In Guttenbergs Heimat:"Wir alle brauchen ihn hier"

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Die CSU ist vom Rücktritt Karl-Theodor zu Guttenbergs bis ins Mark erschüttert. Doch noch mehr leiden seine Freunde in der oberfränkischen Heimat. Zum Beispiel Frau Knetsch, die ihrem KT kürzlich erst einen Schal gestrickt hat.

O. Przybilla, K. Auer und M. Szymanski

Bei Karl-Josef Knetsch laufen zwei Fernseher an diesem Mittag, damit er wirklich alles mitbekommt vom historischen Tag. Knetsch ist ein bekannter Mann in der Gemeinde Guttenberg, die Leute kennen ihn als den Austräger der Bild am Sonntag, das ist seine Zeitung. Was die anderen Blätter mit dem Sohn des Dorfes gemacht haben, das hat Knetsch sehr wohl mitbekommen, und er goutiert es nicht. "Was habt ihr denn da ausgeheckt?", fragt Knetsch - bittet Journalisten aber trotzdem in seine Wohnung.

Die Basis sah ihn gerne als Heilsbringer - wie die Teilnehmer einer Wahlkampfveranstaltung der Jungen Union (JU) 2009 in Neuburg an der Donau. (Foto: ddp)

Die Familie Knetsch ist betrübt an diesem Mittag. Vor anderthalb Stunden ist Karl-Theodor zu Guttenberg zurückgetreten, und wer sich umschaut in der Wohnung von Herrn und Frau Knetsch, der ahnt, was das für sie bedeutet. An der Wand hängt ein gerahmter Brief des jetzt ehemaligen Bundesverteidigungsministers, selbstverständlich handschriftlich verfasst.

Auf der Kommode liegt die Biographie über Karl-Theodor zu Guttenberg, selbstverständlich ist es die der Bild-Autorin Anna von Bayern, ein nicht allzu kritisches Buch. Frau Knetsch hat KT kürzlich einen Schal gestrickt und überreicht, die Tochter arbeitet im Reitstall derer zu Guttenberg, dort hat sie den damals noch amtierenden Verteidigungsminister am Wochenende noch reiten sehen. Und Karl-Josef Knetsch, 59, hat am Sonntag die Bild in den Schloss-Briefkasten gesteckt. "Wir waren schon sehr stolz auf den Minister", sagt er.

Nicht nur die Familie Knetsch. Die ganze CSU hatte sich von ihm eine glänzende Zukunft versprochen. Und dann kommt mitten in der Sitzung des bayerischen Kabinetts der Anruf von Guttenberg. Seehofer unterbricht eigens die Sitzung. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Guttenberg aufgibt. Die Minister stürmen um kurz nach elf Uhr aus der Staatskanzlei, berichten von einer schier erdrückenden Stimmung, die sich über den Ministerrat gelegt hat.

Gesundheitsminister Markus Söder, der treueste Rivale Guttenbergs, spricht schon wie auf einer Trauerfeier. "Wir sind geschockt", sagt er. "Karl-Theodor war ein ganz hervorragender Verteidigungsminister." Es klingt wie ein Nachruf. Finanzminister Georg Fahrenschon sagt: "Wir haben hier einen Verteidigungsminister erlebt, der frischen Wind ins Haus gebracht hat", sagt er. Fast gebeugt tritt Seehofer danach ans Rednerpult. Jeder Schritt von ihm wirkt schwer.

Am Montag noch hatte er persönlich für Guttenberg gekämpft. "Die politische Familie steht zusammen, wenn einer in Bedrängnis gerät", hatte er versichert. "Der Rücktritt kommt für die politische Familie vollkommen überraschend", sagt Seehofer am Dienstag. "Ich danke Karl-Theodor." Der Rücktritt von Guttenberg erschüttert die CSU bis tief ins Mark. "Es ist eine ganz schmerzliche Stunde für die CSU", sagt Seehofer. Er werde alles tun, damit Guttenberg der Politik erhalten bleibe. "Er bleibt einer von uns", sagt er noch. Dann will auch er nur noch hier weg.

CSU-Fraktionschef Georg Schmid steht die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben, als er im Landtag um die Ecke biegt. Keine Anzeichen eines Rücktritts habe er am Tag zuvor bei Guttenberg erkannt. "Das ist ein ganz schwerer Tag für uns", sagt Schmid. "Ich hätte ihn gerne weiter im Amt gesehen."

