Integration:Die CSU tut sich schwer, eine Leitkultur zu definieren

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Die bayerische Leitkultur war schon Thema auf dem CSU-Parteitag im November 2015. (Foto: dpa)

Einwanderer sollen die Sitten und Traditionen in Bayern achten. Was mit dieser Formulierung im Entwurf für das Integrationsgesetz gemeint ist, bleibt auch auf Nachfragen im Landtag unklar.

Von Sebastian Beck

Ein Schwarzer in der Lederhose - aus Sicht von Josef Zellmeier ist das ein Beispiel für die "Vollintegration" in die bayerische Leitkultur. Was der Straubinger CSU-Abgeordnete kürzlich in der Landtagsdebatte zum Integrationsgesetz so prägnant auf den Punkt gebracht hat, schwebt auch vielen seiner Parteifreunde insgeheim als Idealbild vor. Doch Senegalesen in der Krachledernen und Irakerinnen im Dirndl sind in Bayern noch seltener anzutreffen als echte Münchner im Hofbräuhaus.

Die Staatsregierung hat deshalb einen Entwurf für ein Integrationsgesetz vorgelegt, in dem Einwanderer zwar nicht zum Tragen von Tracht, dafür aber zur Anerkennung der bajuwarischen Leitkultur verpflichtet werden sollen. Woraus die besteht, das fasst die Präambel des Gesetzentwurfs zusammen.

Darin ist sehr wortreich von Werten und Traditionen des christlichen Abendlandes die Rede, von Gleichberechtigung, Menschenwürde - und von bayerischen Besonderheiten: "Ganz Bayern ist geformt von gewachsenem Brauchtum, von Sitten und Traditionen." Welche Sitten und Traditionen zum Kernbestand des Bayerntums zählen, lässt das Gesetz offen. Ob damit auch der eigene Wagen gemeint ist, mit dem die CSU Anfang Juli bei der Schwulen- und Lesbenparade in München teilnehmen will?

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In der Praxis tut sich selbst die Staatsregierung schwer mit der Auslegung der Leitkultur. Das zeigt einmal mehr eine Anfrage der Augsburger Grünen-Abgeordneten Christine Kamm an das bayerische Sozialministerium. Sie wollte wissen, welche Sitten, Traditionen und welches Brauchtum im Rahmen der Integrationspflicht zu achten seien.

Die Antwort darauf lautete knapp: "Die Integrationspflicht ist an der Leitkultur auszurichten." Auch zu den sonstigen Gepflogenheiten des Miteinanders kann das Ministerium nur Allgemeines beitragen: "Die vorherrschenden Umgangsformen, Sitten und Gebräuche, die im Einklang mit Recht und Gesetz stehen, sind zu respektieren."

Das erscheint der Abgeordneten Kamm dann doch ein bisschen dürftig, angesichts der lautstarken Debatten über Leitkultur. Sie fragt: "Wenn im CSU-Sozialministerium bei konkreten Fragen zur Leitkultur nur Sprach- und Ratlosigkeit herrscht - wie sollen dann Migrantinnen und Migranten auf diese verpflichtet werden können?"

Tatsächlich kaut die CSU nun schon seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten auf dem Begriff herum, der auch im neuen Grundsatzprogramm festgeschrieben werden soll. Doch erst unter dem Eindruck der starken Zuwanderung aus islamischen Ländern ist das Thema wieder aktuell geworden. Zuletzt versuchte sich Anfang des Jahres die CSU-Landtagsfraktion an einer Definition der Leitkultur. "Wir werden das Martinsfest auch nicht in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umbenennen", heißt es darin. Immerhin: Einen Lederhosen- oder Dirndlzwang solle es nicht geben.

Was die Leitkultur letztlich ausmacht, das weiß auch die CSU nicht so recht. Ganz genau weiß die Partei aber, dass Verstöße gegen die Rechts- und Werteordnung sanktioniert werden müssen. Und die bayerische Opposition weiß schon jetzt: Falls das Integrationsgesetz so kommt, wird sie vors Verfassungsgericht ziehen.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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