechte. Aber die Kirchen haben sich 2015 mit dem Bund geeinigt, dass das Kirchenasyl respektiert wird.
  • Bayern schert nun aus: Es häufen sich Fälle, in denen Staatsanwälte offiziell wegen "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" ermitteln.

Von Claudia Henzler

In Bayern geht die Staatsanwaltschaft verstärkt gegen das Kirchenasyl vor. Staatsanwälte sollen in den vergangenen Monaten gegen mehrere Dutzend Pfarrer oder Kirchenmitglieder Verfahren eingeleitet haben, die Flüchtlinge aufgenommen hatten. Begründet werden die Ermittlungen mit dem Verdacht auf "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt".

Pfarrerinnen und Pfarrer fühlen sich unter Druck gesetzt. "Das riecht mir sehr nach Einschüchterung", sagt Martin Kleineidam, evangelischer Stadtpfarrer in Bayreuth. Er selbst wurde im Sommer 2016 von der Staatsanwaltschaft angeschrieben, nachdem er Geflüchteten - nach langer Prüfung und abgestimmt mit Kirchenvorstand, Dekan und Regionalbischöfin - Schutz gewährt hatte. Für Kleineidam war die Erfahrung neu, "dass man kriminalisiert wird". Er fragt sich: "Hat unsere Staatsanwaltschaft nichts anderes zu tun, als zu versuchen, Pfarrer als Straftäter hinzustellen? Wir sind ja Leute, die versuchen, den Rechtsstaat hochzuhalten!"

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Ein Kirchenasyl-Experte sagte dem Evangelischen Pressedienst, solche Verfahren würden derzeit nur in Bayern angestrengt. "Wir vermuten, dass es eine Weisung der Staatsregierung oder einzelner Ministerien an die Staatsanwaltschaften gab." Das Justizministerium teilt mit: "Eine Vorgabe des Justizministeriums, solche Ermittlungsverfahren proaktiv einzuleiten, gibt es (. . . ) nicht." Eine Statistik über die Zahl eingeleiteter Verfahren zum Kirchenasyl werde nicht geführt.

Mehr als 30 Fälle soll es schon gegeben haben, heißt es in Kirchenkreisen. Der evangelischen Landeskirche allein sind 17 bekannt, "darüber hinaus wissen wir nicht, ob uns alle Ermittlungsverfahren gemeldet werden", teilt ein Sprecher mit. Auch in der katholischen Kirche wird registriert, dass die Ermittlungsverfahren im vergangenen halben Jahr zugenommen haben. Ein Schwerpunkt liegt dabei offenbar in Franken.

Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm kritisiert die Ermittlungsverfahren: "Ich hoffe, dass dieses Vorgehen nicht zur Regel wird", sagte Bedford-Strohm der Süddeutschen Zeitung. "Ihre Strafverfolgung ist unverhältnismäßig."Das Kirchenasyl sei eine "ultima ratio, die keinen eigenen Rechtsweg darstellen soll, sondern eine in der Geschichte der Kirche entwickelte humanitäre Notlösung ist, die Raum schafft für nochmalige rechtliche Prüfungen und die Verhinderung besonderer humanitärer Härten", sagte der Landesbischof. Die "sehr begrenzte Zahl" von gegenwärtig 57 Kirchenasylen in der Evangelischen Kirche in Bayern zeige, dass die Gemeinden sehr verantwortungsvoll mit diesem Instrument umgingen. "Wir haben wirklich andere Herausforderungen als Menschen, die sich mit hohem persönlichen Einsatz und viel Empathie für andere einsetzen", sagte Bedford-Strohm.

In den Kirchengemeinden nimmt die Empörung über die Ermittlungen zu. Jürgen Blechschmidt, evangelischer Dekan im Landkreis Haßberge, sagte der Mainpost: "Das ist eine neue Politik, die mich an die Achtzigerjahre unter Franz Josef Strauß erinnert." Ein Pfarrer, der auch schon in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft kam, vermutete im Gespräch mit der SZ: "Die Politik versucht, sich gegenüber den Populisten abzusichern."

Jüngster Fall ist eine evangelische Pfarrerin aus der unterfränkischen Stadt Haßfurt, deren Gemeinde gerade vier abgelehnte Asylbewerber beherbergt. Doris Otminghaus wurde am Mittwoch zur Polizei bestellt. Sie habe die Beamten darauf hingewiesen, dass es zwischen Kirche und Bundesregierung eine Absprache zum Kirchenasyl gebe. Denn Vertreter der beiden großen Kirchen hatten sich im Februar 2015 mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) darauf geeinigt, dass der Staat die Tradition des Kirchenasyls respektiert, wenn gewisse Rahmenbedingungen eingehalten werden. Zu den Regeln gehört zum Beispiel, dass Kirchen nur in Härtefällen Zuflucht gewähren. Außerdem wurde vereinbart, dass das Bundesamt jedes Mal schnell informiert wird, damit eine "lösungsorientierte Einzelfallprüfung" stattfinden könne.

Die Klagen werden meist wegen Geringfügigkeit eingestellt

"Die Personengruppe ist äußerst eng begrenzt", sagt Otminghaus. Das Kirchenasyl komme nur infrage, wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft seien, die Abschiebung unzumutbar wäre und überhaupt eine Perspektive besteht, dass den Geflüchteten während des Kirchenasyls tatsächlich geholfen werden kann - etwa wenn eine Petition abgewartet wird. Laut evangelischer Kirche gibt es in Bayern derzeit 53 evangelische Kirchenasyle.

Das Ganze verlaufe sehr transparent, erklärt Otminghaus: "Wenn es zu einem Kirchenasyl kommt, melden wir das sofort dem Bamf und der jeweiligen Ausländerbehörde." In ihrer Kirchengemeinde ist sie für diese Mitteilungen zuständig, deshalb kamen die Ermittler nun auf sie zu. Otminghaus kennt mehrere Kollegen, die ebenfalls Kontakt mit der Staatsanwaltschaft hatten. "Es geht ja nicht um meine Person", sagt die Pfarrerin. Ihrer Meinung nach greift der Staat über die Staatsanwaltschaften das Kirchenasyl an. "Die Kirche muss reagieren", fordert sie.

Matthias Bachmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bamberg, bestätigt das Verfahren gegen Otminghaus, sagt aber, er habe keinen Überblick, welche Verfahren sonst noch laufen.

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Die bisherigen Verfahren wurden meist nach zwei bis drei Wochen wegen Geringfügigkeit eingestellt. Allerdings enthielten die Mitteilungen den Zusatz, dass die Staatsanwaltschaft nur "ausnahmsweise von einer Strafverfolgung absieht" und darauf hinweist, "dass bei künftigen Verstößen mit der Erhebung der öffentlichen Klage gerechnet werden muss".

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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