Sie haben Guttenberg verehrt in der CSU. Dafür, dass er ihnen die Herzen der Wähler zurückerobert hat. "Er hat den Abstand zwischen Bürgern und Politik wieder kleiner werden lassen", sagt Schmid. Wenn Guttenberg angesagt war, egal wo in Bayern, dann waren die Bierzelte voll. Und die Menschen begeistert. Guttenberg sprang auf die Bühne, bestellte Bier statt Wasser und lobte den festen bayerischen Boden, den er viel lieber unter den Füßen habe als die schwankenden Berliner Planken.

Bodenständigkeit attestierten seine Fans dem Baron, Glaubwürdigkeit, und er gab ihnen das Gefühl, einer von ihnen zu sein. "Eine ganz neue Art", habe Guttenberg, sagt Schmid. "Wir verlieren einen, der für unsere Politik gestanden ist." Kritik an der CDU übt Schmid auch. In den vergangenen Tagen hatten immer mehr Unionspolitiker an Guttenbergs Glaubwürdigkeit gezweifelt. "Jeder macht mal einen Fehler", sagt Schmid, aber den habe er eingesehen, also dafür hätte er nicht zurücktreten müssen. Und immerhin habe auch die CDU von den hohen Sympathiewerten Guttenbergs profitiert.

Hartmut Koschyk hat die Meldung vor einer Stunde gehört. Von allen Ämtern zurückgetreten, so heißt es im Radio. Von allen Ämtern, also auch dem als CSU-Bezirksvorsitzender in Oberfranken? Koschyk weiß das nicht, "und ich hoffe es nicht", sagt er. Koschyk und Guttenberg, das ist eine sehr eigene Geschichte. Koschyk war im Jahr 2007 eigentlich schon durch als logischer Nachfolger von Werner Schnappauf als neuer CSU-Chef von Oberfranken - die politische Hackordnung in Oberfranken schien im Grunde gar keine andere Wahl zuzulassen. Bis dann plötzlich dieser politische Komet sich zur Wahl stellte, und die oberfränkischen Delegierten ihm scharenweise zufielen.

Koschyk erlitt eine bittere Schlappe, der junge Freiherr wurde Chef, nicht er, Koschyk. Aber jetzt, in dieser Stunde, "möchte ich alles daran setzen, Karl-Theodor zu überreden, bitte auch weiterhin Parteichef in Oberfranken zu bleiben", sagt Koschyk. Er sagt es sehr oft, und er sagt es so, dass man ihm das glauben muss.

Selbst wenn Guttenberg in seiner Stellungnahme alle Ämter, also auch das Bundestagsmandat, den Bezirksvorsitz und das CSU-Kreistagsmandat niedergelegt haben sollte, sagt Koschyk, der CSU-Vize von Oberfranken ist, dann dürfe man diese Worte jetzt nicht auf die Goldwaage legen. Die Partei wolle unbedingt, dass Guttenberg zumindest als Abgeordneter und oberfränkischer CSU-Bezirkschef weitermache. Das sei die "einhellige Meinung im Parteipräsidium", sagt Koschyk.

Es gibt noch mehr in Oberfranken, die das fordern am Dienstag. Der Geschäftsführer des CSU-Bezirksverbandes, Reinhold Rott, sagt, "das wäre mein ganz großer Wunsch". Und er sagt, dass er keinen kenne im Verband, der das anders sehe. Rücktritt Guttenbergs auch als CSU-Chef von Oberfranken? "Das wäre ja noch schöner", schimpft Wolfgang Protzner, der ein bisschen als politischer Ziehvater von Guttenberg gilt. "Er muss in Oberfranken weitermachen", sagt Protzner, "wir alle brauchen ihn hier."

Eugen Hain hat am Morgen Holz gemacht im Wald von Guttenberg. Das kleine Stück vom Forst, wo er geschlagen hat, gehört ihm, nicht denen zu Guttenberg, das erwähnt Hain, und er lacht nicht dabei. Hain ist der Bürgermeister der Gemeinde Guttenberg. Als es passiert ist, war er im Wald, er hat geschwitzt, und nun, da er zurückkommt, stehen plötzlich Reporter bei ihm in der Einfahrt. Hain bringt sich im Haus erstmal auf den Stand, dann kommt er heraus, für "ein kurzes Statement" will er zur Verfügung stehen.

Er muss ja jetzt was sagen, er ist ja Bürgermeister, das bleibt man auch in Waldarbeiterkleidung. "Ein schwerer Tag ist das für Guttenberg", sagt der CSU-Mann, und man weiß nicht, ob er nun die kleinste selbständige Gemeinde in Oberfranken meint oder den früheren Minister. Wahrscheinlich beide.

© SZ vom 02.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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